Großensee. Skurrile Verkehrsbeschilderung vor dem Kindergarten Großensee. Wie es dazu kam und warum viele das nicht länger hinnehmen wollen.
Gibt es irgendeinen vernünftigen Grund für die derzeitige Verkehrsbeschilderung rund um den Kindergarten an der Hamburger Straße in Großensee? Das zumindest bezweifeln viele Eltern, Großeltern und die Kita-Belegschaft sowie viele Bürger. Denn an der besagten Stelle existiert die kuriose Situation, dass nur auf der Straßenseite, an der das Kita-Gelände liegt, Tempo 30 gilt und es einen Hinweis auf den Kindergarten gibt. In der Gegenrichtung werden die Autofahrer nicht auf die Kita aufmerksam gemacht und dürfen bis zu 50 km/h schnell fahren.
Verkehrte Welt möchte man meinen, schon allein deswegen, weil es früher anders – und nach Meinung der Eltern deutlich besser – war. Denn bis 2014 galt beidseitig Tempo 30. Die Eltern wollen mit ihrem Protest gegen die derzeitige Regelung erreichen, dass sie erneut auf den Prüfstand gestellt wird.
Gefährdung durch zu schmale und rutschige Gehwege
Kita-Leiterin Christine Rogall unterstützt das Anliegen der Eltern. Sie sagt: „Unser Kindergartengebäude liegt sehr zurückgesetzt und wird daher nicht ohne Weiteres als solches wahrgenommen.“ Die Gehwege auf beiden Seiten längs der Straße seien sehr schmal. „Wenn wir aus unserem Gebäude mit 20 Kindern und zwei Erzieherinnen Ausflüge machen, gibt es an der Spur, die Richtung Hamburg führt, keinerlei Hinweis, dass da eine Kita ist.“ Manchmal habe man drei Kinder an der Hand, da könne es leicht eng werden. Außerdem sei es gewünscht, dass die Kinder zu Fuß, mit dem Fahrrad oder der Karre gebracht würden.
Das Argument, dass die Autos, die aus dem Ort kommen, dadurch ausgebremst würden, lässt sie nicht gelten. „Viele geben Gas, weil sie Richtung Ortsausgang fahren.“ Zudem gebe es zurzeit durch die Umleitungsstrecke der B404, die durch den Ort führe, vermehrten Lkw-Verkehr. Besonders zur morgendlichen Hauptverkehrszeit habe dieser enorm zugenommen, was eine höhere Gefährdung der Kinder mit sich bringe, die zu dieser Zeit zum Kindergarten gebracht würden. Es müsse doch nicht erst etwas passieren, damit die Situation entschärft wird, meint Rogall. Selbst wenn zunächst nur ein Kindergartenschild aufgestellt würde, sei das schon eine große Hilfe.
Land will die Anzahl der Verkehrsschilder reduzieren
Warum die Schilder abgenommen wurden, weiß die Kita-Leiterin nicht genau, nur so viel: „Weil die Hamburger Straße eine Landesstraße ist.“ Und damit kann die Kommune nicht selbst über die Beschilderung entscheiden. Großensees Bürgermeister Karsten Lindemann-Eggers sagt: „Das Land hat sich vor etwa acht Jahren auf die Fahnen geschrieben, die Verkehrsbeschilderung zu reduzieren.“ In diesem Zuge sei die 30er-Zone an der Hamburger Straße aufgehoben worden. Es habe daraufhin eine Unterschriftenaktion gegeben. Die Unterschriften habe er bei der Straßenverkehrsbehörde in Bad Oldesloe eingereicht, die das Veto mit der Bitte um Neubewertung der Situation an den Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr in Kiel weitergeleitet habe. Mit der Beschwerde erzielten die Großenseer jedoch nur einen Teilerfolg: Auf einer Straßenseite wurden die Schilder wieder angebracht – auf der anderen nicht.
