Ahrensburg. Grüne fordern fairen Umgang mit Stabsstellen-Leiterin. WAB und FDP gegen neuen Posten eines Stadtmanagers. CDU lehnt GmbH-Gründung ab.

und Janina Heinemann

Es ist ein mit Konflikten beladenes Thema, das Politik, Kaufleute und Verwaltung seit Jahren beschäftigt. Und es ist eines dieser Themen, bei dem die Stadt auf der Stelle zu treten scheint: das Stadtmarketing. Also das Vorhaben, mit dem sich die Schlossstadt nach außen besser zu verkaufen soll als bisher. Durch das die Innenstadt gestärkt, Kunden und Kaufkraft gebunden, Leerstände im Einzelhandel minimiert werden sollen. Doch Projekt droht – zumindest in seiner bisher geplanten Form – zu scheitern. In der Politik mehren sich kritische Stimmen von Stadtverordneten. Die Grünen wollen die Notbremse ziehen, bevor noch mehr Geld fließt. Die CDU will das Stadtmarketing in die Hände eines noch zu gründenden Vereins legen.

Das Thema verspricht Spannung bei der Sitzung des Hauptausschusses am Montag, 19. November. Im nichtöffentlichen Teil kommt nach Informationen des Abendblattes im Peter-Rantzau-Haus eine heikle Personalie ins Gespräch. Dabei geht es um die Leiterin der Stabsstelle strategische Stadtentwicklung, Angelika Andres. Also um die Mitarbeiterin der Verwaltung, die Bürgermeister Michael Sarach nach vier Jahren als Chefin des Bauamtes absetzte und ihr mit der Spitze der Stabsstelle notgedrungen und „gemäß Dienstrecht eine amtsangemessene Weiterbeschäftigung“ ermöglichte, wie er einst sagte.

Das Tuch zwischen Andres und Sarach ist zerschnitten

Dass die Ausbildung der studierten Diplom-Architektin und Stadtplanerin für diesen für Ahrensburg so wichtigen Job nicht gerade maßgeschneidert ist, dass sich der Verwaltungschef mit der Entscheidung selbst in eine Zwickmühle manövrierte, ist in Rathaus- und Politikkreisen ein offenes Geheimnis. Der Dienstherr und seine Mitarbeiterin stritten wiederholt vor dem Verwaltungsgericht. Mal ging es um die Umsetzung auf die neue Stelle, mal um ein zu schlecht ausgefallenes Zeugnis. Das sind aus Sicht der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Nadine Levenhagen denkbar schlechte Vorraussetzungen dafür, das Stadtmarketing voranzutreiben. „Mit jemandem, der in diesem Bereich einfach nicht zuhause ist. Nach allem, was bisher geschehen ist, kann Angelika Andres gar nicht richtig für diese Aufgabe motviert sein“, sagt die Grüne. Zumal der Bürgermeister sie bei ihrer Aufgabe nicht unterstütze. Peter Egan, Stadtverordneter der Wählergemeinschaft WAB, hatte die Personalie bereits im April dieses Jahres als „Kardinalfehler Sarachs“ bezeichnet, Und gesagt: „Er hat eine Frau auf den Posten gesetzt, für den sie weder richtig qualifiziert noch richtig motiviert ist. Dabei müsste gerade auf solch einer Position jemand sitzen, der den Karren zieht.“

Was könnte ein professionelles Stadtmarketing bewirken? Ahrensburg könnte sich als Unternehmensstandort besser vermarkten. Die Schlossstadt könnte ihre Attraktivität als Wohnort für junge Familien und für den Tourismus steigern – auch als Kultur- und Veranstaltungsort. Auf diese Ziele hatten sich die Mitglieder einer Steuerungsgruppe zu Jahresbeginn 2017 verständigt. Stadtverordnete, Mitarbeiter der Verwaltung, der Kaufleutevereinigung Stadtforum, der Industrie- und Handelskammer sowie des Hotel- und Gaststättenverbandes hatten „Kernbotschaften“ formuliert, wie die Wünsche des Handels, des Tourismus’ und der Bürger zu bündeln seien, um die Marke Ahrensburg zu stärken. Sie wurden dem Hauptausschuss im Juni 2018 vorgestellt: „Das Beste aus zwei Welten, wo Kinder glücklich groß werden, wo starke Wirtschaft wächst und wo man das Leben bewusst genießt.“

