Großensee. Partei hofft auf Sitze in Gemeindevertretung und Ablösung des Bürgermeisters. CDU und SPD treten nicht mehr an.

Die Grünen haben in Großensee das geschafft, was der SPD und CDU misslungen ist: Sie treten bei der Kommunalwahl am 14. Mai an. Für die Ortsgruppe ein Novum und Bewährungsprobe zugleich. Sieben Kandidaten waren für die Zulassung zur Wahl erforderlich, auf der Liste der Partei stehen zehn. Spitzenkandidatin ist die Diplom-Mathematikerin Anja Hoch. Auf Platz zwei und drei folgen der Handelsvertreter Malte Maximilian Ilemann und Lina Bern-Hango, die im Sozialmanagement tätig ist.

Wie in Siek und Hoisdorf, wo ebenfalls erstmals Grüne antreten, verstehen sich die Großenseer Grünen als Alternative zu den etablierten Parteien und Wählergruppen. Sie wollen die Zukunft des Dorfes nicht länger allein den zwei Platzhirschen, Bürger für Großensee (BfG) und Aktive Wählergemeinschaft Großensee (AWG), überlassen. Die CDU ist ausgeblutet, weil einige ihrer früheren Mitglieder in die beiden Wählergruppen abgewandert sind. Ebenso wie die SPD wird sie nicht mehr in der Gemeindevertretung präsent sein.

Grünen-Kandidaten sind wesentlich jünger und motiviert

Doch dafür bekommen es die BfG und die AWG mit einer motivierten Konkurrenz zu tun, die sich deutlich jünger aufgestellt hat: Das Durchschnittsalter der Direktkandidaten liegt bei den Grünen bei 41, bei der BfG bei 51 und der AWG bei 59 Jahren. Beflügelt vom Ergebnis der schleswig-holsteinischen Landtagswahl 2022, bei der die Partei kräftig zulegte und zweitstärkste Kraft wurde, rechnen sich die Großenseer Grünen gute Chancen aus. Und sollten sie die meisten Sitze erringen, könnte es ihnen gelingen, den derzeitigen Bürgermeister Karsten Lindemann-Eggers (BfG) abzulösen.

Eine klare Kampfansage. Einer, der sich das Amt zutraut, ist auch schon gefunden: Malte Maximilian Ilemann. Er trat der Partei 1998 bei. Vor zehn Jahren zog er mit seiner Familie nach Großensee. „Seit sechs Jahren engagiere ich mich im Kindergartenverein“, sagt Ilemann. Dadurch sei er mit den politischen Strukturen in Kontakt gekommen. „Ich habe hier im Dorf vieles erlebt und gesehen“, sagt er, und es klingt nicht so, als ob er mit allen Entwicklungen einverstanden sei. Vielmehr sei in ihm allmählich der Wunsch gereift, selbst politisch aktiv zu werden.

Wichtige Vorhaben scheitern an Diskussionen in den Sitzungen

„Ich habe mich schon länger mit dem Thema befasst und bin dann ein paar mal zum Grünschnack in Trittau gegangen.“ Bei einem der Treffen des Ortsverbands fragte er den Vorsitzenden Rainer Redelmann, ob es überhaupt Parteimitglieder in Großensee gebe. Der forschte nach und förderte eine Liste von sechs Mitgliedern zutage. Ilemann schrieb sie an und versuchte, sie für die aktive Mitarbeit zu gewinnen. Acht Mitglieder hat die Grünen-Ortsgruppe in Großensee derzeit. Sie stellen fünf Kandidaten, fünf weitere sind parteilos.

Will Dinge bewegen: Lina Bern-Hango mahnt Taten statt Worte an.
Will Dinge bewegen: Lina Bern-Hango mahnt Taten statt Worte an. © Malte Ilemann

Zu ihnen zählt Lina Bern-Hango, wie Ilemann Mitglied im Kitavorstand. Die gebürtige Großenseerin outet sich „als echter Grünen-Fan“. „Das muss man auch sein, wenn man in die Politik geht“, meint die 35-Jährige. Durch die Arbeit im Vorstand habe sie oft mit der Gemeinde und den politischen Vertretern zu tun. „Ich habe es mir das Gerede der letzten fünf Jahre angehört. Da heißt es immer, dass ganz viel gemacht werden müsste“, sagt sie. Doch wichtige Vorhaben scheiterten immer wieder an den Diskussionen in den Sitzungen. „Ich habe den Eindruck, dass dabei oft persönliche Animositäten und Interessen eine Rolle spielen, anstatt dass die Politiker an die Bürger und die Gemeinde denken.“

Erneuerbare Energien für gemeindeeigene Gebäude nutzen

Als Beispiele führt sie Verzögerungen bei der Erweiterung der Kita und dem Neubau der Feuerwache an. „Bei dem Neubau ist seit etwa acht Jahren nichts passiert –– außer dass ein paar Bäume gefällt wurden.“ Ein anderes Projekt liegt schon länger auf Eis: „Vor etwa 20 Jahren wurde der Sportplatz gebaut. Auf dem Gelände war ursprünglich eine Mehrzweckhalle angedacht“, so Bern-Hango.

