Ahrensburg. Zu teuer, so die auch von den Linken vorgetragene Kritik. Die Wirtschaftsvertreter sind entsetzt, Empörung bei SPD, FDP und WAB.
Fassungslosigkeit, Verärgerung, blankes Entsetzen – so beschreiben einige Teilnehmer ihre Gefühle nach einer nichtöffentlichen Sitzung im Ahrensburger Rathaus, bei der zum Thema Stadtmarketing die Weichen gestellt wurden. Das aus Sicht von Wirtschaftsvertretern und einigen Politikern ernüchternde Ergebnis lautet: Zwar spricht sich eine Mehrheit der Steuerungsgruppe für die Gründung einer GmbH aus. Doch CDU, Grüne und Linke, die im Stadtparlament die Mehrheit stellen, wollen die Marketing-Pläne kippen. Zu teuer, es gebe Wichtigeres zu tun, so die Argumentation der Vertreter der drei Rathaus-Fraktionen.
Im inzwischen dritten Anlauf und seit Anfang 2017 reden sie sich die Köpfe heiß; Stadtverordnete, Mitarbeiter der Verwaltung, die Kaufleutevereinigung Stadtforum, Vertreter der Industrie- und Handelskammer sowie des Hotel- und Gaststättenverbandes haben das erklärte Ziel, Ahrensburg als Unternehmensstandort besser zu vermarkten. Und die Attraktivität der Schlossstadt als Wohnort für junge Familien und für Touristen zu steigern.
Enttäuschter FDP-Chef spricht von Steuerverschwendung
Die Lübecker Beratungsgesellschaft Cima ist von Beginn an in den Prozess eingebunden. 57.822,10 Euro Kosten sind bis heute dafür angefallen. Dass die Beratung durch die Fachleute sowie das Marketing an sich Kosten verursacht, war allen Beteiligten von Beginn an klar. Dennoch gab es in der Politik zu Beginn keinen Widerspruch zu den Plänen. Um so größer ist „die Verwunderung darüber, dass CDU und Grüne das nun nicht mehr wollen, wo wir quasi auf der Ziellinie sind“, wie Bürgermeister Michael Sarach sagt. Die Kehrtwende sei schwer nachvollziehbar, weil das Thema für Ahrensburg „von riesiger Bedeutung“ sei. Von Anfang an hätten alle Parteien ihre Überzeugung kundgetan, „wie wichtig Marketing für die Stadt ist“.
Wie begründen CDU, Grüne und Linke ihre ablehnende Haltung? Detlef Levenhagen (CDU) sagt: „Die Kosten sind zu hoch. Wir haben mit dem Bau des neuen Schwimmbades, dem Sanierungsstau an Schulen und dem Bedarf an Kita-Plätzen ganz andere Probleme. Das ist wichtiger.“ Nadine Levenhagen (Grüne) sagt: „Es gibt wichtigere finanzielle Herausforderungen – Schulen, Kitas.“ Das Konzept, das die Cima nun allen Fraktionen vorgestellt hat, habe sie am Ende aufgrund der Kosten nicht überzeugen können. Die belaufen sich bei Gründung einer GmbH nach Abendblatt-Informationen auf rund 260.000 Euro im Jahr. Auf die Frage, warum die Grünen nicht früher Bedenken geäußert haben, sagt Nadine Levenhagen: „Nun ja, das Ganze ist ein Prozess, den man sich bis zum Ende angucken muss.“ Schlussendlich treffe sie lieber eine unpopuläre Entscheidung als eine falsche.
