Glinde. Bürger sind von den Fahrzeuggeräuschen genervt. Stadt schaltet Juristen ein. Er prüft, ob der Kreis an Kosten beteiligt werden kann.
Mit dem Bau einer Lärmschutzwand an der Kreisstraße 80 beschäftigen sich Glindes Politiker schon seit Jahren. Die aktuelle wird ihrem Namen nicht gerecht, ist marode und löchrig – damit unbrauchbar für die Begrenzung der Schallausbreitung. Anwohner der Stübenkoppel, die in einer Bürgerinitiative organisiert sind, machen Druck. Sie sind genervt vom Lärm der Fahrzeuge. Nun haben die Parteienvertreter eine Variante zu ihrem Favoriten erklärt, drei standen zur Auswahl. Die Wunschlösung wird auch von der Verwaltung bevorzugt, ist fünf Meter hoch und günstiger als die anderen Modelle. Sie kostet inklusive aller Arbeiten geschätzt 645.000 Euro, ist als Fahrzeugrückhaltesystem mit integrierter Lärmschutzwand deklariert und soll am Fahrbahnrand errichtet werden. Vorgesehen ist ein Abstand von 20 Zentimetern bis maximal einem Meter. Ob das Projekt umgesetzt werden kann, hängt von mehreren Faktoren ab.
Alternativstandorte sind mit Grunderwerb verbunden
Der Bauausschuss beschloss auf seiner jüngsten Sitzung einstimmig, dass der jetzt ausgemachte Standort genauer untersucht wird. Gründungsarbeiten müssten im Seitenstreifen verrichtet werden, dort befinden sich aber schon Versorgungsleitungen. Das könnte problematisch werden. Hinzu kommen Aspekte der Verkehrssicherheit, über die ebenfalls noch keine Klarheit besteht. Darüber hinaus bewilligten die Politiker im Haushalt 2023 15.000 Euro für einen Juristen. Er prüft, ob der Kreis als Straßenbaulastträger an den Kosten für die Wand beteiligt werden kann. Mit einem Ergebnis rechnet Bürgermeister Rainhard Zug für Sommer kommenden Jahres. Er sagt: „Bei allen Varianten wäre ein Baubeginn frühestens 2024 möglich. Ich kann verstehen, dass der Bürgerinitiative der Prozess zu lange dauert.“ Deren Sprecherin Dagmar Coordts ist mit dem Schallschutz an der Fahrbahn einverstanden. Sie sagt: „Je dichter an der Quelle, umso besser ist es. Die Standortfrage hätte aber schon längst geklärt sein können. Die Stadt setzt unsere Gesundheit aufs Spiel.“
Richtig ist aber auch: Das Modell direkt an der Straße hat die Verwaltung erst jetzt erarbeitet. Zuvor waren Ersatz an identischer Stelle und ein Verrücken in Richtung der Häuser Gegenstand von Diskussionen. Bei letzterem Fall hätte die Stadt Grundstücksanteile der Anlieger erwerben müssen. Diese signalisierten keine Bereitschaft zum Verkauf. In der Vorlage, über die nun abgestimmt wurde, waren selbst bei einer Wand in der Achse der vorhandenen Trasse Kosten in Höhe von 350.000 Euro für Grunderwerb aufgeführt, weil unter anderem ein drei Meter breiter Unterhaltungsweg benötigt wird. Beide Alternativen sind mit rund 1,3 sowie 1,5 Millionen Euro deutlich teurer. „Das von uns vorgeschlagene System hat sich vor allem in Großstädten bewährt. Wir wollen die Maßnahme kostengünstig und effektiv umsetzen“, sagt der Glinder Bürgermeister.
Der Kreis und die Stadt Reinbek müssen zustimmen
Die jetzige Wand mit Elementen aufzufüllen und Lücken zu schließen, bis sie ersetzt wird, ist für die Politik kein Thema. Zu hoch sind die Kosten. Die Verwaltung nennt 700.000 bis 800.000 Euro. Das Bauwerk steht größtenteils auf Gebiet des Kreises sowie der Stadt Reinbek. Auch bei der Fahrbahnkanten-Variante ändert sich bezüglich der Eigentumsverhältnisse nichts Wesentliches. Beide müssen zustimmen.
„Ich bin skeptisch, ob sich der Kreis an den Kosten beteiligt, glaube aber nicht, dass er Probleme beim Standort macht“, sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende Rainer Neumann. Bei einem anderen Projekt hatte die Behörde mit Sitz in den Bad Oldesloe Glindes Parteienvertreter mächtig verärgert. Die Politiker möchten auf dem Papendieker Redder, den der Kreis sanieren wird, Tempo 30 einführen zum Schutz der Radfahrer. Das wurde abgelehnt.
In Sachen Lärmschutzwand ist vor Jahrzehnten einiges schief gelaufen bei den Abmachungen zwischen Stadt und Kreis. Eigentümer ist Glinde, finanziert wurde sie von beiden. Auf der einen Seite gab es einen Bebauungsplan, der einen fünf Meter hohen Lärmschutzwall vorsieht. Auf privatrechtlicher Basis zwischen Kreis und Stadt wurde jedoch eine Holzwand mit einer dünnen Dämmplatte erstellt – zu wenig, um vor Lärm der Hauptverkehrsader zu schützen. Ein von Glinde in Auftrag gegebenes Gutachten brachte dann hervor, dass der Bebauungsplan nichtig ist. Im Umkehrschluss bedeutet das: Anlieger haben keinen Anspruch auf Lärmschutz. Der Neubau ist also eine freiwillige Leistung der Stadt.
Initiativenmitglied beschreibt der Politik den unerträglichen Zustand
Anlieger der Stübenkoppel hatten 2009 eine Bürgerinitiative gegründet und drängen auf eine Verbesserung der Situation. Am tiefsten Punkt der Straße hat Stefan Flint sein Haus, lebt dort mit seiner Familie. Er beschrieb im Bauausschuss den aus seiner Sicht unerträglichen Zustand und erwähnte sein drei Monate altes Baby. An einen ruhigen Schlaf sei nicht zu denken. Eine ältere Dame berichtete dieser Redaktion vor eineinhalb Jahren von Setzrissen im Badezimmer wegen der Erschütterungen. Marlies Kröpke, stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, möchte lieber heute als morgen Abhilfe schaffen. Sie sagt: „Wir haben großes Bauchweh mit der Zeitschiene. Eigentlich wollen wir den Neubau für die Bürger viel schneller machen. Aber der Drops ist jetzt gelutscht.“