Ahrensburg. CDU überrascht bei Stadtverordnetensitzung: Statt das Projekt endgültig zu stoppen, will sie in kleiner Runde neue Ideen entwickeln.

Die scheinbar unendliche Diskussion um die Frage, ob und in welcher Form Ahrensburg ein Stadtmarketing braucht, geht in die nächste Runde. In der Sitzung des Hauptausschusses Anfang April hatte sich mit CDU, Grünen, Wählergemeinschaft WAB und Linken noch eine deutliche Mehrheit der Politiker dafür ausgesprochen, das von der Steuerungsgruppe „Stadtmarketing“ über zwei Jahre erarbeitete Konzept nicht umzusetzen. Nun wollen genau diese Fraktionen einen eigenen Vorschlag entwickeln, wie ein Stadtmarketing aussehen könnte. Das Kuriose: Alle vier waren in der Lenkungsgruppe vertreten, hatten also die Chance, dort ihre Ideen einzubringen – die Linken allerdings erst seit der Kommunalwahl 2018.

„Aus unserer Sicht ist das erarbeitete Konzept an den zu hohen Kosten gescheitert“, sagt CDU-Fraktionschef Detlef Levenhagen. „Es ging immer nur um die Frage, ob wir eine GmbH gründen wollen oder nicht.“ Für diese müsste Ahrensburg nach Berechnungen der Beratungsgesellschaft Cima rund 260.000 Euro im Jahr ausgeben. In der jüngsten Versammlung der Stadtverordneten sollte eigentlich die finale Abstimmung darüber erfolgen. Levenhagen beantragte jedoch, das Thema von der Tagesordnung zu nehmen, appellierte: „Geben Sie uns bitte die Zeit, etwas zu entwickeln.“

Stadtforum will sich nicht an neuer Runde beteiligen

Sven Leya ist Geschäftsführer im Herrenhaus Ahrensburg in der Hagener Allee und Mitglied in der Interessengemeinschaft Hagener Allee.
Sven Leya ist Geschäftsführer im Herrenhaus Ahrensburg in der Hagener Allee und Mitglied in der Interessengemeinschaft Hagener Allee. © Filip Schwen | Filip Schwen

Mit diesem Vorstoß überraschte er auch SPD und FDP, die sich als einzige Fraktionen für eine Umsetzung des Konzepts stark gemacht hatten. „Die ganze Geschichte ist völlig absurd“, sagt Bela Randschau (SPD). „Alle waren Teil der Arbeitsgruppe und hätten ihre Vorstellungen schon vor Jahren äußern können.“ Er vermute, dass die Kritik von Wirtschaftsvertretern die CDU zum Umschwenken gebracht habe. So äußerte zum Beispiel Götz Westphal, Chef der Kaufleutevereinigung Stadtforum, im Abendblatt seine Verärgerung darüber, „dass ich nun zum dritten Mal enorm viel Freizeit vergebens geopfert habe“. Das Stadtforum war genauso wie die Industrie- und Handelskammer (IHK), der Hotel- und Gaststättenverband sowie die Interessengemeinschaft Hagener Allee an dem Prozess beteiligt.

Bela Randschau fügt ironisch hinzu: „Späte Einsicht ist besser als keine.“ Seine Fraktion sei wie die FDP nicht gefragt worden, ob sie in der neuen Runde mitwirken wolle. „Ich finde es bedauerlich, dass wir nicht eingebunden werden“, sagt Thomas Bellizzi (FDP). „Die Gruppe wird sich am Ergebnis messen lassen müssen, wenn sie sich gegen die Expertise der Cima-Experten und der Wirtschaftsvertreter stellt. Wir werden die Vorschläge sehr kritisch betrachten. Das Ganze darf kein Alibi-Konzept werden.“

Auch die IHK will die neuen Vorschläge abwarten

Er sei gespannt auf das Ergebnis, sagt Götz Westphal. Er selbst sei für eine neue Diskussionsrunde aber „nicht mehr zu haben. Wir hatten ja schon eine Lösung, die politisch plötzlich nicht mehr gewollt wurde.“ Nils Thoralf Jarck, IHK-Geschäftsstellenleiter in Ahrensburg, sagt: „Es ist besser, die Pause-Taste zu drücken, als wenn das Projekt jetzt ganz gescheitert wäre.“ Auch er sei gespannt auf die neuen Vorschläge, aber weiterhin der Meinung, dass das erarbeitete Konzept gut war. Jarck und Westphal waren beide zur Stadtverordnetenversammlung gekommen, saßen mit Dunja Paasch von der Interessengemeinschaft Hagener Allee auf Besucherplätzen. Als das Thema von der Tagesordnung genommen wurde, verließen sie den Marstall.

