Patrick Magiera ist einer von 1247 Jägern im Kreis Stormarn. Seit er 16 Jahre alt ist, geht der Elmenhorster auf die Jagd.

Auf dem Feldweg nahe Elmenhorst ist es sehr friedlich. Vögel zwitschern, die Blätter der Bäume rascheln im Wind, nur selten sind in der Ferne die Motorengeräusche eines Fahrzeuges zu hören. Es ist 19 Uhr. Patrick Magiera schultert sein Gewehr und geht in Richtung Hochsitz. Die hölzerne Konstruktion am Rande eines Weizenfelds und einer Lichtung ist schon von Weitem zu erkennen.

Magiera ist einer von 1247 Menschen im Kreis Stormarn, die einen gültigen Jagdschein besitzen. Der 24-Jährige jagt, seit er 16 Jahre alt ist. Schon vorher hat er seinen Vater zur Jagd begleitet. „Mit 16 durfte ich dann endlich selbst den Jagdschein machen“, sagt er. „Dafür habe ich drei Wochen meiner Sommerferien geopfert.“ Während der Ausbildung lernte Magiera nicht nur, mit einer Waffe umzugehen. „Man hat viel Theorieunterricht. Da geht es dann um Jagdrecht oder um Wildbiologie. Deswegen wird der Jagdschein auch grünes Abitur genannt.“

Es sei nicht selbstverständlich, etwas zu erlegen

Mitten auf dem Weizenfeld bleibt Magiera plötzlich stehen. Er deutet in Richtung Hochsitz auf einen kleinen, braunen Punkt. „Da ist Wild“, flüstert er. „Es steht genau vorm Hochsitz. Wir müssen jetzt sehr leise sein. Und: keine hektischen Bewegungen!“

Nicht immer sieht Magiera Wildtiere, wenn er jagen geht. Das sei nicht selbstverständlich – etwas zu erlegen schon gar nicht. „Letztes Jahr war ich bestimmt 60-mal jagen“, sagt der Elmenhorster. „Dabei habe ich drei Böcke geschossen.“ Zwar hat der 24-Jährige andere Tiere erlegt, etwa Hasen, Wildschweine, Fasane oder Füchse. Trotzdem sei eine erfolgreiche Jagd selten. 3307 Abschüsse von Rehwild hat die Kreisjägerschaft im vergangenen Jagdjahr in Stormarn verzeichnet.

Langsam geht Magiera weiter. Er schaut auf seine Füße, achtet darauf, keine lauten Geräusche zu verursachen. Dann bleibt er wieder abrupt stehen, deutet erneut mit seinem Zeigefinger auf eine Stelle. Diesmal allerdings deutet sein Finger mitten in das Weizenfeld. Dort, vielleicht 50 Meter entfernt, schauen die Ohren eines Rehs zwischen den Halmen heraus. Als der Kopf des Tieres wieder in den Tiefen des Feldes verschwindet, wahrscheinlich weil es gerade frisst, geht Magiera weiter, immer noch auf die Stelle starrend. Die Ohren tauchen wieder auf. Das Tier kaut. Magiera bleibt stehen. Der Kopf taucht ab. Magiera geht weiter. Auf diese Weise überquert er das Weizenfeld und die Lichtung bis zum Hochsitz.

Jäger müssen viel Zeit und Geld in ihre Jagdreviere investieren

Patrick Magieras Jagdrevier befindet sich rund um Elmenhorst. Knapp 630 Hektar hat sein Vater zusammen mit einem weiteren Jäger hier von den örtlichen Landwirten gepachtet. Das gebe Jägern allerdings nicht die Erlaubnis, zu machen, was sie wollen, wie Uwe Danger weiß, der Geschäftsführer der Kreisjägerschaft Stormarn. „In ihre Jagdgebiete müssen Jäger sehr viel Zeit und Geld investieren“, sagt er. „Man muss Jagdpachten bezahlen, den Wildtierbestand kontrollieren und zu Wildunfällen kommen.“ Auch um Jagdeinrichtungen, zum Beispiel Hochsitze, müssen Jäger sich selber kümmern.

Das Reh, das sich eben noch am Hochsitz aufgehalten hat, ist inzwischen weg. „Verscheucht haben wir es nicht“, flüstert Magiera. „Vielleicht sehen wir es später noch einmal.“ Der Jäger klettert die Leiter hoch und öffnet die Tür des Hochsitzes. Denn anders, als man es sich vielleicht vorstellen würde, ist dieser Hochsitz nicht offen. Wie eine sehr kleine Hütte auf Stelzen, steht er an einem Knick. Magiera öffnet vier Fenster – auf jeder Seite eines. Innen ist gerade genug Platz für zwei Personen, die auf einer gepolsterten, quer befestigten Holzlatte sitzen können. „Den haben wir erst vor zwei Wochen fertig gebaut“, flüstert Magiera „Gerade im Winter oder bei schlechtem Wetter ist ein geschlossener Hochsitz Gold wert.“ Viele Stunden verbringe er während einer Jagd hier oben, da könne es schon mal kalt werden.

