Bargteheide. CDU geißelt den Vorstoß als „puren Aktionismus“. WfB und SPD halten das Limit nur im Innenstadtbereich für sinnvoll und zielführend.
Geht es nach den Grünen, sollte sich die Stadt Bargteheide schon bald der Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ anschließen. „Auch in unserer Stadt sollte neben baulichen Maßnahmen das Instrument der Geschwindigkeitsreduzierung zur Verfügung stehen, um Bargteheide lebenswerter zu machen“, sagt Michael Niebuhr, bürgerliches Mitglied der Grünen-Fraktion. Die Ziele der Initiative stünden im Einklang mit dem Nationalen Radverkehrsplan, der Landesstrategie zur Radverkehrsentwicklung und Senkung der Unfallzahlen sowie dem Klimaaktionsplan Bargteheides.
Eingebracht hatten die Grünen den Antrag bereits Ende März dieses Jahres. Doch erst wurde eine Entscheidung laut Beschluss der Stadtvertretung zurückgestellt, um den Ausgang des Bürgerbegehrens der Initiative Bargteheide Zero abzuwarten. Und jüngst scheiterte die Beratung, weil im zuständigen Ausschuss für Planung und Verkehr die vorangegangenen Tagesordnungspunkte zu viel Zeit beanspruchten.
Sieben Städte haben Initiative ins Leben gerufen
Allerdings zeichnet sich bereits jetzt ab, dass den Grünen tatsächlich eine kontroverse Debatte um den praktischen Wert eines Beitritts zur Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ bevorsteht. Deren Ausgang zudem alles andere als gewiss ist.
Doch worum geht es der Initiative, die am 6. Juli vergangenen Jahres von den sieben Städten Freiburg im Breisgau, Leipzig, Aachen, Augsburg, Hannover, Münster und Ulm ins Leben gerufen worden ist. Prinzipiell darum, dass Kommunen ein neuer Handlungsspielraum eröffnet wird, um Tempolimits leichter durchsetzen können. „Eine stadt- und umweltverträgliche Gestaltung der Mobilität ist Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit der Städte. Lebendige, attraktive Städte brauchen lebenswerte öffentliche Räume“, heißt es in dem Positionspapier der Initiative.
Zu viel Schadstoffbelastung, Unfallgefahr und Flächenfraß
Gerade Straßen und Plätze mit ihren vielfältigen Funktionen seien das Aushängeschild und das Gesicht der Städte. Vor allem sie würden die Lebensqualität und Urbanität prägen. Diesen Anspruch mit den Mobilitäts-, Erreichbarkeits- und Teilhabeerfordernissen von Menschen und Wirtschaft zu vereinbaren, sei eine zentrale Aufgabe.
Ein wesentliches Instrument zum Erreichen dieses Ziels ist aus Sicht der Initiatoren ein „stadtverträgliches Geschwindigkeitsniveau im Kfz-Verkehr“. Das schließe die Hauptverkehrsstraßen ausdrücklich ein. Weil gerade dort die meisten negativen Auswirkungen produziert würden, von der Lärm- und Schadstoffbelastung über die Unfallgefahren bis zum Flächenverbrauch.
Miteinander wird gestärkt und der Schilderwald gelichtet
Kernforderung ist die Einführung eines weitreichenden Tempolimits von 30 km/h innerorts. Die Vorteile lägen auf der Hand: Die Straßen würden sicherer, vor allem für Radfahrer und Fußgänger, leiser, sauberer, aber auch „lesbarer“, weil Regeln einfacher und nachvollziehbarer seien. Womit das Miteinander gestärkt und der Schilderwald gelichtet werde.
Dafür sei es aber notwendig, dass Kommunen flexibel und ortsbezogen entscheiden dürfen, wann und wo Geschwindigkeiten neu geregelt werden. Etwa Tempo 30 für ganze Straßenzüge im Hauptverkehrsstraßennetz und gegebenenfalls sogar stadtweit als Regelhöchstgeschwindigkeit.
Verkehrsaufsicht soll zurück ins Rathaus geholt werden
In Bargteheide wird das von der CDU-Fraktion generell kritisch gesehen. „Wir halten den Vorstoß der Grünen für nicht zielführend, das ist purer Aktionismus, der nichts bringt“, sagt Torsten Frehe, der auch Vorsitzender des Ausschusses für Planung und Verkehr ist. Zum einen habe man als Kommune auf Landes- und Kreisstraßen eh keinen Einfluss, zum anderen erschließe sich der Mehrwert einer Temporeduzierung auf Hauptverkehrsstraßen nicht. „Zumal die letzte Entscheidung hinsichtlich verkehrsberuhigender Maßnahmen ohnehin beim Kreis liegt“, so Frehe.
Hier sieht die Wählergemeinschaft WfB aber durchaus größere Einflussmöglichkeiten. „Bargteheide sollte dem Beispiel Glindes folgen und die Verkehrsaufsicht zurück ins Rathaus holen“, sagt Fraktionschef Norbert Muras. Seit 20 Jahren sei etwa Tempo 30 auf der Rathausstraße beharrlich abgeschmettert worden. „Aus unserer Sicht wäre es nicht verkehrt, wenn der gesamte Innenstadtbereich zur Tempo-30-Zone würde“, so Muras. Nicht aber Haupt- und Durchgangsstraßen wie etwa die Hamburger Straße oder die Alte Landstraße.
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Das sieht die SPD ebenso. „Die Initiative ist vom Grundsatz her nicht verkehrt. Aber Tempo 30 für das gesamte Stadtgebiet dürfte kaum der Weisheit letzter Schluss sein“, erklärt Peter Beckendorf. Für Wohngebiete und sicher auch für das unmittelbare Zentrum mit der Rathausstraße wäre es eine gute und sinnvolle Lösung. „Doch Südring und Westring sollten als Umfahrungsalternative mit einem höheren Tempo attraktiv gehalten werden, um die Innenstadt von unnötigem Verkehr zu entlasten“, sagt der Sozialdemokrat.
Unterdessen sind die Forderungen der Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ keineswegs radikal. In Europa gibt es bereits mehrere Städte, in denen generelle Tempolimits längst umgesetzt sind. Und selbst in Deutschland wächst der Druck auf den Bund, entsprechende Anpassungen des Rechtsrahmens vorzunehmen und zentral evaluierte Modellvorhaben auf den Weg zu bringen. Inzwischen haben sich bereits 352 Kommunen der Initiative angeschlossen, darunter auch Ahrensburg und Siek, sowie Aumühle und Wohltorf im benachbarten Herzogtum Lauenburg.