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Doch was versprechen sich CDU, Grüne, WAB und Linke von einer neuen Diskussion? „Es gibt viele Ideen, die wir jetzt weiterentwickeln müssen“, sagt CDU-Chef Detlef Levenhagen. Dazu zähle die Gründung eines Vereins, die Einstellung einer Expertin im Rathaus oder die Vergabe projektbezogener Aufträge an Profis. „Das Ganze soll günstiger, die Effektivität aber nicht geschmälert werden.“ Spätestens nach der politischen Sommerpause wolle er mit den anderen Fraktionen einen Vorschlag vorlegen.

Die Grünen wollen sich noch einmal mit der Wirtschaft austauschen und hören, „wo es Bauchschmerzen gibt“, sagt Fraktionschefin Nadine Levenhagen. „Für uns muss plausibel sein, welches Ziel das Stadtmarketing verfolgen soll. Bisher haben wir unterschiedliche Signale aus der Wirtschaft bekommen.“ Den Grünen sei wichtig, dass das Stadtmarketing losgelöst vom Rathaus betrieben werde. „Sonst fehlt den Firmen die Motivation, sich finanziell zu beteiligen.“

Geschäftsleute wünschen sich professionelles Marketing

Auch die Linken hat das bisherige Konzept nicht überzeugt. „Wir haben damit gesagt, was wir nicht wollen“, sagt Fraktionschef Ali Haydar Mercan. „Nun wollen wir herausfinden, welche Maßnahmen vielleicht sinnvoll sind.“ Verhaltener äußert sich die WAB. „Wir haben erst unmittelbar vor der Sitzung vom Vorstoß der CDU erfahren“, sagt Fraktionschef Peter Egan. „Wir sind davon ausgegangen, dass das Thema an dem Abend beendet wird. Nun warten wir erst mal ab, welche neue Vorschläge kommen.“

Önay Songur ist Inhaber des Cafe Zeitlos an der Großen Straße in Ahrensburg.
Önay Songur ist Inhaber des Cafe Zeitlos an der Großen Straße in Ahrensburg. © Filip Schwen | Filip Schwen

Geschäftsleute aus der Innenstadt hoffen, dass Ahrensburg beim Thema Stadtmarketing endlich vorankommt. „Es gibt hier viele schöne Ecken, die aber die meisten Leute nicht kennen“, sagt Önay Songur, Inhaber des Cafés Zeitlos. „Ein Stadtmarketing könnte sie über die Stadtgrenzen hinaus bekannt machen und mehr Menschen nach Ahrensburg locken.“ Alexandra Schokrowski vom Elektrofachgeschäft Clasen fordert: „Die Stadt muss sich mehr einbringen und um die Belange der Händler kümmern. Sie darf sich nicht allein auf die Vereine verlassen.“ Ziel müsse auch sein, ein Parkplatzkonzept zu entwickeln.

Pro optik-Geschäftsführer Sawas Kalemkeridis hält das Stadtmarketing in Ahrensburg für ausbaufähig.
Pro optik-Geschäftsführer Sawas Kalemkeridis hält das Stadtmarketing in Ahrensburg für ausbaufähig. © Eileen Meinke | Eileen Meinke

Sawas Kalemkeridis, Geschäftsführer von Pro Optik, wünscht sich mehr Aktionen in der Innenstadt. Er sagt: „Ahrensburg ist eine schöne Stadt, man sollte sie auch für das Umland interessanter machen.“ Sven Leya, Leiter des Geschäfts Herrenhaus, ärgert sich über den Stillstand. „Ich finde es befremdlich, wie sich die Politik mit Verweis auf die Kosten aus der Affäre zieht“, sagt Leya, der auch Mitglied der Interessengemeinschaft Hagener Allee ist. Er fordert, dass die Straßen in der Innenstadt eine höhere Aufenthaltsqualität bekommen. „Vor meinem Geschäft vergammeln die Sitzbänke. Niemand möchte sich auf das Holz setzen, wenn es feucht ist. Einfache Maßnahmen könnten bereits das Image der Innenstadt verbessern.“