Oststeinbek. Armin Lüders tritt als Vorsitzender des Ortsbeirats in Havighorst zurück und kommt damit einer Abwahl zuvor. Das ist der Grund.

Es ist ein ungewöhnlicher Vorgang. Und nicht jeder kann ihn nachvollziehen: Ein Politiker wählt den Kollegen einer anderen Gruppierung zum Vorsitzenden eines Ausschusses. Sagt später, er habe falsch votiert. Dadurch ändern sich die Mehrheitsverhältnisse. Plötzlich ist der Konkurrent des Amtsinhabers wieder im Spiel, denn dessen Partei setzt alles daran, eine erneute Abstimmung herbeizuführen. Zu der kommt es dann auch. Geschehen ist das in Oststeinbek. Der Leidtragende: Armin Lüders von der Wählergemeinschaft. Er ist als Vorsitzender des Ortsbeirats in Havighorst zurückgetreten und somit einer Abwahl zuvorgekommen.

Wenige Minuten vor Beginn der jüngsten Sitzung, auf der sein Nachfolger bestimmt wird, wirkt der 63-Jährige entspannt, von Verbitterung keine Spur in seinen Worten. Sollte er enttäuscht sein über die Geschehnisse, so lässt sich der Banker zumindest nichts anmerken. „Ich bin pragmatisch, sehe es sachlich. Vor allem bleibt nichts hängen. Wichtig ist, dass wir wieder eine vernünftige Arbeitsweise finden.“ Auf der Homepage der Wählergemeinschaft hat Lüders einige Tage zuvor einen Beitrag verfasst, indem er seinen Entschluss begründet. Bürgermeister Jürgen Hettwer wurde bereits am 22. August vom Rücktritt informiert. Lüders nennt einen Abwahlantrag der Christdemokraten und übt Kritik an der Konkurrenz, bemängelt den politischen Stil.

CDU holte bei Kommunalwahl alle Direktmandate in Oststeinbek

Er selbst hatte den Vorsitz im Mai 2019 übernommen, also mitten in der Legislatur. Sein Vorgänger von der CDU hörte auf, weil er beruflich extrem eingespannt war. Dessen Parteikollege, der im Amt folgen sollte, war für die SPD nicht vorstellbar. Also schickte man Lüders ins Amt, der inzwischen seit zehn Jahren Politik in der OWG macht.

Bei der Kommunalwahl in diesem Mai holt die CDU alle Direktmandate in Oststeinbek, wird mit Abstand stärkste Kraft mit 39,9 Prozent. Es folgen OWG (26,8), SPD (21,1) und Grüne (12,2). Kurz darauf werden in den Kommunen die Vorsitzenden der Ausschüsse gewählt. Der Ortsbeirat Havighorst tagt am 13. Juni. Er besteht aus sieben Mitgliedern, drei stellt die CDU, die Matthias Rust als Vorsitzenden vorschlägt. Lüders wird von der Wählergemeinschaft benannt. Über ihn wird per Handzeichen abgestimmt, neben den Grünen stimmt auch SPD-Vertreter Günter Weigt mit Ja. Vier Stimmen für Lüders – das reicht. Alles gut? Von wegen.

Günter Weigt (vorn) von der SPD entschuldigte sich öffentlich bei Lüders. Die beiden Männer saßen im Ortsbeirat nebeneinander.
Günter Weigt (vorn) von der SPD entschuldigte sich öffentlich bei Lüders. Die beiden Männer saßen im Ortsbeirat nebeneinander. © René Soukup

Die CDU bereitet noch vor der Sommerpause einen Neuwahlantrag vor, zieht ihn wegen eines Formfehlers allerdings zurück. „Wir wurden von der Verwaltung falsch beraten“, sagt Fraktionschef Patrick Klose. Er hätte sich ein Abwahlverfahren sparen wollen, dieses sei jedoch Vorbedingung. Denn in der Zwischenzeit hat sich hinter den Kulissen einiges getan. Weigt gesteht ein, für den falschen Kandidaten die Hand gehoben zu haben. Er sagt: „Ich bin einmal falsch abgebogen. Das war ein Augenblicksversagen und ist dumm gelaufen. Danach habe ich Anrufe von allen Beteiligten bekommen, die sehr überrascht gewesen sind, darunter auch mein Fraktionsvorsitzender Thomas Mielcarek.“ Er habe im Vorfeld Lüders zugesagt, ihn zu wählen, auf der Fraktionssitzung habe man sich jedoch auf Rust geeinigt.

