Barsbüttel. Grüne schlagen vor, einer bundesweiten Initiative beizutreten. Diese fordert eine Änderung des Straßenverkehrsrechts.

Ahrensburg, Siek und zuletzt Stapelfeld haben es bereits getan. Sie sind der Initiative„Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ beigetreten. Diese fordert, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit Kommunen Tempo 30 innerorts anordnen können, wo sie es für notwendig halten. Jetzt soll auch Barsbüttel mitmachen. Das schlagen die Grünen vor und haben einen entsprechenden Antrag für den Planungsausschuss am 2. Februar gestellt.

Fraktionschefin Angela Tsagkalidis und ihr Mitstreiter Michael Schmidt sind an diesem Morgen mit dem Fahrrad zur Kreuzung Hauptstraße/Ecke Soltausredder gekommen. Sie haben diese Stelle für das Treffen bewusst gewählt. Von dort geht es Richtung Norden zu Grund- sowie Gemeinschaftsschule und Kindertagesstätte. Auf der anderen Seite liegt das Nahversorgungszentrum an der Straße Am Akku mit dem Wochenmarkt. „Hier ist ein sehr unruhiger Verkehrsknotenpunkt entstanden. Wir sehen den Bedarf, Radfahrern und Fußgängern mehr Sicherheitsgefühl zu bieten“, sagt Tsagkalidis. Sie möchte zumindest die Option haben, auf bestimmten Abschnitten der Hauptstraße die Geschwindigkeit auf 30 km/h zu mindern.

Grüne haben Vision von einer Gemeinschaftsstraße

Schmidt fügt an, man müsse zugleich die Aufenthaltsqualität an der Hauptstraße zwischen Rathaus und Soltausredder verbessern. Seine Vision ist Shared Space, also eine Gemeinschaftsstraße. Dabei teilen sich Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger gleichberechtigt den Verkehrsraum. Das entscheidende Merkmal: Verkehrsschilder, Fußgängerinseln, Ampeln und andere Barrieren werden nicht mehr benötigt. In Gemeinschaftsstraßen sollen sich Autofahrer rücksichtsvoll ins menschliche Miteinander einfügen. Das Konzept wurde von dem niederländischen Verkehrsplaner Hans Mondermann entwickelt. In Deutschland wurde ein erstes Modellprojekt von 2004 bis 2008 in der niedersächsischen Gemeinde Bohmte durchgeführt. Mittlerweile haben zahlreiche deutsche Städte Shared-Space-Sektionen umgesetzt.

Für Barsbüttel ist das noch Zukunftsmusik. Aber die Grünen sind der Auffassung, dass die Selbstbestimmung über Tempo 30 nur ein erster Schritt ist in Richtung mehr Verkehrsberuhigung. Bundesgesetzliche Regelungen verhindern es derzeit, dass Kommunen in ihrem Gebiet in Eigenregie über solche Zonen entscheiden dürfen. Konkret geht es um den umstrittenen Paragraf 45 der Straßenverkehrsordnung (StVO). „Wir wollen die Mobilitätswende, kriegen das aber nur hin, wenn sich die Leute auch trauen, Rad zu fahren. Dazu gehört eine angemessene Geschwindigkeit des Kraftverkehrs“, so Tsagkalidis. Zugleich kritisiert sie die Bundesregierung. Diese habe sich zwar viel vorgenommen, um Radfahrer und schwächere Verkehrsteilnehmer zu schützen, umgesetzt sei davon aber noch nichts.

Die Initiative wurde im Juli 2021 von den Städten Freiburg im Breisgau, Leipzig, Aachen, Augsburg, Hannover, Münster und Ulm gegründet. Ihr sind inzwischen 381 Städte, Gemeinden und Landkreise beigetreten. Im Dezember verzeichnete sie binnen zwei Wochen 16 Neuzugänge. In einem Positionspapier ist formuliert, warum sie eine großflächigere Genehmigung von Tempo-30-Zonen für unerlässlich hält. Unter anderem heißt es, Straßen würden sicherer, leiser und die Luft sauberer werden. Die Initiative prangert auf ihrer Internetseite das Bundesministerium für Digitales und Verkehr an: „Es ist bislang kaum Bereitschaft erkennbar, sich ernsthaft mit unserem Anliegen auseinanderzusetzen.“ Deshalb will man 2023 verstärkt in der Öffentlichkeit präsent sein.

SPD-Fraktionsvize sieht Verlagerung von Streitpotenzial in den Ort

Wie stehen die Chancen, dass Barsbüttel dem Bündnis demnächst angehört? Die Grünen haben den Antrag erst vor wenigen Tagen an die anderen Fraktion geschickt. Rainer Eickenrodt von der Wählergemeinschaft Bürger für Barsbüttel (BfB) hat sich noch nicht intensiv damit beschäftigt. Er sagt: „Ich kann mir das vorstellen. Man müsste für den Fall von Änderungen aber unbedingt den ÖPNV einbeziehen. Es gibt sicherlich Bereiche im Ort, wo man Tempo 30 erweitern könnte.“ Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus-Jürgen Krüger: „Ich würde auf jeden Fall Ja sagen. Wir machen uns dadurch unabhängiger von Personen, die entscheiden und nicht vor Ort sind.“ Andererseits verlagere man Streitpotenzial nach Barsbüttel in die politischen Ausschüsse. Krüger erwähnt in diesem Zusammenhang auch Anlieger. Er sagt: „Bei der Anwendung von Tempo 30 wäre Fingerspitzengefühl gefragt.“ Die Christdemokraten haben sich über den Grünen-Vorschlag schon unterhalten. Fraktionschef Henri Schmidt: „Überregional ist es gut, Kommunen mehr Rechte zu geben. Allerdings haben wir in Barsbüttel fast überall eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h mit Ausnahme der Hauptstraße.“

Beim Nachbarn in Glinde ist der Frust groß, dass man nicht im Alleingang eine Verkehrsberuhigung herbeiführen kann. Wie berichtet, ist zwischen Stadt und dem Kreis ein Streit entbrannt. Kommunalpolitiker möchten Tempo 30 auf einem Ein-Kilometer-Abschnitt des Papendieker Redders, der zugleich Kreisstraße ist, von der Ecke Möllner Landstraße an – spätestens nach der Sanierung, die nicht vor 2024 ist. Die Behörde in Bad Oldesloe lehnt das ab. Der Papendieker Redder ist nicht als Unfallschwerpunkt klassifiziert. Anlieger haben sich in einer Bürgerinitiative formiert. Mehr als 100 Personen signierten eine Petition, die an den Kreis weitergereicht wurde.

Inzwischen ist Bewegung in die Sache gekommen. Es gibt Möglichkeiten, eine Lösung zu finden, um die Sicherheit von Radfahrern zu erhöhen. Das könnte eine Geschwindigkeitsbegrenzung in kleineren Bereichen sein. Etwa dort, wo es Querungsverkehr durch Schüler gibt. Glinde muss nachweisen, dass an diesen Stellen ein erhöhtes Gefahrenpotenzial besteht.