Grosshansdorf. Ein Ortstermin mit Forstexperten: Andreas Körber und Volker Weiß erklären in dieser Folge, wie das Ökosystem Wald gesteuert wird.

Erst schütteln, dann sprayen. Die für seinen Beruf typische Handbewegung, die Andreas Körber demonstriert, ist überraschend. Denn der 57-Jährige arbeitet weder als Lackierer, noch fertigt er Graffiti. Er ist Förster. Und er hat eine simple Erklärung für den Griff zum Farbspray. Körber erzählt, dass er jedes Jahr 165 Hektar zu durchforsten hat und mehr als 10.000 Bäume mit unterschiedlichen Zeichen und Farben markiert. Dafür verbraucht er etwa 200 Halbliter-Farbsprühdosen. Klingt nicht gerade ökologisch korrekt, ist aber eine wirksame und zudem unbedenkliche Methode, um Bäume gut sichtbar zu kennzeichnen und ihre Bestimmung festzulegen.

Die Auszeichnung ist nur eine von vielen Tätigkeiten eines Försters von heute, sie kostet aber reichlich Arbeitszeit – gut investierte Zeit, meint Volker Weiß von den Schleswig-Holsteinischen Landesforsten: „Das ist viel Lauferei, aber für Förster der beste Weg, ihren Wald kennenzulernen“, sagt der Forstwissenschaftler aus der Zentrale in Neumünster. Weiß koordiniert die landesweite Forstplanung.

In Stormarn beträgt die gesamte Waldfläche 10.758 Hektar. Davon sind 5265 Hektar Landeswald

Wir stehen im Beimoorwald im Norden von Großhansdorf, der mit 450 Hektar das zweitgrößte zusammenhängende Waldstück in Stormarn nach der Hahnheide bei Trittau (1450 Hektar) ist. Volker Weiß präsentiert einige Daten, um den großen Zusammenhang aufzuzeigen. 11,4 Millionen Hektar Waldfläche gibt es in Deutschland, 173.412 Hektar davon befinden sich in Schleswig-Holstein. In Stormarn beträgt die gesamte Waldfläche 10.758 Hektar. Davon sind 5265 Hektar Landeswald, also in der Obhut der Schleswig-Holsteinischen Landesforsten, einer 2008 gegründeten Anstalt öffentlichen Rechts, die nach der Abschaffung der alten Forstämter als mittlere Verwaltungsebene direkt für alle 30 Förstereien im Lande und den Erlebniswald Trappenkamp sowie die waldpädagogischen Einrichtungen in Süderlügum und Hartenholm zuständig ist. Die andere Hälfte des Stormarner Waldes ist vor allem Privateigentum. Insgesamt gibt es in Stormarns Wäldern etwa 5,2 Millionen Bäume, schätzt Forstwissenschaftler Weiß.

Gut möglich, dass man den Wald vor lauter Zahlen nicht mehr sieht – geschweige denn den einzelnen Baum. Der Beimoorwald ist deshalb der richtige Ort, sich das ökologische und ökonomische System Wald unmittelbar vor Augen zu führen. Denn er bildet es quasi modellhaft ab und zeigt, welchen Anforderungen der Wald heute gerecht werden soll. Er ist Erholungswald, liefert als Wirtschaftswald wertvolles Nutzholz und bietet zudem in wachsender Fläche Naturwald. Und er ist frei zugänglich. „Es gibt hier keine gesperrten Gebiete. Der Wald kann, darf und soll betreten werden“, sagt Weiß.

Beste Bedingungen für einen Wald, wie ihn sich die Forstbehörde wünscht

Erholungsort: Spaziergängerin mit Hunden im Beimoorwald
Erholungsort: Spaziergängerin mit Hunden im Beimoorwald © Lutz Wendler

Der Beimoorwald ist auch typisch, was Baumbestand und Zielsetzung in Stormarn betrifft – Mischwald mit hohem Laubbaumanteil, überwiegend Buchen. Was mit den Lebensbedingungen in der Region zu tun hat. „Wir haben hier feuchtes, mildes Klima und nährstoffreiche Böden“, sagt Förster Körber. Beste Bedingungen für einen Wald, wie ihn sich die Forstbehörde wünscht. „Gemischte mehrschichtige Wälder sind stabiler als Reinbestände“, sagt Volker Weiß. Sie seien weniger vom „Windwurf“, also von Sturmschäden betroffen als Wälder mit überwiegendem Anteil an Nadelbäumen. Und weniger anfällig gegen Schädlinge wie Buchdruckerkäfer oder den aggressiven Pilz, von dem zurzeit alle Eschen in der Region bedroht werden.

Erste Station unserer Erkundungstour im Beimoorwald ist ein eingezäuntes, etwa vier Hektar großes Areal, das zeigt, wie aktiver Waldumbau funktioniert. Vor allem durch Sturmschäden ist in einem Umfeld von Fichten eine lichte Fläche entstanden, die jetzt durch Neubepflanzung mit jungen Buchen partiell neu aufgeforstet wird. Die Umzäunung ist notwendig, um die jungen Bäume vor Wildverbiss zu schützen. Der Wildreichtum in den heimischen Wäldern ist ein großes (und teures) Problem der Forstbehörde.