SPD-Fraktionschef Thomas Mielcarek ist die Sache peinlich

Die 180-Grad-Drehung des Sozialdemokraten erhitzt die Gemüter über Wochen. In den Reihen der OWG ist von einem Vertrauensbruch innerhalb des Ortsbeirats die Rede. Die Würde des Amtes sei beschädigt. Auch die Grünen sind verwundert. In einem Artikel auf der eigenen Homepage, der am 24. August geschaltet wird, stellen sie diese Frage: „Eine Verwechslung beim Handheben, wo man sich untereinander doch seit Jahren kennt?“ Ein Geschmäckle bleibe. Das Tischtuch zwischen den Akteuren jedenfalls sei zerschnitten, viel Vertrauen schon zum Start verspielt.

SPD-Chef Mielcarek ist die Situation peinlich, daraus macht er keinen Hehl. „Das war ein Aussetzer. Es ist sehr unglücklich gelaufen und tut uns leid. Herr Lüders hat seine Aufgabe als Vorsitzender gut gemacht und nicht verdient, wie es jetzt gekommen ist.“ Die CDU habe bei der Kommunalwahl die meisten Stimmen bekommen, und mit Matthias Rust könne man gut zusammenarbeiten. Das sind für ihn zwei zentrale Fakten für einen Wechsel an der Spitze des Gremiums. Dass seine Partei Weigt unter Druck gesetzt hat, verneint Mielcarek. „Ich möchte nicht, dass die Sache in der Öffentlichkeit so wahrgenommen wird wie in Glinde mit dem Bürgervorsteher.“

Dort hatte die CDU als stärkste Kraft den Posten der SPD angeboten mangels eigener Kandidaten. Oliver Sendzik sollte es machen. Dann nahmen die Christdemokraten ihre Zusage kurzfristig zurück und stellen jetzt doch den Bürgervorsteher. Dafür musste die Partei reichlich Kritik einstecken.

Der Fall in Oststeinbek ist dann doch etwas anders geartet. CDU-Fraktionschef Klose sagt: „Die stärkste Partei hat über Jahrzehnte den Ortsvorsitz übernommen. Natürlich haben wir den Anspruch, das Amt zu besetzen.“

Knappe Mehrheit bei Wahl für Christdemokrat Matthias Rust

Bei der jüngsten Sitzung im Mehrzweckraum des Tennisvereins ist er auch dabei, beobachtet die Wahl von den Zuschauerplätzen aus. Bevor es zur Abstimmung kommt, ergreift Weigt das Wort und entschuldigt sich auch bei Lüders. Matthias Rust (50) erhält die nötige Mehrheit von vier Stimmen, knapper geht es nicht. Grünen-Vertreter Sven Sommer versagt ihm die Unterstützung, klingt in seinen Ausführungen aber versöhnlich: „Ich möchte nicht Öl ins Feuer gießen, es ist nicht alles gut gelaufen.“ Nachtreten ist in diesem Augenblick deplatziert. Man will nach vorn schauen.

Lüders sagt dieser Redaktion, das Amt sei größer als man selbst. Soll heißen: Er nimmt sich nicht so wichtig. Als guter Demokrat erkenne er die geänderte politische Mehrheit an. Sinnvolle Entscheidungen für den Ortsteil zu treffen als normales Mitglied des Gremiums, das ist jetzt seine Aufgabe. „Schließlich machen wir für die Bürger Politik.“ Klingt so, als habe er den Nackenschlag gut verkraftet.