Ein unbefriedigendes Ergebnis. „Uns ist gesagt worden, dass unsere Forderung nicht erfüllt werden kann, weil die Kinder nicht allein zur Kita gehen. Wenn die Kinder die Straße queren müssen, sollen sie dazu die Querungshilfe an der Bushaltestelle nehmen.“ Eine Aussage, die praxisfern ist. Ein solcher Umweg ist für Eltern, die zu Fuß mit kleinen Kindern unterwegs sind, wenig praktikabel. Aber nicht nur sie nutzen die Strecke, sondern auch Schulkinder sind dort unterwegs. Wenn sie nicht einen extra weiten Weg in Kauf nehmen, damit sie nicht an der Hamburger Straße entlanglaufen müssen, wie eine Mutter berichtet.
Eltern führen viele Argumente für Schilder an
Marko Bentien hat zwei Kinder, die die Kita besuchen. Er und seine Frau Janine kennen die Fallstricke, die auf der Strecke lauern, zur Genüge. Über Aussagen wie die eines Behördenmitarbeiters, dass es egal sei, ob ein Kind mit 30 oder 50 km/h angefahren werde, kann er nur den Kopf schütteln. „Vor etwa vier Wochen hatte ich eine Auseinandersetzung mit einer Autofahrerin, die offensichtlich viel zu schnell unterwegs war“, sagt er. Er habe ihr mit Handzeichen bedeutet, langsamer vor der Kita zu fahren, doch die Frau habe angehalten und mit Unverständnis reagiert.
Madeline Dandl, Mutter eines Kita-Kindes, weist darauf hin, dass Kinder, die mit dem Laufrad unterwegs sind, oft noch nicht sicher fahren könnten. Ein Hindernis sind auch Elektrokästen, die den Gehweg noch weiter verengen. Amaly Studer, ebenfalls Mutter von Kita-Kindern, führt am Straßenrand parkende Autos an, die die Sicht behinderten. „Und was ist, wenn sich einmal ein Kind von der Hand losreißt“, fragt eine aus der Elterngruppe. Kein Autofahrer rechne mit kleinen Kindern, wenn es keinen Hinweis gebe.
Verkehrsbehörde: „Kein relevanter Querungsverkehr“
Vor Kurzem sei eine Mutter, die mit Kind auf dem Fahrrad unterwegs gewesen sei, auf dem nassen Untergrund des schmalen Gehweges weggerutscht und mit dem Fahrrad auf die Fahrbahn gekippt. Glücklicherweise sei in diesem Moment kein Auto gekommen. Eine Großenseerin, die mit sechs Kindern die Straße überquerte, wurde angehupt, weil die Kinder nach Ansicht der Autofahrerin wohl zu lange brauchten, um auf die andere Seite zu gelangen. Solche Vorfälle gibt es viele. Für die Großenseer Eltern und Betreuer gehören sie zum Alltag.
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Auf Nachfrage dieser Redaktion teilt Kerstin Hauschild-Wegener vom Fachdienst Straßenverkehrsangelegenheiten des Kreises Stormarn schriftlich mit: „Die Anordnung wurde am 10. August 2017 aufgrund der geänderten Rechtslage der Straßenverkehrsordnung (StVO) vom Dezember 2016 und des Schulwegerlasses vom Verkehrsministerium vom 18. Juli 2017 erlassen. Die einseitige Anordnung erfolgte, da kein relevanter Querungsverkehr im Bereich des Kindergartens festgestellt werden konnte.“ Laut Verwaltungsvorschrift der StVO müssten die beiden Fahrtrichtungen dabei nicht gleich behandelt werden.
Karsten Lindemann-Eggers sagt: „Ich würde es den Eltern gönnen, sehe aber nicht den Lösungsansatz. Wenn ich einen dementsprechenden Hinweis bekomme, sorge ich dafür, dass die gewünschte Beschilderung auch bei uns umgesetzt wird.“ Marko Bentien sagt: „Wenn vor der Kita keine durchgängige 30er-Zone eingerichtet wird, wo sonst?“