Glinde. „Unfair und machtbesessen“: SPD kritisiert CDU bei konstituierender Sitzung der Stadtvertretung. Es gab nicht nur Ja-Stimmen.

Als am Donnerstagabend ein Unwetter über Deutschland fegte, Regen auf die Erde prasselte und der Donner grollte, da wurde es auch im Bürgerhaus Glinde lauter, als der SPD-Fraktions- und Ortsvorsitzende Frank Lauterbach bei der konstituierenden Sitzung der Stadtvertretung das Wort ergriff. Wie berichtet, hatte die CDU als stärkste Kraft eigentlich der SPD den Posten des Bürgervorstehers angeboten, weil sie selbst aus den eigenen Reihen niemanden finden konnte. Oliver Sendzik (SPD) sollte der Nachfolger von Martin Radtke (CDU) werden. Doch die Christdemokraten nahmen ihre Zusage kurzfristig zurück, wollten das Amt doch selbst besetzen – nämlich mit dem Ortsvorsitzenden Claus Peters.

Für dieses Vorgehen fand Lauterbach deutliche Worte: „Menschlich ist das aus unserer Sicht ein charakterloses Verhalten, welches wir nur als armselig bezeichnen können.“ Lauterbach kritisierte vor allem das „unfaire Verhalten“ der CDU gegenüber Oliver Sendzik, als ihm kurz telefonisch mitgeteilt worden sei, dass man ihn nun nicht mehr brauche.

Für Fast-Bürgervorsteher Oliver Sendzik hat das Verhalten weitreichende Folgen

„Auf die voller Selbstmitleid gestellte Frage des Fraktionsvorsitzenden Martin Radtke, was hätte ich denn tun sollen, kann ich nur antworten: ,Rückgrat zeigen’“, so Lauterbach. „Ich hätte zu meinem Wort gestanden, welches ich gegeben habe.“ Im Ergebnis bleibe ein „unwürdiges Possenspiel der CDU, die einzig ihre Macht demonstrieren will“, so der SPD-Vorsitzende weiter.

Persönliche Worte fand auch Oliver Sendzik, der nach Lauterbach das Wort ergriff und für den das Hin und Her weitreichende Folgen hatte. Nachdem die CDU ihm den Posten angeboten hatte, habe er mit seiner Familie darüber gesprochen. „Meine Frau hat mir ihre Unterstützung zugesagt und ist dabei sogar noch einen Schritt weitergegangen. Sie hat einen Antrag auf Umsetzung in den Tagesdienst gestellt, damit ich meine Verpflichtungen wahrnehmen kann. So kann sie aber nicht weiter befördert werden.“

Sendziks Frau verzichtete zugunsten des Amtes auf Beförderung

Als SPD-Kommunalpolitiker und HSV-Fan sei er Niederlagen gewohnt, sagte Sendzik. „Aber wie muss meine Frau sich fühlen?“, fragte er. Das Verhalten der CDU habe ein unschuldiges Opfer gefunden. Auch in seinem Freundes- und Bekanntenkreis habe die Entscheidung Entsetzen ausgelöst. Er könne das verstehen, habe er selbst so etwas in seiner politischen Karriere noch nicht erlebt. Dennoch: „Ich selbst werde mir den Spaß an der Politik hierdurch nicht verderben lassen“, so der Sozialdemokrat, der im Hinblick auf die Abstimmung versöhnliche Worte fand: „Wir ziehen alle am gleichen Seil, nur von unterschiedlichen Seiten.“

Oliver Sendzik fand deutliche Worte für das Verhalten der CDU.
Oliver Sendzik fand deutliche Worte für das Verhalten der CDU. © Juliane Minow

Derart entgegenkommende Aussagen gab es von Lauterbach nicht. Für ihn bleibe der Schaden, den die Christdemokraten mit ihrem „machtbesessenen Verhalten“ angerichtet hätten: „Das Tischtuch ist zerschnitten. Eine faire und vertrauensvolle Zusammenarbeit ist für uns mit der CDU nicht mehr möglich. Der neue Bürgervorsteher wird sich bemühen müssen, die Wogen zu glätten“, so Lauterbach.

Claus Peters wurde mehrheitlich in geheimer Wahl zum Bürgervorsteher gewählt

Trotz Unmut wurde Claus Peters im ersten Wahlgang in geheimer Wahl mehrheitlich mit 18 Ja-Stimmen, neun Nein-Stimmen und vier Enthaltungen gewählt. „Es ist ein schwieriger Start“, sagte Peters. Vor allem die Folgen für Sendziks Frau bedauere er. „Das tut mir persönlich sehr leid“, so Peters. Aber: „Es ist, wie es ist.“ Er hoffe, dass man künftig trotzdem an einem Strang ziehen werde.

Uneinigkeit bleibt wohl bestehen in der Sache, wie genau die Kommunikation zwischen SPD und CDU im Vorfeld der Bürgervorsteherwahl gelaufen ist. Dass Martin Radtke, wie Lauterbach anprangerte, schon während des Wahlkampfes mehrmals mit der dringenden Bitte auf die SPD-Fraktion zugekommen sei, doch den Bürgervorsteher, namentlich Oliver Sendzik, zu stellen, dementierte Radtke im Gespräch mit unserer Redaktion.

Oliver Sendzik ist erneut zum stellvertretenden Bürgervorsteher ernannt worden

Auch, dass die Christdemokraten am 13. Juni während der Hauptausschusssitzung schon gewusst hätten, die Vereinbarung mit der SPD aufkündigen zu wollen, bestritt er – ebenso Lauterbachs Aussage, Radtke habe Sendzik am Telefon verkündet: Wir brauchen dich nun doch nicht mehr. „Das habe ich so salopp natürlich nie gesagt“, so Radtke. „Trotzdem ist es natürlich unglücklich gelaufen, und das tut mir leid – für Oliver Sendzik und auch für seine Frau.“

Nach der Wahl des Bürgervorstehers wurden die übrigen Ämter ohne größere Diskussionen besetzt. Oliver Sendzik wurde einstimmig zum stellvertretenden Bürgervorsteher gewählt, dieses Amt hatte er bereits zuvor inne. Barbara Bednarz (FDP) wurde zur zweiten Stellvertreterin gewählt. Erster Stadtrat wurde Martin Radtke, der außerdem den Fraktionsvorsitz der CDU übernimmt. Alle anderen Fraktionsvorsitzenden, Frank Lauterbach für die SPD, Thomas Kopsch für die FDP und Lüder Lückel für die Grünen blieben bestehen. Zum zweiten stellvertretenden Bürgermeister wurde Frank Lauterbach gewählt.