Hinweise auf eine mögliche Belastung gab es bereits im Juni. Doch gehandelt wurde nicht. Bürgermeister: „Erhebliche Versäumnisse.“

Reinbek Die Schließung des Bargteheider Schulzentrums wegen einer zu hohen Konzentration von Asbestfasern in der Raumluft war auch am Donnerstagabend das beherrschende Thema auf der Sitzung der Stadtvertreter. Zahlreiche besorgte, teils erzürnte Eltern und Schüler kamen zu der Veranstaltung. Der Andrang war so groß, dass die Sitzung per Video in einen Vorraum übertragen wurde.

Gleich zu Beginn räumte Bürgermeister Björn Warmer in einer teils emotionalen Stellungnahme erhebliche Versäumnisse der Verwaltung ein. So ist nach Erkenntnissen Warmers inzwischen klar, dass es in der Schule seit den 80er-Jahren lediglich eine einzige Asbestmessung gegeben hat – obwohl schon sehr lange bekannt war, dass in der Gemeinschaftsschule Asbest in großem Stil verbaut worden war. Eine Messung auf das krebserregende Material habe es lediglich 2009 geben – und dann auch nur im Erdgeschoss der Schule. Hinweise auf eine mögliche Gefährdung durch defekte asbesthaltige Glasalplatten habe es bereits Ende Juni dieses Jahres gegeben. Seinerzeit war ein Schadstoffgutachten erstellt worden. Schritte wurden indes nicht eingeleitet: „Das war eine grobe Fehleinschätzung“, so Warmer gestern Abend.

Der Bürgermeister sprach wörtlich von „erheblichen Versäumnissen über lange, lange Zeit“. So gab es, obwohl die Verwendung von Asbest beim Bau bekannt war, keinerlei Handlungsanweisung für Lehrer und Handwerker. Sie wussten beispielsweise nicht, dass keinesfalls Nägel in die Platten der Innenfassade geschlagen werden dürfen. Noch 2006, so berichtete der Bürgermeister, sei ein Kabelkanal in eine Wand eingezogen worden.

Große Zahl an Angeboten zur Unterstützung

Dass die Gefahr so lange unbeachtet geblieben ist, ärgert viele Eltern. „Die Wut unter den Eltern wächst“, hat Schulleiter Dirk Böckmann festgestellt. Für ihn und seine Schüler und Lehrer lief gestern parallel zur Ursachenforschung eine große Hilfswelle an. „Uns haben im Rathaus sehr viele Anrufe von Vereinen, Kirchen und Organisationen erreicht, die uns spontan Räume zur Verfügung gestellt haben. Das freut uns riesig“, sagt Lennart Fey, Pressesprecher der Stadt. Jedoch: „Wir können die Kinder nicht auf zehn verschiedene Standorte verteilen, dann ist kein Schulbetrieb mehr möglich“, sagt Schulleiter Böckmann.

Als Retter in der Not hat sich die Gemeinde Wentorf erwiesen, die spontan die ehemalige Fritz-Specht-Schule als Ausweichmöglichkeit zur Verfügung gestellt hat. Dort sind in einem Gebäudeteil aktuell Flüchtlingsfamilien untergebracht. Insgesamt leben 40 Menschen in acht Klassenräumen. Frei ist allerdings noch ein anderer Gebäudetrakt, in dem ab Montag vier Klassen unterrichtet werden können. Auch das Gymnasium Wentorf möchte einen Beitrag leisten, hat mit sofortiger Wirkung sieben Container auf dem Schulhof der Fritz-Specht-Schule freigegeben, in dem bislang Gymnasiasten unterrichtet werden. Insgesamt stehen der Gemeinschaftsschule damit elf Klassenräume an einem Standort zur Verfügung.

In allen Räumen werden jetzt Messungen durchgeführt

Bereits am Donnerstag bewiesen Verwaltung und Schule Improvisationstalent. Oberstufenschüler schrieben im Rathaus Klausuren. In die Fraktionsräume von CDU und SPD wurden flugs Flipcharts geschoben – denn Tafeln gibt es im Rathaus ja nicht. Schulleiter Dirk Böckmann wäre es am liebsten, wenn alle Schüler relativ schnell in Container auf dem Schulhof der Gemeinschaftsschule ziehen könnten. „Wenn die Schule saniert wird, wäre dies sowieso der Fall“, sagt er.

Unterdessen laufen in allen mehr als 50 Räumen der Schule Messungen. Bundesweit wurden entsprechende Geräte angefordert, um möglichst schnell Klarheit über die Belastungen zu bekommen. Mit ersten Ergebnissen wird möglicherweise noch im Laufe des Freitags gerechnet.