Neue Stellen für Marketing und Tourismus

Ob aber die gebürtige Erfurterin Andres ihren Job in Ahrensburg schätzt, ob sie ihn auszufüllen vermag, das bezweifelt Nadine Levenhagen. Sie sagt: „Das Tuch zwischen dem Bürgermeister und ihr ist zerschnitten. Nur wenn Herr Sarach sie künftig bei ihrer Arbeit unterstützt, wenn sie Fortbildungen ermöglicht bekommt, kann daraus überhaupt noch etwas werden.“

Andres selbst, die nach monatelanger krankheitsbedingter Abwesenheit wieder in Diensten des Rathauses steht, sagt auf Abendblatt-Anfrage, sie sei „topmotiviert“. Die Arbeit der Lenkungsgruppe bewertet die 52-Jährige als „ein konstruktives Miteinander, auch wenn wir kontrovers diskutieren. Da sind Leute drin, die Ahnung haben. Die vielen Ideen und Ansätze bringen uns weiter.“ Die Lübecker Beratungsgesellschaft Cima, die den Prozess begleitet, hat der Politik Empfehlungen ausgesprochen. So solle die Stelle eines Stadtmanagers schaffen. Diese Person könnte die Prozesse zwischen Verwaltung und den Akteuren des Stadtforums oder Interessengemeinschaft Hagener Allee koordinieren. Auch solle eine Vollzeitstelle für den Tourismus geschaffen werden. Cima-Beraterin Regina Schroeder: „Da gibt es Ressourcenbedarf. Es engagieren sich viele, aber niemand hat den Hut auf.“ Eine weiterer Rat der Cima: Das Stadtmarketing könnte eine GmbH oder ein Verein übernehmen. Die Kosten für derlei Erkenntnisse belaufen sich für die Stadt inzwischen auf 39.757,90 Euro.

Gewerbestadt oder Tourismuszentrale?

Überzeugend ist davon nicht alles für die Politik. Peter Egan: „Stadtmarketing ist wichtig. Aber ich sehe nicht, zu welchem Nutzen die Kosten für einen Stadtmanager führen.“ Er fordert stattdessen mehr Budget für den Einzelhandel: „Aktionen wie die Blue Night, Oldtimershow oder der Food Truck Sunday zeigen, dass so etwas ausreicht. Wir sind eine Gewerbestadt, wollen keine Tourismuszentrale werden.“ Grünen-Fraktionschefin Levenhagen stimmt dem zu: „Wir haben andere Baustellen. Wir sollten jeden Cent in Kita-, Krippen- und Hortplätze investieren.“ Kinder seien wichtiger als Stadtmarketing.

Thomas Bellizzi, Fraktionsvorsitzender der FDP, formuliert seinen Unmut über die Entwicklung mit diesen Worten: „Ahrensburg braucht zwar jemanden, der sich um Stadtmarketing kümmert – dazu gehört auch der Tourismus. Aber es macht keinen Sinn, noch eine Stelle zu schaffen.“ Stattdessen fordert er mehr „Kontinuität, um das Stadtmarketing überhaupt zum Laufen zu bringen.“ Bellizzi: „Dass es nicht vorangeht, ist beschämend und ein Armutszeugnis für alle Beteiligten.“ Tatsächlich steht wenige Wochen vor Weihnachten immer noch in den Sternen, wie es weitergeht. Ende November ist laut Verwaltung ein weiteres Treffen der Steuerungsgruppe geplant.

Die CDU will die Strukturen des Vereins im Januar beraten

Ahrensburgs Grüne wollen eine klare Linie vorgeben. Nadine Levenhagen: „Wir beantragen am Montag, das Projekt einzustellen. Das Konzept ist nicht schlüssig.“ Eine schöne Bescherung also für die Mitglieder der Kaufleute vom Stadtforum. Doch deren Vorsitzender Götz Westpfahl mag sich darüber nicht äußern. Die Mitglieder der Steuerungsgruppe hätten „Geheimhaltung“ vereinbart. Vielleicht aber weiß auch Westphal schon von Plänen der CDU, die im Januar „die Organisationsform eines Vereins für Stadtmarketing“ beraten will, wie Fraktionschef Detlev Levenhagen sagt. „Eine GmbH ist uns zu teuer.“ In einem Verein könnten sich Politiker, Mitarbeiter der Verwaltung, Kaufleute und Bürger engagieren“, so der CDU-Mann.

Dass die Geschichte zumindest für Angelika Andres ein gutes Ende nimmt, dieser Hoffnung verleiht Nadine Levenhagen mit diesen Worten Ausdruck: „Uns geht es nicht nur um das Stadtmarketing – uns geht es auch um einen fairen Umgang mit Frau Andres. Denn den vermissen wir bisher.“