Beim Erlegen herrschen strenge Regeln

Schon nach wenigen Minuten erblickt Magiera mit dem Fernglas weiteres Rehwild auf einem Feld. „Das ist ein Bock, den können wir vielleicht schießen“, flüstert er aufgeregt, greift allerdings nicht zu seinem Gewehr, sondern zu seinem Spektiv, auch Beobachtungsfernrohr genannt, um das Tier genauer anzuschauen. „Doch nicht, der ist zu stark, darf nicht geschossen werden.“

Was Jäger erlegen dürfen – und was nicht –, unterliegt strengen Regeln. „Die weiblichen Tiere sind zu dieser Jahreszeit tabu. Die könnten Junge haben, die dann nicht mehr versorgt werden würden“, erklärt Magiera. Aber auch bei Böcken gebe es Einschränkungen. Da die starken Tiere sich vermehren und ihr Erbgut weitergeben sollen, erlege Magiera meistens nur schwächere Böcke. „Zum Beispiel solche, die früh ihre Mutter verloren haben und daher unter schlechten Bedingungen aufgewachsen sind“, sagt er.

Am Gehörn erkennt der Jäger das Alter eines Rehbockes

Das Alter eines Bocks erkennt Magiera unter anderem an den Stangen auf dem Kopf. „Wenn die Stangen jeweils drei Enden aufweisen, handelt es sich meist um einen älteren, normal entwickelten Bock. Und anhand der Körpermasse sehe ich, ob ein Bock stark oder schwach ist“, sagt er. „Jagen zu gehen ist nicht so einfach, wie es sich viele vorstellen.“

Es ist 21 Uhr, bis jetzt hat Magiera sein Gewehr nicht gebraucht. Vier Rehe hat er gesehen, außerdem viele Feldhasen und eine Katze auf Mäusefang. Hinter einem kleinen Waldstück schimmert die Sonne durch. Ihr Untergang lässt den Himmel orange-violett leuchten. Das Grün der Lichtung erscheint matter. Es dämmert.

Auf einmal erscheint, knapp 200 Meter vom Hochsitz entfernt, ein weiterer Rehbock auf der Lichtung. Bei ihm ist sich Magiera nicht sicher. „Im Zweifel lieber nicht“, flüstert er. Während das Tier frisst, kommen weitere Rehe aus dem Dickicht hervor. Magiera schaut durch sein Spektiv. „Zwei Rehkitze und ihre Mutter, die Ricke“, sagt er leise. „Die Kitze haben noch die weißen Punkte. Vier Rehe gleichzeitig auf einer Koppel – das ist wirklich selten.“ Als es schließlich zu dunkel ist, packt Magiera zusammen. Heute hat er sein Gewehr nicht gebraucht. Nächstes Mal braucht er es vielleicht auch nicht. „Trotzdem war es ein schöner Tag, wir haben viel gesehen“, sagt er. „Uns Jägern geht es nicht immer nur um das Jagen als solches. Manchmal ist es schön, hier zu sitzen, bei absoluter Stille einfach mal abzuschalten und zu beobachten, wie die Natur langsam einschläft.“

Mehr Zahlen, bitte!

781 Jäger gehören der Kreisjägerschaft Stormarn an. Die Kreisjägerschaft ist eine von 20 Kreisjägerschaften des Landesjagdverbandes Schleswig-Holstein. Das Ziel der Mitglieder ist es, die Gestaltung und die nachhaltige Sicherung der Lebensräume zu unterstützen und dadurch die heimischen Wildtiere zu schützen.

80 Fragen bis zum Jagdschein: Der Jagdschein wird auch „grünes Abitur“ genannt. Laut Uwe Danger, dem Geschäftsführer der Kreisjägerschaft, liegt das an dem anspruchsvollem Theorieunterricht. So umfasst die Ausbildung bis zur staatlichen Jägerprüfung unter anderem Kenntnisse in Wildbiologie sowie Land- und Waldbau. Die Jägerprüfung im Kreis Stormarn wird in drei Teilen abgelegt: Schießprüfung, schriftliche Prüfung mit mündlichem Teil sowie praktischer Prüfungsteil. „Wer den Jagdschein machen möchte, kann sich auf viele Monate des Lernens einstellen“, sagt Danger. „In der schriftlichen Prüfung muss man in drei Stunden 80 Fragen beantworten.“ Bevor die staatliche Prüfung überhaupt abgelegt werden kann, müssen Bewerber an einem umfangreichen Lehrgang teilgenommen haben. Mindestens 60 Theoriestunden und genauso viele Stunden Praxis gilt es zu absolvieren. Danger: „Einen Jagdschein zu machen empfehle ich wirklich nur den Menschen, die die Natur lieben und sie zu schätzen wissen.“ (hppk)

