Reinbek. Asbest-Funde in Reinbeker Schule verunsichern viele Eltern. Lehrer erwägen Klage wegen Körperverletzung.

Vier Tage nach der Schließung des Reinbeker Schulzentrums am Mühlenredder wegen des Fundes von krebserregenden Asbestfasern wächst die Wut: Schüler, Lehrer und Eltern fragen sich, warum die Stadt nicht früher etwas unternommen hat. Pädagogen der Gemeinschaftsschule erwägen sogar eine Klage gegen die Stadt. Die Politik reagiert indes gefasst. Für die Betroffenen hat die Organisation des Schulalltags Priorität.

Melanie Koss, Vorsitzende des Schulelternbeirates, lobt die „organisatorische Meisterleistung“ der Schulleitung. Sie spart aber nicht mit Kritik an der Stadt: „Man hätte früher handeln müssen, Hinweise gab es genug. Hätte man früher begonnen, den Sanierungsstau zu beseitigen, wäre das Problem vielleicht nicht so groß.“ In der Elternschaft entstehe großer Unmut über die Politik. Denn schon lange war die in dieser Woche beschlossene Sanierung der Schule von Eltern und Lehrern eingefordert worden. Koss hat trotzdem Vertrauen in die Stadt: „Es war vor Anfang an gut organisiert, das ist der Grund, warum keine Panik ausgebrochen ist.“ Begeistert sei sie vom offenen Umgang, den der Bürgermeister pflege. „Das tut gut. Es gibt uns das Gefühl: Es gibt keine Geheimnisse. Wir hoffen, dass es eine schnelle zentrale Notlösung hier auf dem Gelände gibt.“

Die Räume in der Gemeinschaftsschule werden jetzt alle auf Asbest untersucht und sind gesperrt.
Die Räume in der Gemeinschaftsschule werden jetzt alle auf Asbest untersucht und sind gesperrt. © BGZ | Anne Müller

Danach sieht es jedoch nicht aus. 700 Kinder und Jugendliche müssen auf mehrere Standorte verteilt werden. Die Grundschule Mühlenredder stellt Räume für 128 Kinder aus fünften Klassen, DAZ-Klassen und einer Flexklasse. Die Amalie-Sieveking-Schüler kommen in der Grundschule Klosterbergen unter. Acht Container am Schulzentrum beherbergen die Stufen sechs und sieben mit 160 Schülern. 150 Oberstufenschüler lernen im Rathaus und am Gymnasium Sachsenwaldschule.

Am Montag um 8 Uhr gilt es zudem, 280 Schüler der Klassenstufen 8 und 9 vom Mühlenredder zur Fritz-Specht-Schule, in die Gemeinschaftsschule oder das Gymnasium nach Wentorf zu bringen. Auch das war Thema bei einer Krisensitzung am Freitag in der Gemeinschaftsschule. Schulleiter Dirk Böckmann und sein Vize Thomas Diedrich besprachen mit Bürgermeister Björn Warmer und Rathaus-Mitarbeiter Lennart Fey die kommende Woche. Fey wollte einen zusätzlichen Schulbus nach Wentorf organisieren, konnte aber den zuständigen Mitarbeiter vom Kreis nicht erreichen. Der Bürgermeister griff zum Handy und bat Landrat Henning Görtz um Unterstützung. Wenig später war klar, dass kurzfristig kein Bus zu organisieren ist. Nun will die Stadt ein privates Busunternehmen engagieren. „Wir kriegen es hin, wir müssen es hinkriegen“, sagt Lennart Fey optimistisch.

Lehrer Peer Scheffler wird seine 8. Klasse nach Wentorf begleiten, am Freitag wurde im Container unterrichtet. Scheffler sagt: „Es gab nicht sehr viel Unruhe, aber auch Fragen wie ,Kriegen wir jetzt Krebs?´“ Schulleiter Dirk Böckmann sagt: „Die Lehrer sind gebrieft und fangen viel ab. Außerdem finden sich in unserer App, dem digitalen schwarzen Brett ,DSB mobile’, und auf www.reinbek.de alle aktuellen Informationen.“ Es gebe kaum Nachfragen von Eltern. Allerdings viele von Schülern. Am Freitag wurden auch die Toiletten im Hauptgebäude gesperrt, die in der Sporthalle geöffnet. „Die Kinder haben Angst, wir haben das sofort aufgegriffen“, sagt der Rektor. Im Lehrerzimmer im Containerbau auf dem Schulhof hat er einen Info-Point für die Schüler eingerichtet. Die Eltern lud er per E-Mail für Donnerstag, 13. Dezember, um 19.30 Uhr zum Infoabend in die Aula des Gymnasiums ein.

Schulleiter Böckmann ist dankbar für die Hilfe umliegender Schulen und Gemeinden, sagt er. Aber er sei auch wütend. „Ich bin sauer und extrem enttäuscht vom Bauamt.“ Positiv überrascht sei er dagegen über die gute Zusammenarbeit mit dem Bürgermeister. Auch bei den Schülern herrsche Wut, täglich gebe es neue Fragen. Auch ehemalige Schüler und Kollegen müssten nun über die Asbestgefahr informiert werden. „Wir müssen eine Schaltstelle haben in der Stadt, die sich darum kümmert“, fordert der Rektor.

Sein Kollegium erwäge eine Sammelklage wegen Körperverletzung gegen die Stadt. Dirk Böckmann sagt: „Ich kann das voll verstehen und stehe dahinter. Es ist mein Recht und meine Gesundheit.“ Wie die Eltern und Schüler weiter reagieren, werde man sehen. Am Freitag sei es in einer Oberstufenklasse beispielsweise um die Frage gegangen, wie schwierig es werden könne, wenn man im Leben später einmal schwer krank werde. Bürgermeister Björn Warmer will sich am Dienstag mit Vertretern der Schüler treffen. „Wir haben alle anderen Termin beiseite geschoben“, sagt der Verwaltungschef. Lehrer hätten sich bei ihm beklagt, dass das Gebäude schon lange vernachlässigt wurde. Nach Schuldigen suche er noch nicht, es sei aber klar: „Das ist schon eine Kette von Dingen, die lange, lange so laufen.“