Dass das Dach der neuen Wache nach Norden ausgerichtet und somit nicht für eine Photovoltaikanlage geeignet ist, kann Bern-Hango nicht nachvollziehen. Das sei nicht zukunftsorientiert gedacht. „Ich finde es wichtig, dass man die Gemeindegebäude mit Solaranlagen ausstattet.“ Laut Ihlemann sollten auch Bestandsgebäude energetisch saniert werden. Selbst kleine Projekte machten einen Unterschied beim Naturschutz. Lina Bern-Hango erwähnt eine Ausgleichsfläche in ihrer Wohnstraße. „Dort könnte man eine Blühwiese für Insekten anlegen.“ Ihlemann fällt das Moor ein, das zwischen dem Golfplatz und Braak liegt. „So was läuft immer unter dem Radar. Das kann man pflegen und erhalten.“

See soll attraktiver werden, um den Tourismus anzukurbeln

Als weitere Themen nennt Ilemann eine bessere Anbindung an den ÖPNV und den Beitritt zur Initiative „Lebenswerte Städte und Gemeinden“, die sich für mehr Selbstbestimmung der Kommunen bei der Anordnung von Tempo 30 einsetzt. Siek und Ahrensburg sind bereits beigetreten.

Ein anderes Anliegen ist die schonende Weiterentwicklung des Tourismus am See. „Im touristischen Bereich haben wir deutlich mehr, womit wir wuchern können. Dazu muss man das aber auch vernünftig aufstellen mit Gastronomie und für mehr Aufenthaltsqualität sorgen.“ Außerdem lohne es sich, über einen Dorfladen nachzudenken.

Bei den Kosten für Bauvorhaben wie Kita und Feuerwehrwache müsse bedacht werden, „ob unsere jetzigen Einnahmen ausreichen, um diese verpflichtenden Ausgaben zu stemmen“. Sein Vorschlag: Durch maßvolles Wachstum könnten neue Baugebiete, beispielsweise auf der Pastorenkoppel, erschlossen und so Einnahmen generiert werden. „Dabei sollten umweltfreundliche Wohnraumkonzepte und andere Formen des Zusammenlebens mitgedacht werden. Ebenso wichtig ist es, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.“ Die dörfliche Infrastruktur müsse verbessert werden. Besonders für ältere Mitbürger und Kinder bedeute es einen Zugewinn an Sicherheit, wenn Fuß- und Radwege in gutem Zustand seien.

Mit mehr Transparenz sollen Bürger ins Boot geholt werden

Über ihre Motivation, in der Politik mitzumischen, sagt Bern-Hango: „Ich gestalte lieber und mache mit, statt zu meckern. Das Gute ist, dass ich in einer Gruppe bin, die unbefangen vom Kuddelmuddel der beiden letzten Wahlperioden ist.“ Und Ilemann ergänzt: „Klar kann man auch sagen, dass nach einer so langen Zeit ein Neuanfang gut wäre.“ Viele Bürger seien offen für neue Ansätze: „Egal mit wem wir auf der Straße beim Flyerverteilen oder dem Aufhängen von Plakaten ins Gespräch kommen, wir bekommen durchweg positive Rückmeldungen.

Die Frage, was er als Bürgermeister anders machen würde, beantwortet Ilemann so: „Meine Arbeitsweise ist deutlich lösungsorientierter.“ Er habe die Strukturen kennengelernt und dabei die Erfahrung gemacht, dass es viel Spaß mache, mit den Beteiligten zu arbeiten. „Ich schaue lieber nach vorn. Man geht ja nicht hin, um etwas zu verhindern, sondern voranzubringen.“ Er wolle für mehr Transparenz sorgen und die Bürger mitnehmen. „Im Moment läuft das so ab, dass die Tagesordnung erst wenige Tage vor der Sitzung online gestellt wird. Dadurch ist die Vorbereitungszeit für die Teilnehmenden sehr begrenzt.“ Dabei bestehe sogar die Möglichkeit, die Unterlagen zu verlinken, damit alle Bürger sie sehen könnten.

Ein Bürgermeister müsse ein Ohr für alle Bevölkerungsgruppen haben, findet Ilemann. „Mein Anspruch ist, proaktiv auf die Gruppen zuzugehen, um zu erfahren, was die Bedürfnisse der Bürger sind.“ Bern-Hango bringt es so auf den Punkt: „Momentan haben wir in Großensee – zugespitzt ausgedrückt – eine Situation wie in den USA.“ Mit zwei politischen Akteuren, die sich gegenseitig blockierten. Sie halte es für besser, „wenn man ein breites Feld hat und sich zu dritt die 13 Sitze in der Gemeindevertretung teilt“. Denn die Demokratie lebe nun mal von der Vielfalt.

Eine Vorstellung aller Kandidaten und das Wahlprogramm gibt’s unter gruene-grossensee.de