Barsbüttel. Nach Kommunalwahl sinkt Altersdurchschnitt der Fraktion von 67,5 auf 46,9 Jahre. Deren Chef Henri Schmidt will Frauenanteil erhöhen.
Mit seinen zu einem kleinen Pferdeschwanz zusammengebundenen Haaren und dem Pullover des Football-Teams Dallas Cowboys entspricht Philip Pudlich so gar nicht dem Klischee eines CDU-Politikers. Und doch steht er sinnbildlich für die Partei in Barsbüttel. Denn die ist so vielfältig wie noch nie aufgestellt, hat sich extrem verjüngt und ist gewachsen. Lag das Durchschnittsalter der Fraktion vor der vergangenen Kommunalwahl bei 67,5 Jahren, ist man inzwischen bei 46,9 angelangt. Und sie hat jetzt 17 statt 15 Mitglieder. Auch dank des Schülers mit seinen 19 Lenzen.
Neue Harmonie zwischen CDU und Grünen
Maßgeblich für diese Entwicklung verantwortlich ist Henri Schmidt (38), der im Mai 2018 das Amt des Fraktionsvorsitzenden übernahm uns selbst eine Person des Verjüngungsprozesses ist. Bei der Kommunalwahl waren die Christdemokraten abgeschmiert, landeten hinter der Wählergemeinschaft BfB und der SPD nur auf Platz drei. Ein schwerer Schock für die einstmals stärkste Kraft. Daraufhin gab es personelle Umstrukturierungen.
Schmidt veränderte das Profil des CDU-Ortsverbands. Mit der großen Nähe zur SPD war es vorbei. Zuvor regelten die beiden Parteien viele Dinge hinter verschlossenen Türen, drückten Projekte dann im Gemeindeparlament ob der Stimmenmehrheit durch. Auffällig: die neue Harmonie zwischen CDU und Grünen, was sich in gemeinsamen Anträgen widerspiegelt. Deren Fraktionschefin Angela Tsagkalidis und Schmidt verstehen sich gut. Man trifft sich zum Beispiel zu Grillabenden.
Beim Badminton ins Gespräch gekommen
„Wir verschließen uns auch der BfB und den anderen Parteien nicht, aber es menschelt halt nicht so gut“, sagt der Fraktionsvorsitzende. Pudlich, der in diesem Jahr sein Abitur an der in der Kommune beheimateten Erich-Kästner-Gemeinschaftsschule macht, kennt er durch den Sport. Beide spielen Badminton beim Barsbütteler SV. So kamen sie ins Gespräch über Politik.
Im April 2021 trat der junge Mann der CDU bei. Er habe sich zwar auch mit anderen Parteien beschäftigt, sei aber ein großer Fan von Angela Merkel. „Und die Vorstellung beim Ortsvorstand war sehr angenehm. Ich hätte nie gedacht, was für ein komplexes Feld Kommunalpolitik ist“, so Pudlich, der nebenbei Mini-Jobber bei einer Fast-Food-Kette ist und im Herbst mit einem Politik- oder Jurastudium liebäugelt.
Zu viel Kritik ohne konstruktive Vorschläge
Ihn störe, dass in der Gesellschaft Dinge vielfach kritisiert und keine konstruktiven Verbesserungsvorschläge gemacht würden. „Man darf nicht nur klagen und muss anpacken, um zu verändern“, beschreibt der Schüler seine Motivation. In der Fraktion fühlt er sich wohl und vor allem auch von den Älteren ernstgenommen. Gerade seine Meinung ist gefragt, wenn es zum Beispiel um Sicherheit an Schulen geht. Pudlich ist stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Schule, Kultur und Soziales (SKS).
Über den Sport gewann Schmidt auch Lara Dubbe (21), die seit dem vergangenen Jahr in der CDU mitmischt und eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten macht. Die junge Frau engagiert sich zudem ehrenamtlich als Grünpatin in der Gemeinde.
