Oststeinbek. Carsten Bendig hat in Oststeinbek mehrmals die politische Gruppierung gewechselt – dabei ist der Unternehmer gar nicht wankelmütig.
Für Politik interessiert sich Carsten Bendig schon seit Schülerzeiten. Seine Begeisterung sei im Lateinunterricht durch einen Lehrer entstanden, sagt der Oststeinbeker. Auch familiär hat er wohl einiges mitbekommen. Sein Opa war in der Gelsenkirchener FDP aktiv. Es dauerte allerdings, bis sich der im Ruhrpott aufgewachsene Mann, der seit 2000 in der Gemeinde an der Stadtgrenze zu Hamburg lebt, einer Partei anschloss – nämlich 2009 den Liberalen. Eine Verbindung, die nicht gehalten hat. Inzwischen hat Bendig binnen drei Jahren gleich zweimal die Fraktion gewechselt und ist jetzt bei der CDU gelandet. Es ist eine skurrile Geschichte über eine Person, die eigentlich alles andere als sprunghaft ist und an Bewährtem festhält.
Glücklich verheiratet, drei Kinder, Inhaber eines IT-Beratungsunternehmens mit elf Angestellten – der 56-Jährige ist beruflich zufrieden und schätzt es, im Kreis seiner Liebsten zu sein. In seiner Freizeit engagiert er sich für das Gemeinwohl, ist zum Beispiel im Beirat der Oststeinbeker Bürgerstiftung. Bei der Kommunalwahl 2018 schafften die Liberalen 11,7 Prozent, Bendig wurde Gemeindevertreter und später Fraktionsvorsitzender. „Der liberale Grundgedanke, dass jeder machen kann, was er will, solange er keinen anderen stört, ist meine Überzeugung. So wurde ich auch erzogen“, sagt der Geschäftsmann. Die Mitfahrbänke, die heute an mehreren Orten in der Gemeinde installiert sind, gehen laut Bendig auf einen Antrag der FDP zurück. Er will damit signalisieren, dass man sich auch um die kleineren Dinge Gedanken gemacht habe und Initiator gewesen sei.
Auch eine Wahl in Thüringen führte zum Ende der Oststeinbeker FDP
Dann kam der 5. Februar 2020. Der Liberale Thomas Kemmerich wurde mit Stimmen von AfD, CDU und FDP zum Ministerpräsidenten in Thüringen gewählt. Es war ein Tabubruch, so wie 1924, als in Thüringen erstmals völkische Abgeordnete einer bürgerlichen Regierung zur Mehrheit verhalfen. Kemmerich trat zwar zügig zurück, den Vorgang an sich ordneten viele als unverzeihlich ein. Und er beschädigte das Ansehen der FDP. So hatte es auch Bendig seinerzeit empfunden. „Durch die Ereignisse in Erfurt wurde uns von Bürgern Nähe zur AfD unterstellt“, sagte er damals.
Die Unzufriedenheit wuchs bei ihm – auch wegen der Kita-Reform, die im Zuständigkeitsbereich des früheren schleswig-holsteinischen Familienministers Heiner Garg (FDP) lag. „Wir wollten vor Ort erklären, dabei hat es an Unterstützung von der Partei auf Kreis- und Landesebene gefehlt“, erklärt Bendig. Die Frustration steigerte sich in einem Maße, dass er nur noch einen Ausweg sah: den Austritt. Seine Mitstreiter kündigten allesamt ebenfalls, der Großteil machte aber weiterhin Politik – im neugegründeten Verein Ostbek.net. Sie nahmen ihre Mandate mit, man hatte zwei Sitze in der Gemeindevertretung. Bendig machte den Fraktionsvorsitzenden.
Gastspiel von Ostbek.net in Gemeindevertretung war kurz
Der Verein hatte große Ziele neben der Mitbestimmung im Parlament. Man wollte einen Nachbarschaftstreff für Jung und Alt anbieten. In einem Büro sollte Platz für Spiel- und Lerngruppen, Hausaufgabenhilfe sowie Bastelnachmittage sein. Ein Repaircafé und eine Ehrenamtsbörse waren angedacht. Doch es kam alles ganz anders. Der zweite Gemeindevertreter des Vereins soll Dinge aus dem nicht öffentlichen Teil einer Ausschusssitzung an einen Bürger herangetragen haben. Ein Ordnungswidrigkeitenverfahren stand im Raum. Deshalb zog sich der Kommunalpolitiker zurück, Ostbek.net verlor daraufhin seinen Fraktionsstatus, es gab keine Nachrückerliste.
Bendig hätte also alle Gremien abdecken müssen. Nach eigenen Angaben belief sich sein ehrenamtliches Engagement bereits auf rund zehn Stunden pro Woche. Und jetzt noch mehr? Als Unternehmer konnte er nicht draufsatteln, zog deshalb den Stecker. Mitte 2022 löste sich Ostbek.net auf. „Das Interesse an Kommunalpolitik hatte ich aber nicht über Bord geworfen.“ Alle anderen Fraktionen hätten angefragt, ob er nicht übertreten wolle mit seinem Mandat. „Der Wechsel mit Mandat kam für mich moralisch nicht infrage, außerdem wollte ich erstmal Ruhe einkehren lassen“, so Bendig, der unter anderem den Umweltausschuss führte.
Die CDU lobt Fachkompetenz von Carsten Bendig
Bei der Kommunalwahl im Mai stand er auf keiner Liste, wohl aber gab es davor konkrete Gespräche mit den Christdemokraten. Zum jetzigen Bürgervorsteher und Ex-Fraktionschef Hans-Joachim Vorbeck habe er schon immer ein gutes Verhältnis gehabt. Das Werben um Bendig hatte schließlich Erfolg. Als wählbarer Bürger ohne Parteimitgliedschaft vertritt er nun die CDU-Interessen im Umweltausschuss. Der Unternehmer sieht sich selbst in der zweiten Reihe. Ambitionen, in der Hierarchie zu steigen, hat Bendig nicht. Vom Zeitaufwand sei es jetzt das richtige Maß. Bendig ist keiner, der immer an vorderster Linie stehen muss. Und die lauten Töne sind ohnehin nicht sein Ding. „Die Organisation der Fraktion ist professionell, die Verzahnung mit Landesvertretern gegeben. Das sehe ich zum Beispiel bei Rechtsfragen.“
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Bendig sagt, er habe die Ex-Kollegen von Ostbek.net über den politischen Neuanfang informiert. „Keiner hat es als Verrat gewertet.“ Bei den Christdemokraten ist man froh über einen weiteren Mitstreiter. „Carsten Bendig hat eine hohe Fachkompetenz, ist ruhig und besonnen. Diskussionen mit ihm waren immer sachlich und nie unter der Gürtellinie. Die Sympathie spielt natürlich auch eine Rolle“, sagt der Fraktionsvorsitzende Patrick Klose. Man habe bis auf die Ausnahme beim geplanten Wohngebiet hinter dem Breedenweg inhaltlich immer nah beieinander gelegen. Das Projekt umfasst 250 Wohneinheiten, die CDU will es zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Ohnehin ist es ihr viel zu groß. In der Politik gibt es dafür aber eine Mehrheit. Auch Bendig hat die Sache mitangeschoben durch sein Abstimmungsverhalten. Zu dem Thema sagt er ganz diplomatisch: „Man kann versuchen, mich zu überzeugen und andersherum ebenfalls.“ Außerdem gehe es derzeit wegen der hohen Baukostenpreise offenbar ohnehin nicht voran.