538 Maderhunde wurden von den Jägern der Kreisjägerschaft im vergangenen Jahr geschossen. Das sind 221 Tiere mehr als noch im Jahr davor. Es wurden außerdem unter anderem 763 Wildschweine und 2126 Stockenten erlegt. Im vergangenen Jahr wurden mehr Füchse (896) als Hasen (816) erlegt. Das bedeutet, dass die Hasen stärker bedroht sind, als üblich. Auf einige Tierarten wird im Kreis Stormarn gar keine Jagd mehr gemacht, da es zu wenige Exemplare von ihnen gibt. Dazu zählt zum Beispiel das Rebhuhn.

11 Kilo Fleisch sind an einem Rehbock: Nicht immer endet die Jagd für einen Jäger erfolgreich. Wenn es dann doch gelingt, ein Tier zu erlegen, bereitet der Jäger es meist auch selbst zu. Dabei wird alles vom Tier verwendet, kaum etwas wird weggeschmissen. Uwe Danger, der Geschäftsführer der Kreisjägerschaft, erzählt, wie Rehböcke verarbeitet werden. „Wildbret ist ein hochwertiges Lebensmittel“, sagt Danger. „Daher wird schon vor dem Schuss überprüft, ob es sich überhaupt lohnt, das Tier zu erlegen.“ Bei der sogenannten Lebendschau beobachten Jäger beispielsweise das Sozialverhalten des Tieres und ob es verletzt ist. „Der Schuss erfolgt dann tierschutzgerecht“, sagt Danger. „Also in den Schulterblattbereich, sodass das Herz getroffen wird. Dann spricht man vom sogenannten Blattschuss.“ Anschließend müsse das Tier unverzüglich „aufgebrochen“ werden, da die Gedärme sonst Gefahr laufen, sich zu zersetzen. Die Organe werden dann genau begutachtet. „Wenn sie Schäden aufweisen, kann man davon ausgehen, dass das Wildbrett nicht zu genießen ist“, sagt Danger. Einige Organe seien essbar, andere nicht. „Herz und Leber können verzehrt werden. Andere Organe landen meist auf dem Luderplatz – einer jagdlichen Einrichtung, die dazu dient, fleischfressende Tiere anzulocken“, so Danger. „Wenn Füchse sich an Luderplätzen voll fressen, machen sie weniger Jagd auf bedrohte Arten. Das kommt dann wiederum der Artenvielfalt zugute. In Stormarn ist zum Beispiel das Rebhuhn sehr selten geworden. “ Auch das Fell des Tieres wird verarbeitet. „Entweder man gibt das Fell einem Kürschner oder gerbt es selbst“, sagt Danger. Anschließend fertigen Jäger oft noch eine Trophäe an. „Der Kopf des Tieres wird dafür mit einer Knochensäge abgetrennt. Das Gehörn wird heiß abgekocht, und der Knochen des Schädels wird gebleicht. Hinterher wird er dann auf einer Holzunterlage befestigt.“ Übrig bleibt am Ende das Fleisch, das sogenannte Wildbret. Um die elf Kilo gewinnt Danger im Durchschnitt aus einem Rehbock. Er kühle es eine Woche lang, bevor er es zubereite oder kiloweise einfriere. „Besonders lecker ist das Wildbret zusammen mit einem Glas Rotwein.“ (hppk)

18 verschiedene Säugetierarten leben im Kreis Stormarn. Neben Rehen, Füchsen und Wildschweinen beispielsweise auch Waschbären und Fischotter.

59.629 Hektar Jagdgebiet gibt es im Kreis. Sie setzen sich aus drei verschiedenen Bezirken zusammen: den eigenen, den gemeinschaftlichen und den kommunalen. Eigenjagdbezirke sind Bezirke, die mehr als 75 Hektar groß sind und zum Beispiel von Landwirten an Jäger verpachtet werden. 67 davon gibt es in Stormarn. Alle Gebiete, die kleiner als 75 Hektar sind, bilden gemeinschaftliche Jagdbezirke. Auch von diesen Bezirken gibt es 67 in Stormarn. Kommunale Jagdbezirke sind Gebiete, die den Landesforsten gehören. Fünf davon gibt es im Kreis, einer von ihnen ist zum Beispiel der Hahnheider Forst.

44 Reviere gehören der Kreisjägerschaft an. Außerdem sieben Hegeringe. Diese sind eine Untergruppe der Jägerschaft. hppk

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