Kommunalpolitik soll nahbarer werden
Was sie sich wünscht und weshalb sie Mitglied der Partei geworden ist? „Politik sollte nahbarer werden, zum Beispiel auf Social Media, sodass alle Menschen das Gefühl bekommen, ein Stück Verantwortung für die Gesellschaft zu tragen und sich jederzeit einbringen zu können. An den meisten Barsbüttelern, gerade den jüngeren, geht das Thema Kommunalpolitik vorbei.“
Dubbe will mitgestalten. Sie hat die Christdemokraten ausgewählt, weil „hier meiner Meinung nach mit das breiteste Meinungsspektrum zu allen möglichen Themen mit einem grundsätzlichen Konsens an gemeinsamen Werten vertreten ist“. Laut Schmidt sind durch die Zusammenarbeit Freundschaften entstanden. „Wir sind ein cooler gemischter Haufen“, sagt er. „Aber wir hauen uns intern auch mal die Köpfe ein, leben eine gute Streitkultur.“ Am Ende habe die Fraktion immer eine Meinung.
Ortsverband ist um zehn Prozent gewachsen
Er ist stolz, dass der Ortsverband in seiner Zeit um zehn Prozent gewachsen ist, zumal einige ältere Mitglieder inzwischen gestorben sind. Schmidt lobt aber auch Politveteranen wie den früheren Bürgervorsteher Friedrich-Wilhelm Tehge und den Ortsvorsitzenden Volkmar Dietel, die am Generationswechsel mitarbeiten. „Herr Tehge hat viele junge Leute angesprochen.“
Bei Sabrina Borchers hatte Schmidt den Kontakt gesucht – per Whatsapp. Nach einem Kaffeeplausch war die Sache eingetütet. Die 28-Jährige war schon vor zehn Jahren in die Partei eingetreten, wurde 2013 Gemeindevertreterin in Barsbüttel. Drei Jahre später zog sie nach Oststeinbek und musste ihr Mandat abgeben, war allerdings weiterhin im Kreisvorstand der Jungen Union aktiv. Im Sommer 2020 kam die Controllerin zurück in die Heimat, sagt bezüglich des Gesprächs mit Schmidt: „Da war nicht viel Überzeugungsarbeit nötig.“
Vor Corona gab es 50 Fraktionstreffen im Jahr
Inzwischen vertritt Borchers die CDU im SKS-Ausschuss und ist Mitgliederbeauftragte. Sie sagt über den Reiz des Mitwirkens: „Man beschäftigt sich mit allen Themen und entscheidet heute etwas, das Auswirkungen für Jahre hat.“ Mit den älteren Kollegen in der Fraktion komme sie hervorragend klar. Man duze und begegne sich auf Augenhöhe. „Wir haben Spaß und kämpfen alle für eine gemeinsame Sache.“
Schmidt sieht die Rekrutierung von Mitstreitern nicht als seine vordringlichste Aufgabe an. „Jeder ist aufgefordert, sich um neue Leute zu kümmern, in Sportvereinen oder bei den Feuerwehren zu werben.“ Der Erneuerungsprozess ist für den Fraktionsvorsitzenden noch lange nicht abgeschlossen. Er wünscht sich vor allem mehr Frauen, die Verantwortung übernehmen. Allerdings ist ihm auch bewusst, dass nicht jeder die Zeit aufbringen kann. Vor Corona gab es rund 50 Fraktionstreffen im Jahr. So soll es auch wieder sein, wenn man die Pandemie im Griff hat. Hinzu kommen die Ausschusssitzungen.
Christdemokraten wollen wieder Nummer eins werden
Schmidt ist seit 2004 CDU-Mitglied, leitete unter anderem sechs Jahre das Büro des früheren Wandsbeker Bundestagsabgeordneten Jürgen Klimke und gehörte der dortigen Bezirksversammlung an. Er ist Prokurist bei einem US-amerikanischen Unternehmen im Softwarebereich. Mehrmals im Jahr verteilt die CDU Blättchen an die Haushalte mit der Kennung 22885 – die Postleitzahl von Barsbüttel. „Das symbolisiert, dass wir für alle Ortsteile da sind“, sagt der Fraktionschef. Davon gibt es vier, neben dem Hauptort Barsbüttel sind das Willinghusen, Stellau und Stemwarde.
Schmidts Ziel ist klar: Nach der Kommunalwahl 2023 wollen die Christdemokraten wieder die Nummer eins in Barsbüttel sein mit möglichst vielen Sitzen in der Gemeindevertretung. Sabrina Borchers hat auf jeden Fall Lust, in dieses Gremium zurückzukehren.