Barsbüttel. Wählergemeinschaft BfB will dem Land Eignungsfläche vorschlagen. Anderen Parteien ist das zu früh. Was CDU und die Grünen planen.
Bürgermeister Thomas Schreitmüller schlug die Hände vor seine Augen und verharrte eine halbe Ewigkeit in diesem Zustand – gewiss nicht aus Müdigkeit. Er war der Diskussionen überdrüssig. Rund 80 Minuten redeten sich die Barsbütteler Kommunalpolitiker im jüngsten Planungsausschuss beim Thema Windkraft die Köpfe heiß. Das Gremium scheint darin geübt zu sein, die Sitzung im September verlief genauso. Auch diesmal kam man in der Sache nicht weiter. Die Streitereien lassen einen Schluss zu: Parteien befinden sich bereits im Wahlkampf-Modus. Am 14. Mai kommenden Jahres bestimmen Schleswig-Holsteins Kommunen ihre Parlamente.
Um was geht es genau? Die Wählergemeinschaft Bürger für Barsbüttel (BfB) spricht sich für einen Energiepark mit vier bis fünf Windrädern auf der gegenüberliegenden Seite von Möbel Höffner an der Autobahn 1 in östliche Richtung aus. Das ist derzeit nicht möglich. In Schleswig-Holstein sind 344 Vorranggebiete ausgewiesen. Die Gruppe will den besagten Abschnitt beim Land als Eignungsfläche anmelden, die Dokumente erstmal einreichen, um vorgemerkt zu sein. Konkret würde es erst bei einer Novellierung des Regionalplans für Windenergie. Dennoch möchte die BfB schon jetzt ein Signal setzen. Bevor das Land vom Interesse informiert wird, soll zudem die Bereitschaft des E-Werks Sachsenwald zur Unterstützung sowie der Eigner, ihren Grund zur Verfügung zu stellen, eingeholt werden.
Christdemokraten machen nur mit, wenn es die Bevölkerung will
Das alles ist in einem Antrag verfasst, den andere Parteien nicht absegnen wollten. Die Auffassungen, wie mit Windrädern umzugehen ist, sind unterschiedlich. Offiziell werden diese zwar von keiner Seite abgelehnt, der BfB-Fraktionsvorsitzende Rainer Eickenrodt sagt allerdings: „Ich bin der festen Überzeugung, dass CDU und Grüne Windkraft in Barsbüttel nicht wollen.“ Die beiden Parteien hatten als Gegenentwurf einen gemeinsamen Antrag gestellt, und zwar kurzfristig. Inhalt: eine frühzeitige Beteiligung der Bürger, um später die Akzeptanz zu sichern. Außerdem fordern sie eine Veranstaltung im Ort mit Experten des Landes. Im letzten Absatz heißt es zudem: „Im Norden würde durch das Eignungsgebiet eine Erweiterung der Wohngebiete verhindert werden, Stellau kann sich nur noch in diese Richtung ausweiten.“ Die vorgeschlagene Fläche müsse demnach kritisch diskutiert werden.
Die SPD schlug vor, beide Anträge zurückzustellen, um in den Fraktionen darüber zu beraten. Dem stimmten alle außer der BfB zu. Die ist sauer, spricht von Verzögerungstaktik. Die Christdemokraten halten natürlich dagegen. Fraktionschef Henri Schmidt betont die Notwendigkeit von erneuerbaren Energien und sagt: „Wir setzen vorerst auf Fotovoltaikanlagen, haben genug Möglichkeiten, hier etwas zu tun. Windkraft ist sehr emotional behaftet.“ Seine Partei würde nur mitmachen, wenn es auch die Bevölkerung will.
