Barsbüttel. Bürger können erstmals beim Programm der Partei mitbestimmen. Sie hat Flyer an alle Haushalte verteilt. Aktion kostet nur 100 Euro.
100 Euro hat der Druck gekostet für 7500 Flyer, rund 6000 davon haben die zwölf Wahlkreiskandidaten der Barsbütteler CDU verteilt – an alle Haushalte im Gemeindegebiet. Die Partei sucht den Kontakt zur Bevölkerung, womit sie allerdings kein Alleinstellungsmerkmal hat. Und doch ist der jetzt gewählte Ansatz ein Novum bei den Christdemokraten. „Es ist das erste Mal, dass wir Bürger aktiv in die Gestaltung unseres Wahlprogramms einbeziehen“, sagt Fraktionschef Henri Schmidt. Man könnte das auch so bezeichnen: Sie bestimmen mit.
Den Zettel hat der 39-Jährige selbst kreiert. Zu Studienzeiten an der Bundeswehr-Universität in Hamburg war Schmidt stellvertretender Chefredakteur der Uni-Zeitung, beschäftigte sich mit Text und Layout. Die erworbenen Fähigkeiten machten es ihm nun leicht. Sein Ziel ist klar: Bei der Kommunalwahl am 14. Mai will er mit seiner Partei zurück an die Spitze und stärkste Kraft werden. Auf dem Flyer erklärt die CDU das Wirken der Gemeindevertretung. Darauf ist zudem zu lesen: „Auch in der kommenden Wahlperiode möchten wir uns für Ihre Anliegen stark machen. Lassen Sie uns deshalb wissen, was Ihre Anliegen sind.“ Auf der Rückseite sind Kontaktmöglichkeiten genannt, zum Beispiel das jüngst geschaltete Bürgerportal der Partei. Auch ist es möglich, einen QR-Code zu scannen.
Sozialdemokraten haben eine Telefon-Hotline eingerichtet
Bis 1. März können Vorschläge eingereicht werden. „Es gibt natürlich Tabuthemen, die gewiss nicht aufgenommen werden. Das sind etwa Steuersenkungen. Wegen der finanziellen Lage Barsbüttels können wir so etwas nicht verantworten“, sagt Schmidt. Impulse erhofft er sich bei anderen Dingen. „Zum Beispiel die Gestaltung des Stiefenhoferplatzes, die Ausstattung an Schulen und Kitas sowie die Parkplatzsituation am Nahversorgungszentrum.“ Das Programm, mit dem die Christdemokraten überzeugen wollen, soll vor Ostern verteilt werden.
Im größten Wahlkreis der 13.500-Einwohner-Kommune sind 1281 Menschen gemeldet, 921 im kleinsten. Schmidt hat die Flyer in seinem Bereich am vergangenen Sonnabendvormittag verteilt und dabei nach eigenen Angaben 16 Kilometer Fußweg zurückgelegt. Er ist auf Listenplatz eins geführt, hinter ihm rangieren Sabrina Meiferts (29) und Thomas Nickel (32). Schmidt hat die Partei nach der Kommunalwahl vor fünf Jahren extrem verjüngt. Da wurde er Fraktionschef.
Bürgernah präsentiert sich auch die SPD. Sie hat zur Wahl eine Hotline eingerichtet, spricht von „einem heißen Draht direkt in die Fraktion und in den Ortsverein“. Ist das Telefon nicht besetzt, gibt es auch die Möglichkeit, per WhatsApp Nachrichten zu übermitteln. Sowohl Christ- als auch Sozialdemokraten hatten bei der Kommunalwahl 2018 Verluste erlitten. Die SPD rutschte von 32,1 auf 26,4 Prozent ab, behauptete sich aber als Nummer zwei. Richtig schmerzhaft war das Bürgervotum für die CDU. Für sie ging es von 36,8 Prozent in 2013 auf 24,1. Die Wählergemeinschaft Bürger für Barsbüttel (BfB) verdoppelte ihr Ergebnis nahezu auf 33,4 Prozent. Auffällig: In dieser Legislaturperiode versteht sich die CDU vor allem mit den Grünen ziemlich gut.
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Die Fraktionen haben schon seit längerer Zeit auf Wahlkampfmodus umgeschaltet, das ist zumindest der Eindruck von Beobachtern der politischen Diskussionen. Erst zankte sich Schwarz-Grün insbesondere mit der BfB beim Thema Windpark. Die Wählergemeinschaft wollte eine Fläche an der Autobahn 1 zur Prüfung beim Land Schleswig-Holstein als Eignungsgebiet anmelden. Es folgten endlose Debatten in Ausschusssitzungen, der Antrag wurde blockiert. CDU und Grüne verfassten wiederum ein gemeinsames Dokument mit geringen Unterschieden. Schließlich bekam die BfB ihren Willen, weil sich SPD und FDP auf ihre Seite schlugen.
Krisentreff wegen Etat ist am kommenden Montag
Das war aber noch nicht die Spitze des Eisbergs. So richtig schepperte es im jüngsten Finanzausschuss bei Beratungen zum Haushaltsentwurf. Für den Etat gab es keine Mehrheit. Die Wählergemeinschaft lehnte ihn ab und führt als Grund ein strukturelles Defizit im Verwaltungshaushalt bis 2026 von mehr als fünf Millionen Euro an. CDU und Grüne enthielten sich daraufhin, verkauften das als taktisches Manöver. Im Entwurf sind Hebesätze der Grundsteuer A und B sowie der Gewerbesteuer angehoben. Solche unpopulären Aktionen will Schwarz-Grün nur mit Zustimmung aller Fraktionen durchsetzen. Deshalb ließen die beiden Parteien über Bürgervorsteher Peter Eckwerth für kommenden Montag eine Sondersitzung der Gemeindevertretung einberufen. Schmidt möchte dann Vorschläge von der BfB hören, wie man doch noch auf eine Linie kommen kann.
Die Gruppe will öffentlich keine Empfehlungen vor dem Krisentreff aussprechen. Stattdessen teilt der Fraktionsvorsitzende Rainer Eickenrodt aus, bezeichnet das Zusammenkommen als „getarnte Wahlkampfveranstaltung auf Steuerkosten“. Er bezichtigt das Parteienduo, vom eigenen Fehlverhalten abzulenken. Eickenrodt sagt: „Unsere Einsparvorschläge wurden stets abgelehnt. Wir wurden fortdauernd von CDU und Grünen überstimmt.“ Die Gräben in Barsbüttels Politik sind tief.