„Fokus zu stark auf Wirtschaft, Soziales kommt zu kurz“
Die Linke ist erst seit der Kommunalwahl 2018 Mitglied der Lenkungsgruppe, war am Großteil des Prozesses nicht beteiligt. „Die entwickelte Marke entspricht nicht unseren Vorstellungen von Ahrensburg“, sagt Fraktionsvorsitzender Ali Haydar Mercan. „Der Fokus liegt zu stark auf der Wirtschaft, das Soziale kommt zu kurz.“ Zudem seien ihm die Kosten zu hoch. „Wir halten die Gewichtung für falsch“, sagt er. „Im Rathaus wird zum Beispiel dringend Personal benötigt, dafür ist kein Geld da.“
SPD-Fraktionsvorsitzender Jochen Proske kritisiert, dass viel Steuergeld, ungezählte Arbeitsstunden der Verwaltung und Ehrenamtlicher verschwendet wurden. „Das ist ein Trauerspiel für diese Stadt“, sagt er und ergänzt: „Wozu haben wir all die Jahre überhaupt einen solchen Aufwand betrieben? Dann hätten wir uns das Ganze sparen können.“
Thomas Bellizzi von der FPD zeigt sich entsetzt über die Entscheidung. „Das ist eine Unverschämtheit für den Steuerzahler und alle, die sich an der Lenkungsgruppe beteiligt haben.“ CDU und Grüne ignorierten, was über drei Jahre gemeinsam erarbeitet wurde. „Das 70-Seiten-Konzept, das uns nun vorliegt, ist gut“, sagt Bellizzi. Marketing sei wichtig für Ahrensburg – auch, um den Standort für die Wirtschaft attraktiv zu halten. „Alle Städte um uns herum tun etwas dafür.“
Leiter der IHK-Geschäftsstelle ist sehr enttäuscht
Auch Karen Schmick (WAB) ist enttäuscht, wie sie sagt: „Ich hätte mich gefreut, wenn wir einen Mittelweg gefunden hätten.“ Die Wählergemeinschaft wünsche sich einen Verein mit fest angestellter Fachkraft, die sich ums Marketing kümmert. Diesen Weg hätte sie gern zwei Jahre lang getestet. „Denn was die Cima mit uns entwickelt hat, ist eine gute Basis“, sagt sie. Für ihren Mann Hinrich Schmick, Ex-Stadtverordneter und bis 2018 Mitglied der Lenkungsgruppe, trägt der Bürgermeister Schuld am Stillstand. Er sagt: „Herr Sarach schätzt den Stellenwert des Stadtmarketings falsch ein, er hätte das Thema zur Chefsache machen müssen. Für Ahrensburg gibt es nichts Wichtigeres.“
Groß ist die Enttäuschung bei Nils Thoralf Jarck, dem Leiter der IHK-Geschäftsstelle Ahrensburg. „Ich finde das Konzept gut, hätte es gern umgesetzt“, sagt er. „Es wäre schade, wenn wir die Chance nicht ergreifen, mit dem Stadtmarketing ein positives Bild von Ahrensburg nach außen zu tragen.“ Er könne nicht nachvollziehen, wieso einige Politiker einen Rückzieher machten. „Dass Stadtmarketing Geld kostet, war allen von Anfang an klar. Es gab keine Überraschungen oder Kostenexplosionen.“ Forderungen aus der Politik, die Wirtschaft müsse sich finanziell stärker am Marketing beteiligen, erteilt Jarck eine klare Absage. „Das sehe ich nicht so. Durch die Gewerbesteuer und anteilige Einkommenssteuer bezahlen die Unternehmen schon jetzt den Löwenteil des Haushalts, halten damit die Stadt am Laufen.“ Für ihn wäre es denkbar, dass sich Firmen später an konkreten Projekten beteiligen. Trotz des Rückschlags hoffe er auf ein Umdenken bei CDU, Grünen und Linken.
Bürgermeister gibt Hoffnung auf ein Umdenken nicht auf
Götz Westphal, der an der Spitze der Kaufleutevereinigung Stadtforum steht, macht gegenüber dem Abendblatt keinen Hehl aus seiner „Verwunderung“ über den Gegenwind aus drei Fraktionen. „Wir haben in der Lenkungsgruppe jahrelang zusammengearbeitet. Die Cima hat ein tragfähiges Konzept mit guten Ideen vorgelegt. Und es gab Einvernehmen darüber, dass Stadtmarketing gewollt ist.“ Insofern könne er die Entscheidung dagegen nicht nachvollziehen. Besonders ärgere ihn, „dass ich nun zum dritten Mal enorm viel Freizeit vergebens geopfert habe“. Eine solche Haltung habe er gerade von der CDU nicht erwartet. Ehrenamtlich, wie von Teilen der Politik gewünscht, sei professionelles Stadtmarketing nicht zu leisten.
Der Bürgermeister gibt sich beharrlich. Er werde den „formalen Weg“ beschreiten, eine Beschlussvorlage für die März-Sitzung des Hauptausschusses vorbereiten. In der offiziellen Pressemitteilung vom Freitag heißt es: „Die Mehrheit der Steuerungsgruppe hat auf Grundlage des von der Cima vorgestellten Konzeptes empfohlen, das Personal- und Finanzierungskonzept umzusetzen. Die favorisierte Organisationsform war mehrheitlich die Gründung einer GmbH.“ Bleibt also abzuwarten, ob CDU und Grüne dieses Mal bei ihrer Linie bleiben.