- Bad Oldesloe stellt 180 Meter hohe Windräder auf
- Wind- und Solarpark: Barsbütteler machen Druck bei Energiewende
- „Windkraft? Ja, aber bitte nicht direkt vor der Tür“
Diesbezüglich hat die CDU offenbar bedenken. Im Planungsausschuss vor zwei Monaten wurde festgelegt, dass sich die Ortsbeiräte in Stellau und Stemwarde mir dem Ansinnen der BfB beschäftigen. In beiden gab es keine Mehrheit für einen Energiepark mit hohen Anlagen an der A 1. In seinem Garten fand ein Stellauer Christdemokrat vor Kurzem einen Stein mit der Aufschrift „Keine Windräder in Stellau“. Schmidt kritisiert die Wählergemeinschaft für ihre Strategie: „Sie hat sich immer nur für den Hauptort interessiert, holt dort ihre Stimmen.“
BfB kann noch auf Unterstützung der Sozialdemokraten hoffen
Er und seine Mitstreiter müssen Akzente setzen, damit die Partei bei der Kommunalwahl 2023 ein besseres Ergebnis einfährt als vor viereinhalb Jahren. Sich deutlich von der BfB abzugrenzen, erscheint sinnvoll, um dieses Ziel zu erreichen. Die CDU ist nur noch drittstärkste Kraft in der Gemeinde. An der Spitze thront die Wählergemeinschaft. Sie kam auf 33,4 Prozent und verdoppelte ihren Stimmenanteil nahezu.
Auf die Unterstützung der SPD zu einem späteren Zeitpunkt kann Eickenrodt womöglich zählen. Deren Fraktionsvorsitzender Hermann Hanser sagt: „Wir sind für Windkraft in Barsbüttel, wenn die Voraussetzungen gegeben sind. Die Notwendigkeit ist vorhanden.“ Die BfB weist darauf hin, dass ein Windpark wesentlich effizienter sei als Solaranlagen, die sie ebenfalls befürwortet. „Mit unserem Vorschlag, der ja nicht viele Windräder beinhaltet, können wir den Strombedarf der kompletten Gemeinde decken“, sagt Eickenrodt.
623 Potenzialflächen schafften es nicht zum Vorranggebiet
Die Verwaltung hat bereits Vorarbeit geleistet, sich mit dem E-Werk Sachsenwald in Verbindung gesetzt. Das kommunale Unternehmen mit Sitz in Reinbek, zu dessen Gesellschaftern Barsbüttel zählt, würde der Gemeinde behilflich sein. Und Bürgermeister Schreitmüller versicherte nach ersten Gesprächen, dass es Grundeigner gebe, die mitmachen würden. „Da alle Fachleute bestätigen, dass aktuell keine Dringlichkeit für Anträge an das Ministerium besteht, möchten wir verschiedene Punkte für Barsbüttel geklärt wissen. Es geht um Sicherung von Natur- und Landschaftsschutz, einer angemessenen Bürgerbeteiligung und die Frage, wie die Gemeinde bestmöglich von der Windkraft profitieren kann“, sagt Grünen-Faktionschefin Angela Tsagkalidis.
Der aktuelle Regionalplan für Windkraft gilt seit Dezember 2020. Im Vorfeld prüfte das Land 967 Potenzialflächen, 623 schafften es nicht zum Vorranggebiet. Ausschlusskriterium war vor allem der Schutz angrenzender Wohnsiedlungen. Das Areal an der Autobahn 1 wurde 2011 von einer Firma untersucht, ist laut deren Gutachten geeignet. Darauf setzt die BfB, wenn es zu einer Überarbeitung kommt. Barsbüttels Bauamtsleiter Andreas Tiedemann berichtete von seinen Gesprächen mit der Landesbehörde. Demnach ist der Entwurf eines modifizierten Regionalplans für Mitte 2024 angedacht, spätestens 2027 soll er gesichert sein. „Das ist nicht zeitgemäß, muss viel schneller gehen“, sagt Sozialdemokrat Hanser. Was Tiedemann auch noch erzählte und zeigt, wie entschlossen andere Kommunen sind: Es gibt bereits Anträge auf Vergrößerung von vorhandenen Vorrangflächen.