Glinde. Stadt fordert Tempo 30 auf Papendieker Redder, was abgelehnt wird. Jetzt gibt es eine neue Idee. Der Konflikt könnte eskalieren.
Die Hoffnung auf Einsicht der Gegenseite ist eigentlich erloschen. Glinde kann den Kreis nicht überzeugen, auf dem Papendieker Redder Tempo 30 einzuführen. Argumente dafür hat die Stadt genug geliefert, doch die Behörde mit Sitz in Bad Oldesloe stellt sich quer. Aus lauter Verzweiflung geht die Kommune jetzt womöglich einen Schritt, der in einer gerichtlichen Auseinandersetzung münden könnte. Es gibt Überlegungen, zum Schutz von Radfahrern Schilder mit der Geschwindigkeitsbegrenzung eigenmächtig aufzustellen. Akteure aus der Politik ermuntern Bürgermeister Rainhard Zug jedenfalls dazu.
Glindes Verwaltungschef ist noch zurückhaltend. Er sagt: „Wir prüfen Tempo 30. Die Weisungsaufgabe steht nur mir zu. Ich muss mich mit meiner Verkehrsaufsichtsbehörde im Rathaus abstimmen.“ Soll heißen: Der Bürgermeister wird für den Fall, dass sich Glinde über den Kreis hinwegsetzt, kein Votum der Parteienvertreter hinter verschlossenen Türen herbeiführen. Das hatte er einmal bei einem Bauvorhaben gemacht, wo es um eine Nutzungsänderung ging. Wie ernst Zug die Angelegenheit ist, verdeutlicht diese Aussage: „Wir sind für die Bürger da. Es ist wichtig, Schüler und Schülerinnen zu schützen.“
Für einen Radstreifen ist die Straße zu schmal
Auf dem Papendieker Redder, auch als Kreisstraße 109 bekannt, sind viele Autos zu schnell unterwegs. Derzeit dürfen sie maximal 50 km/h fahren. Anwohner berichten von der doppelten Geschwindigkeit. Der 2,50 Meter breite Fußweg auf der östlichen Seite darf nur von Kindern bis zum zehnten Lebensjahr mit dem Rad genutzt werden. Alle anderen müssen mit dem Velo auf die Fahrbahn. An diese Vorschrift hält sich allerdings nicht jeder – aus Angst vor den vorbeirauschenden Fahrzeugen, die zudem oft keinen Mindestabstand halten.
Wie berichtet, will der Kreis den rund einen Kilometer langen Abschnitt von der Ecke Möllner Landstraße grunderneuern. Der eigentliche Straßenbau soll Mitte 2023 beginnen. Nach der Sanierung geht die sogenannte Straßenbaulast mit Fußweg und Parkflächen ins Eigentum der Stadt über. Das ist per Gesetz geregelt. Die Fahrbahn ist beim Wechsel ausgeklammert. In einem Vorentwurf sind 2,2 Millionen Euro für das Projekt veranschlagt. Glinde wollte im Zuge der Arbeiten einen Radstreifen. Dem wurde eine Absage erteilt. Denn dafür müsste die Straße 7,50 Meter breit sein. Es fehlen rund 100 Zentimeter. Eine Ausdehnung ist laut Zug nicht möglich wegen der Platanen an den Seiten und des Allee-Charakters. Zu vereinzelten Baumfällungen wird es trotzdem kommen, weil Wasserleitungen ausgetauscht werden. Pro Entnahme sind drei Neuanpflanzungen festgelegt. Das geschieht an anderen Orten der Stadt.
Bürgerinitiative reichte eine Petition ein
Der nicht umsetzbare Radstreifen veranlasste die Politiker schließlich dazu, auf Tempo 30 zu drängen. Wohlgemerkt nur für den umgebauten Abschnitt. Die Kreisbehörde lehnt das ab mit der Begründung, die K 109 sei kein Unfallschwerpunkt. Im Juni dieses Jahres schlossen sich Anlieger zu einer Bürgerinitiative zusammen und verliehen dem Ansinnen der Parteien Nachdruck. Mehr als 100 Personen unterschrieben eine Petition. Die Gruppe protokollierte Vorfälle mit Beinahe-Unfällen von Radfahrern mit Autos, holte sich von der Polizeidirektion Ratzeburg eine Unfallauswertung von 2019 bis Mitte 2022. 16 Unfälle wurden demnach von den Ordnungshütern registriert. Die Initiative zweifelt an der Vollständigkeit der Statistik, vermutet, dass die Polizei bei Bagatellschäden nicht gerufen wurde.
Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) hatte sich auf Bitte dieser Redaktion ebenfalls ein Bild vor Ort gemacht. Ortsgruppenleiterin Brigitte Mattigkeit testete die Strecke im Juli. Sie hält eine Tempo-Herabsetzung nicht für zielführend, schlägt aber vor, den Fußweg auf der östlichen Seite für Radfahrer freizugeben. „Fußgänger haben Vorrecht, man muss sich also anpassen, das heißt Schrittgeschwindigkeit fahren“, sagte sie.
CDU-Politiker Matthias Sacher moniert Planung des Kreises
Marlies Kröpke, stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, ist wie auch andere Politiker verärgert, dass Glinde beim Straßenausbau am Papendieker Redder kein Mitbestimmungsrecht hat: „Ich würde den Bürgermeister unterstützen, wenn er Tempo-30-Schilder aufstellen lässt.“ Es sei eindrucksvoll gewesen, wie Anlieger Probleme geschildert hätten. Die Sozialdemokratin spielt vor allem auf die Lärmbelästigung an. CDU-Fraktionschef Rainer Neumann klingt nahezu identisch: „Wenn der Bürgermeister es auf seine Kappe nimmt, unterstützen wir ihn.“ Grünen-Stadtvertreterin Gönke Witt sagt: „Grundsätzlich bin ich dafür, dass solche Schilder angebracht werden. Man muss vorher natürlich prüfen, was der Klageweg für die Stadt kosten würde.“ Wahrscheinlich bliebe Glinde nichts anderes übrig, als ein Risiko einzugehen.
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Sollte Zug die Verkehrszeichen setzen lassen und eine anschließende Aufforderung des Kreises zum Abbau ignorieren, ist eine Klage gegen die Stadt denkbar. Matthias Sacher von der CDU bringt eine andere Variante ins Spiel. Demnach zieht Glinde vor Gericht. Er sagt: „Die ganze Planung ist fachlich nicht qualifiziert. Die Schulwegsicherung wurde überhaupt nicht einbezogen.“ Tempo 30 allein löse nicht die Radverkehrsproblematik. Dass der Fußweg auf zwei Meter reduziert und aus Wegebau-Kies hergestellt wird, was die Naturschutzbehörde vorgibt, sieht er nicht ein. Für Menschen mit Rollator sei so ein Untergrund ungeeignet. „In einem ersten Schritt muss der Kreis zurück an den Verhandlungstisch. Wenn er das nicht macht, dann bleibt uns nur die Klage, um das Projekt zu stoppen“, so der Stadtvertreter der Christdemokraten. Die Bürgerinitiative will er dabei einbeziehen.