Barsbüttel. Die Grünen sind sauer, weil wieder nicht abgestimmt wurde über ihren Vorschlag. Christdemokraten sprechen sogar von einem Affront.

537 Städte, Gemeinden und Landkreise engagieren sich hierzulande in der Initiative „Lebenswerte Städte“. Diese möchte, dass Kommunen innerorts selbst bestimmen können über die Anordnung von Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit. Sie fordert den Bund auf, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Konkret geht es um den umstrittenen Paragraf 45 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Die Barsbütteler Grünen finden die Idee klasse und wollen einen Beitritt – und zwar jetzt. Das misslang jedoch. Deshalb gibt es Ärger.

„Ich bin schockiert und total wütend“, sagt die Grünen-Fraktionsvorsitzende Angela Tsagkalidis. Ihr Groll richtet sich gegen die Wählergemeinschaft Bürger für Barsbüttel (BfB) sowie die SPD, die einen entsprechenden Antrag mit ihrer Stimmenmehrheit im jüngsten Planungsausschuss von der Tagesordnung beförderten. Rückendeckung bekommt sie von dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Henri Schmidt. Auch er geht mit der Konkurrenz hart ins Gericht: „Das ist ein Affront und verstößt gegen jegliche Spielregeln. Der Fairness halber wäre mindestens eine inhaltliche Diskussion angemessen gewesen. Es sieht so aus, als gönne man den Grünen nicht den kleinsten Erfolg.“

Den Grünen geht es um den Verkehr auf der Hauptstraße

Der Christdemokrat selbst ist von Tsagkalidis’ Vorschlag nicht überzeugt. Seine Partei würde sich bei einer Abstimmung enthalten. „Denn bei uns gilt auf den meisten Straßen ohnehin schon Tempo 30“, so Schmidt. Die Grünen wiederum möchten die Option haben, auf bestimmten Abschnitten der Hauptstraße die Geschwindigkeit zu mindern. Hier dürfen die Autos maximal 50 km/h fahren. Die Partei bezeichnet zum Beispiel die Kreuzung Hauptstraße/Ecke Soltausredder als „unruhigen Verkehrsknotenpunkt“. Von dort geht es Richtung Norden zu Grund- sowie Gemeinschaftsschule und Kindertagesstätte. Auf der anderen Seite liegt das Nahversorgungszentrum an der Straße Am Akku mit dem Wochenmarkt.

„Wir sehen den Bedarf, Radfahrern und Fußgängern mehr Sicherheitsgefühl zu bieten“, sagte Tsagkalidis dieser Redaktion bereits im Januar. Ihre Partei denkt weit voraus, hat die Vision von Shared Space zwischen Soltausredder und Rathaus. Das ist eine Gemeinschaftsstraße, Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger teilen sich den Verkehrsraum gleichberechtigt. Schilder und Ampeln werden nicht mehr benötigt. In Deutschland wurde ein erstes Modellprojekt von 2004 bis 2008 in der niedersächsischen Gemeinde Bohmte durchgeführt. Mittlerweile haben zahlreiche Städte Shared-Space-Sektionen umgesetzt.

Mitglied der Initiative zu werden, ist für Tsagkalidis nur ein erster Schritt. Der ist ihr extrem wichtig. Sie sagt: „Um die Verkehrswende endlich zügig voranzubringen, brauchen wir jetzt Entscheidungen. Wir wollen über unsere Hauptstraße sprechen können.“ Initiator, den Antrag erneut in die Warteschleife zu schieben, war der BfB-Fraktionsvorsitzende Rainer Eickenrodt. Er begründet sein Verhalten so: „Hauptgrund war, dass wir im Gremium sehr viele andere Sachen auf der Tagesordnung hatten. Außerdem möchten wir das Thema aus dem Wahlkampf raushalten.“ Am 14. Mai bestimmen die Menschen in Schleswig-Holsteins Kommunen ihre Parlamente.

Streit mit BfB gab es schon beim Thema Windräder

Eickenrodt betont, sich der Initiative anzuschließen, habe für Barsbüttel nur Symbolcharakter. Er gibt zu, dass sich die BfB noch nicht näher damit befasst hat. Für die Missbilligung seiner Vorgehensweise hat der Politiker kein Verständnis: „Man muss in der Demokratie nicht immer einer Meinung sein.“

Neu ist das Ansinnen der Grünen nicht. Im Planungsausschuss am 2. Februar wurde der Antrag auf Wunsch der SPD in die Fraktionen zurückgewiesen. Man hatte Beratungsbedarf. Klaus-Jürgen Krüger, Fraktionsvize der Sozialdemokraten: „Die Mehrheit bei uns hätte nun Ja gesagt, wenn es zu einer Abstimmung gekommen wäre.“ Dass seine Partei ein Votum verhinderte, indem sie auf die BfB einging, will Krüger nicht als Schmähung der Grünen verstanden wissen. „Es ist Gepflogenheit, solchen Bitten zu entsprechen.“

Insbesondere zwischen BfB und Schwarz-Grün kracht es immer wieder in Barsbüttel. Ein Beispiel ist das Thema Windräder. Wie berichtet, wollte die Wählergemeinschaft schon im vergangenen September eine Fläche auf der gegenüberliegenden Seite von Möbel Höffner an der Autobahn 1 in östliche Richtung als Eignungsgebiet zur Prüfung beim Land anmelden. Das wurde erstmal blockiert, zudem gab es Sticheleien von allen Seiten. Später verfassten Christdemokraten und Grüne ein gemeinsames Dokument als Gegenpart zur BfB. Inhalt: Windräder sind in Ordnung. Aber bitte nur, wenn es bei der Bevölkerung Akzeptanz dafür gibt. Vor Kurzem drückten Eickenrodt und seine Mitstreiter die Sache mithilfe von SPD und FDP durch.

Zoff gab es auch um die Verabschiedung des Etats. CDU und Grüne verlangten eine Zustimmung aller Fraktionen, unter anderem mit dem Hinweis auf die Erhöhung der Hebesätze der Grundsteuer A und B von bisher 380 und der Gewerbesteuer von 390 auf jeweils 400 Prozentpunkte. Sie erwirkten eine zusätzliche Gemeindevertretersitzung, um die BfB auf Linie zu bringen. Das klappte zwar nicht, allerdings wurde der Haushalt dann doch beschlossen. Schwarz-Grün willigte ein, weil die Wählergemeinschaft zusagte, mit Steuern keinen Wahlkampf zu machen.