Reinbek. Erneut erhöhte Asbestwerte im Reinbeker Schulzentrum. Gebäude bleibt bis zu den Ferien geschlossen.

Die Situation im gesperrten Schulzentrum am Mühlenredder in Reinbek stellt sich nun noch schlimmer dar: Nachdem dort krebserregende Asbestfasern gefunden wurden, ließ die Verwaltung alle und damit mehr als 50 Räume auf Schadstoffbelastung messen. In sechs weiteren wurden die Grenzwerte teilweise mehrfach überschritten. Dabei liegen gerade einmal 50 Prozent der Ergebnisse vor, die ein Labor aus Nordrhein-Westfalen liefert. Betroffen sind derzeit acht Zimmer. Die Ursache ist noch immer unklar. Lehrer und Schüler werden nie erfahren, wie lange sie das gesundheitsschädliche Material eingeatmet haben.

13.000 Fasern pro Kubikmeter Luft ist der höchste Wert

Besonders besorgniserregend ist die Lage im ersten Obergeschoss, das durch eine Brandschutzwand getrennt ist. Im vorderen Bereich sind die Werte in sieben Räumen stark erhöht. Dort, wo eine Schulsozialarbeiterin ihr Büro hat, wurden bis zu 13.130 Fasern pro Kubikmeter Luft ermittelt, in einem Klassenzimmer bis zu 9795. Jörg Günther, Facharzt beim Kreis, spricht schon bei 500 Fasern von einer Gesundheitsgefahr. Er traf sich am Mittwoch zwecks Einordnung der Werte mit Bürgermeister Björn Warmer, später stieß auch noch ein Vertreter des Landesamtes für Soziale Dienste aus Kiel dazu und inspizierte das Gebäude.

Am Mittwochnachmittag präsentierte der Verwaltungschef die Ergebnisse. Mit dabei waren Dirk Böckmann, Rektor der Gemeinschaftsschule, und Olaf Bienengräber, Leiter der Amalie-Sieveking-Förderschule. Ihre Einrichtungen sind in dem Gebäude untergebracht. Rund 700 Schüler werden dort unterrichtet.

Lungenspezialist sieht Handlungsbedarf

Böckmanns Miene war wie versteinert. Er sagte: „Ich habe Schüler von den Zahlen in Kenntnis gesetzt. Für sie war es ein Schock.“ Die Mehrzahl der belasteten Räume wurde jedoch von den Jungen und Mädchen des Förderzentrums genutzt. Der vordere Bereich im ersten Obergeschoss wird nicht mehr geöffnet. „Ich habe solche Messwerte in Schulen noch nie gehabt“, sagt Günther. Er rate Personen, die länger einer solchen Schadstoff-Konzentration ausgesetzt sind, zu einem Arztbesuch. Die Fasern können auch nach 60 Jahren Auslöser für Krebserkrankungen sein. Günther will die Sache nicht verharmlosen, warnt aber auch vor Panikmache: „Menschen mit dieser Belastung sterben nicht zwangsläufig an Asbest.“

Das Abendblatt befragte auch den Chefarzt der LungenClinic Großhansdorf, Klaus F. Rabe. Der Spezialist sagt zu den Asbest-Werten im Reinbeker Schulzentrum: „Rund 13.000 Fasern sind ein signifikanter Wert. Hier muss gehandelt werden.“ Die Gefahr, dass ein Schüler, der diesen Stoff jetzt eingeatmet habe, später krank werde, sei jedoch sehr gering. „Aber sie ist nicht gleich Null“, fügt der Professor hinzu.

Die Suche nach der Ursache verlief bisher ergebnislos

Die Gemeinschaftsschule Reinbek am Schulzentrum Mühlenredder
Die Gemeinschaftsschule Reinbek am Schulzentrum Mühlenredder © René Soukup | René Soukup

Die Ursache für die erhöhten Werte ist laut Reinbeks Bauamtsleiter Sven Noetzel nach wie vor völlig unklar: „Denn es gibt keine sichtbaren Schäden. Die vermuteten Quellen, Glasalplatten und Fensterkitt, scheinen nach bisherigen Erkenntnissen nicht allein ursächlich für die Belastung zu sein.“ Gutachter vermuteten auch wetterbedingte Einflüsse auf die Fassadenelemente. Derzeit werden Räume in dem hauptsächlich betroffenen Abschnitt von außen und innen geöffnet, um das Rätsel zu entschlüsseln.

Dass in dem Anfang der 1970er-Jahre erstellten Gebäude Asbest verbaut wurde, ist kein Geheimnis. Umfangreich geprüft wurde im Hinblick auf das Material aber nie. Im Jahr 1988 hatte es eine Messung in einem Unterrichtsraum gegeben, 2009 eine weitere – und nur im Erdgeschoss in drei Zimmern. Die Werte waren unbedenklich.

Bürgermeister Björn Warmer will Sanierung jetzt vorziehen

Jetzt stehen noch die Ergebnisse für das komplette Erdgeschoss mit Verwaltungstrakt und Lehrerzimmer aus sowie für Teile des zweiten Obergeschosses. Die Werte erwartet Bürgermeister Warmer noch in dieser Woche. Er sagt: „Erst danach werden wir mit den Lehrern, Eltern und Schülern das weitere Vorgehen besprechen.“

Bisher wurde in den meisten von der Gemeinschaftsschule genutzten Räumen keine erhöhte Schadstoffbelastung ausgemacht. Der Verwaltungschef: „Wenn die Schüler dort aber nicht mehr reinwollen, akzeptieren wir das und müssen andere Lösungen finden.“ Eine mögliche Alternative ist das Aufstellen von Containern.

Bis zu den Ferien bleibt das Schulzentrum in jedem Fall geschlossen. Die Förderschüler werden auch noch länger auf Räume der Grundschule Klosterbergen ausweichen. Für die Jungen und Mädchen der Gemeinschaftsschule gilt bis dahin die Regelung von dieser Woche. Sie teilen sich auf mehrere Standorte auf, werden in einer ehemaligen Bildungseinrichtung in Wentorf, im Rathaus, am Reinbeker Gymnasium, in der Grundschule Mühlenredder und in Containern, die schon länger auf ihrem Schulhof stehen, unterrichtet.

Sanierung der Schule soll vorgezogen werden

Pädagogen der Gemeinschaftsschule hatten eine Klage wegen Körperverletzung gegen die Stadt erwogen. „Das Thema ist noch nicht vom Tisch“, sagt Rektor Böckmann. Derartige Überlegungen gibt es laut Olaf Bienengräber auch bei Lehrern der Förderschule.

Reinbek will das Schulzentrum sanieren und ausbauen. Das hat die Politik schon beschlossen. Angedacht war ein Baustart Mitte 2019 und das Ende der Arbeiten drei Jahre später. Das Projekt kostet mindestens 27 Millionen Euro. Jetzt könnte es schneller gehen. „Die Sanierung soll vorgezogen werden“, sagt Björn Warmer. Als Reaktion auf die Asbest-Funde lässt der Verwaltungschef nun alle Reinbeker Schulen, das Rathaus sowie ältere öffentliche Gebäude auf Schadstoffe prüfen.