Glinde. Autos fahren auf der Kreisstraße 109 zu schnell. Abstandsregel wird nicht eingehalten. Auch Glindes Politiker sind besorgt.

Es ist gefährlich für Radfahrer auf dem Papendieker Redder in Glinde, das kann jeder täglich beobachten. Etliche Autos sind viel zu schnell unterwegs. Wenn sie Menschen auf dem Fahrrad überholen, wird der vorgeschriebene Abstand von 1,50 Meter oft nicht eingehalten. Anwohner haben eine Bürgerinitiative gegründet. Sie fordern, die zulässige Maximalgeschwindigkeit von 50 auf 30 km/h zu reduzieren.

Damit liegen sie auf einer Linie mit der Politik. Die Parteien wollen eine Änderung auf dem Abschnitt zwischen Ecke Möllner Landstraße und Wasserwerk im Zuge der Straßensanierung. Das Problem: Die Kreisverkehrsaufsicht sagt Nein. Wie berichtet, gibt es deshalb Ärger. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) hat sich jetzt ein Bild vor Ort gemacht. Er hält eine Tempo-Herabsetzung nicht für zielführend. Sein Vorschlag: den Fußweg auf der östlichen Seite für Radfahrer freigeben.

Leiterin der ADFC-Ortsgruppe testete Strecke am Freitagmorgen

Brigitte Mattigkeit, Leiterin der ADFC-Ortsgruppe Glinde, nutzt immer die Fahrbahn, wo es erlaubt ist – auch wenn es eng wird. „Ich habe keine Angst vor Autos, aber nicht jeder ist so gestrickt wie meine Wenigkeit“, sagt sie. „Man kann Radfahrer am Papendieker Redder aus meiner Sicht nicht auf die Straße zwingen, selbst bei Tempo 30 besteht ein hohes Sicherheitsrisiko.“ Die 69-Jährige hält es für sinnvoll, Radlern eine Alternative zu bieten – auf dem Fußweg. „Man sollte Verkehrsschilder mit der Bezeichnung ,Radfahrer frei’ so aufstellen, dass sie von beiden Richtungen sichtbar sind. Fußgänger haben Vorrecht, man muss sich also anpassen, das heißt Schrittgeschwindigkeit.“

Mattigkeit favorisiert diese Variante, nachdem sie am Freitagmorgen selbst einen Test gemacht hat. Die Glinderin startete von der Einmündung Möllner Landstraße. Vier von fünf Autos, die überholten, kamen ihr dabei sehr nahe, geschätzt waren es keine 50 Zentimeter. Dann drehte Mattigkeit um, fuhr auf der anderen Seite, wo Fahrzeuge auf der Straße parken. Ihre Hoffnung: Wenn sie diese passiert, wird kein Pkw an ihr vorbeiziehen. Es kam anders. Der erste Fahrer reduzierte das Tempo nur und blieb einige Sekunden auf gleicher Höhe, weil Mattigkeit den Arm ausstreckte, die folgenden beiden ignorierten das Signal und überholten zügig auf der Gegenfahrbahn – ohne den 1,50-Meter-Mindestabstand zu berücksichtigen. Lediglich zwei Autofahrer hielten sich hinter der ADFC-Ortsgruppenleiterin, bis diese die parkenden Autos hinter sich gelassen hatte und ihren Weg am Straßenrand fortsetzte.

Straßensanierung kostet den Kreis mehr als zwei Millionen Euro

Anwohner berichten von Beinahe-Zusammenstößen von Radfahrern mit Autos. Sie sind auch in Sorge um ihre Kinder, denn viele Schüler passieren die Kreisstraße 109. Diese ist aber kein Unfallschwerpunkt. Damit begründet die Kreisbehörde auch das Ablehnen von Tempo 30. Die Polizeidirektion Ratzeburg hat von 2019 bis Juni dieses Jahres 16 Unfälle registriert, darunter wurden siebenmal Verkehrszeichen oder abgestellte Autos angefahren. Zudem gebe es in dem Zeitraum keinen Unfall mit der Ursache Geschwindigkeit, heißt es in einem Schreiben an die Bürgerinitiative.

Die Gruppe zweifelt an der Vollständigkeit der Statistik, nennt in diesem Zusammenhang Bagatellschäden, bei denen die Polizei gar nicht eingeschaltet wird. Sie sammelte 115 Unterschriften für eine Geschwindigkeitsreduzierung und hofft, dass die Petition ein Umdenken bei der Kreisbehörde bewirkt. Darauf hatte auch schon Bürgermeister Rainhard Zug hingearbeitet im Auftrag der Parteien.

Glindes Politiker hatten sich beim Sanierungsprojekt Radstreifen gewünscht, dafür ist jedoch die Fahrbahn zu schmal. Tempo 30 ist für sie zumindest eine Alternative, um die Sicherheit zu erhöhen. Im Radverkehrskonzept der Stadt ist der Papendieker Redder als Hauptroute aufgelistet. Es wurmt die Parteienvertreter, dass sie beim Ausbau der Kreisstraße kein Mitbestimmungsrecht haben.

Der Zeitplan steht: Ab Oktober werden Bäume gefällt. Im Juni oder Juli 2023 beginnt die eigentliche Sanierung des rund einen Kilometer langen Abschnitts. Mehr als zwei Millionen Euro wird der Kreis investieren. Er hat zudem entschieden, dass der Fußweg von 2,50 auf zwei Meter verengt wird. Kinder bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr dürfen ihn mit dem Rad befahren, ein Elternteil kann begleiten. Sonst müssen Erwachsene auf die Straße. Viele pfeifen auf die Regel: Freitagmorgen in der Zeit von neun bis zehn Uhr radelten 80 Prozent auf dem Gehweg.