Oststeinbek. Ex-Archivar schlägt als Namensgeber für Neubau Heinrich Kröger vor. Der unterrichtete von 1900 bis 1946. Parteien sind dagegen.
Karlheinz Schmidt ist enttäuscht, in seinen Worten klingt Verbitterung. Der 84-Jährige, von 2000 bis 2006 ehrenamtlicher Gemeindearchivar in Oststeinbek, hat mal wieder einen Vorschlag gemacht, vor Kurzem einen Brief an die Fraktionen und Bürgermeister Jürgen Hettwer verschickt. Inhalt: ein Name für die neue Grundschule, die gerade gebaut wird. Der Hobby-Historiker hat eine spezielle Person ausgesucht und begründet seine Nominierung in epischer Breite. Die Ausführungen sind nachvollziehbar. Mehrheitsfähig ist die Empfehlung allerdings nicht. Das sorgt bei Schmidt für Unverständnis. Er rüffelt die Entscheidungsträger: „Die Politik geht gar nicht auf die Geschichte ein, die Identität von Oststeinbek geht völlig verloren.“
Die jetzige Grundschule an der Gerberstraße ist nach dem ehemaligen Bürgervorsteher Helmut Landt benannt, der am 24. Dezember 1996 im Alter von 74 Jahren starb. Ein Mann mit vielfältigen Tätigkeiten. 1959 wurde er Schulleiter im Ort. Als Schulrat war der Pädagoge ab 1980 erst für den Kreis Segeberg, ab 1984 für Stormarn zuständig. Landt legte einen Schulwald mit 10.000 Bäumen an, wurde von der Stormarner Schutzgemeinschaft Deutscher Wald mit der goldenen Ehrennadel ausgezeichnet. Der CDU-Politiker gründete die Laienspielgruppe Oststeinbek, die Volkshochschule, den Kulturring und initiierte den Seniorenbeirat. 1994 wurde er zum Ehrenbürger der Gemeinde ernannt. Trotzdem soll die neue Bildungseinrichtung nicht mehr seinen Namen tragen.
Geringe Beteiligung an einer Bürgerumfrage
Der Kultur-, Sozial- und Jugendausschuss legte sich jüngst mit Stimmenmehrheit von SPD und Wählergemeinschaft OWG auf die Bezeichnung Grundschule Oststeinbek fest. Letztendlich entscheidet die Gemeindevertretung. Es ist nicht davon auszugehen, dass es in den Fraktionen ein Umdenken gibt mit Blick auf Schmidts Ansinnen. Wobei die CDU bei der Namensgebung ohnehin andere Vorstellungen hat als die Konkurrenz. Sie will an Helmut Landt festhalten und führt unter anderem eine Umfrage an. Im vergangenen Jahr wurde die Bevölkerung aufgerufen, Vorschläge zu machen bis zum 31. Dezember. Auf Platz eins der Nennungen mit großem Abstand: Helmut-Landt-Grundschule. Allerdings machten auch nur etwas mehr als drei Dutzend Bürger mit. Oststeinbek hat rund 8900 Einwohner.
„Ich bin sehr enttäuscht. Wenn man eine Umfrage macht, sollte das Ergebnis berücksichtigt werden. Auch wenn die Sache nicht repräsentativ ist und nur wenige Personen teilgenommen haben“, sagt Christdemokrat Hans-Joachim Vorbeck, der zudem Bürgervorsteher ist. Der Vorschlag von Schmidt sei mit der CDU nicht machbar. Dessen Schriftstück war im Rathaus erst einen Tag nach der Sitzung des Kultur-, Sozial- und Jugendausschusses eingegangen. Der Bürgermeister hat das Dokument an die Fraktionen weitergeleitet. Schmidt möchte die Schule nach Heinrich Kröger benennen, der von 1900 bis 1946 Kinder in Oststeinbek unterrichtet hat. Er stützt sich unter anderem auf Unterredungen zu Zeiten als Gemeindearchivar mit älteren Bürgern über deren Schulzeit. „Die Gesprächsteilnehmer lobten Kröger in höchsten Tönen. Es war manches Mal fast Liebe. Nach meinen Erkenntnissen ist er der weitaus beliebteste Lehrer gewesen.“
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Schmidt ist der Auffassung, dass allein eine Schule mit dem Namen Helmut Landt dessen Verdienste nicht ausreichend würdige. Der Rentner sagt, es wäre passender, den Marktplatz künftig als Helmut-Landt-Forum zu bezeichnen. „Der Begriff würde all seine Aktivitäten und Eigenschaften bündeln. Und er würde eines seiner Hauptanliegen signalisieren, nämlich, dass alle Menschen zueinander kommen, um miteinander zu reden.“ Schmidts Ausarbeitung sei handwerklich sehr gut, lobt CDU-Fraktionschef Patrick Klose. Soll heißen: Der Vorschlag ist fundiert. Die Überzeugungskraft? gleich Null. Die SPD ist auch nicht bereit, ihre Meinung zu ändern. „Wir wollen die Schule nicht mehr nach einer Person benennen“, sagt der Fraktionsvorsitzende Thomas Mielcarek. Rudi Hametner von der Wählergemeinschaft: „Ein Heinrich Kröger ist mir völlig unbekannt.“
Das Schulgelände ist an Wochenenden Freizeitplatz
Schmidt kannte Landt persönlich und hatte der Politik vor vielen Jahren geraten, dass Gehölz beiderseits der Möllner Landstraße am Ortseingang nach dem früheren Schulleiter zu benennen – unter anderem mit der Begründung, dieser habe es pflanzen lassen. Der Vorschlag wurde nicht aufgegriffen. Darüber war er natürlich enttäuscht. Die Vergangenheit der Gemeinde arbeitet der Senior auch noch im hohen Alter auf. Schmidt hat zum Beispiel eine Zeittafel novelliert, ein chronologisch geordnetes Gerüst von historischen Daten und Geschehnissen, die ortprägend waren. Nicht zu vergessen das Forschen über die Familie Kratzmann. Er fand heraus, wie der Clan zu Reichtum kam. Mit einem Bekannten löste Schmidt zudem das Rätsel um den Absturz eines US-Bombers 1944 in der Feldmark. Die beiden Männer konnten die Umstände des Unglücks klären.
Auf der Sitzung, wo über den Schulnamen abgestimmt wurde, war Schmidt übrigens nicht zugegen. Dort setzte die SPD ihren Antrag mit Unterstützung der OWG durch, dass Gelände auch außerhalb der Betriebszeiten offen zu lassen. Das Areal wird Kindern und Jugendlichen als Freizeitfläche dienen. Die CDU stimmte dagegen, fürchtet Vandalismus und Verschmutzung.
Die neue Grundschule zwischen Walter-Ruckert-Sporthalle, Kunstrasenplatz und Tennisclub kostet mindestens 25 Millionen Euro. Sie ist das bislang teuerste Bauprojekt der Gemeinde. Bis zu 450 Jungen und Mädchen sollen in der auf Vierzügigkeit ausgerichteten Lehranstalt Platz haben. Im besten Fall werden die Schüler nach den Sommerferien 2024 in dem Gebäude unterrichtet.