Das System Wald ist komplex, die Aufgabe der Förster entsprechend. Andreas Körber ist verantwortlich für die Försterei Lütjensee, die größte von vieren im Kreis. Körbers Aufgaben sind vielfältig und werden von den Jahreszeiten vorgegeben. Im Winter die Auszeichnung von Bäumen, vor allem für die holzwirtschaftliche Verwertung. Im Frühjahr Neupflanzung und Sicherung der Verkehrswege, die Beseitigung von Sturmschäden, die öffentliche Wege gefährden. Im Herbst und Winter der Einschlag und das Rücken, also Fällen von Bäumen und der Abtransport der Stämme. Im Sommer ist es recht ruhig, was auch Zeit gibt, um bei Schulklassenführungen jungen Menschen den Erfahrungsraum Wald nahezubringen.

Die klassisch-romantische Vorstellung vom Förster ist nicht mehr zeitgemäß

„Das romantische Bild vom Förster der mit Dackel und Rucksack im Wald unterwegs ist“, so Volker Weiß, „werden sie nirgendwo finden“
„Das romantische Bild vom Förster der mit Dackel und Rucksack im Wald unterwegs ist“, so Volker Weiß, „werden sie nirgendwo finden“ © Lutz Wendler

Das Gros von Andreas Körbers Arbeit ist Organisation, und die findet meist als Buchführung und Planung am Computer statt. „Das romantische Bild vom Förster, der mit Dackel und Rucksack im Wald unterwegs ist, werden Sie nirgendwo mehr finden“, spottet Weiß. Stattdessen ist der Förster draußen mit seinem Auto unterwegs. Und wenn er aussteigt, hat er meist die Farbspraydose dabei. Im Nutzwald wird er dann zum Herrn über Leben und Tod. Doch seine Entscheidungen sind nicht vom größtmöglichen wirtschaftlichen Ertrag bestimmt. Sie sollen vielmehr vorbereiten, dass sich der Wald wie gewünscht entwickelt. „Wir forsten mehr auf als wir schlagen“, sagt Körber.

Zahlen und Fakten zur Forstwirtschaft

36.000 Kubikmeter Holz werden jedes Jahr in Stormarn geschlagen.

60 Euro pro Kubikmeter erzielen die Landesforsten im Schnitt für ihr sogenanntes Submissionsholz, das nach der Art des Verkaufs, einer Versteigerung mit schriftlichen Geboten (Submission) benannt ist.

Die Preisspanne reicht von billigem Industrieholz für Faserplatten und Energiegewinnung bis hin zu hochwertigen Furnieren. Einzelne Eichenholzqualitäten können bis zu 1000 Euro pro Kubikmeter erzielen, für Parkett geeignetes Eichensägeholz 500 Euro.

Zehn Hektar Wald erzeugen einen Arbeitsplatz, sagt Volker Weiß von den Landesforsten. 1,3 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland hängen demnach an der Forstwirtschaft. „Das sind mehr als in der Auto-Industrie“, sagt Weiß.

Gut 1000 Arbeitsplätze werden im Kreis Stormarn durch die Forstwirtschaft geschaffen. (wend)

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Letzte Station der kleinen Beimoorwald-Tour ist das Vorzeigeprojekt der schleswig-holsteinischen Landesforsten, der Naturwald. Genauer: eine der Flächen, auf denen der Wald vollständig sich selbst überlassen bleibt. Anfang der 80er-Jahre wurde damit begonnen, inzwischen sind 6,9 Prozent der Waldfläche in Stormarn Naturwald. Bis 2020 sollen es zehn Prozent werden. „Es ist gut, wenn es Flächen gibt, wo der Mensch einfach mal loslässt und sich ansieht, was geschieht, wenn Natur sich selbst überlassen bleibt“, sagt Weiß. Sozusagen eine Wildnis vor der Haustür, die neue Lebensräume schafft – mit hohem naturschutzfachlichen und kulturellen Wert. „Wir beobachten den Zufall und lernen“, fügt er hinzu.

Ein emotional stark aufgeladener Naturraum

Weiss und Körber sitzen auf dem Stamm einer Birke, die im Sturm gefallen ist. Die beiden Männer werden überragt vom aufgeklappten mannshohen Wurzelteller, der jetzt Lebensraum für Insekten ist. Der Tod des hohen Baums bereichert den Kreislauf des Lebens im Ökosystem Wald. Sein Sturz brachte Licht und Platz für viele Baumschößlinge, die jetzt im wilden Wettbewerb der stärksten Pflanzen um ihren Platz an der Sonne kämpfen. Es duftet nach Harz. Man atmet hier sofort bewusster, inhaliert Luft, die spürbar reiner ist als in der Stadt. Vogelgezwitscher und das Gesumme von Insekten sind deutlich zu hören. Das kräftige junge Grün der Blätter mit seinen vielen Schattierungen grundiert das Bild, Sonnenlichtstreifen fallen durch die Baumkronen.

Keine Frage, der Wald ist ein emotional stark aufgeladener Naturraum. Das zeigt sich auch, wenn Bürger empfindlich darauf reagieren, dass Verkehrswege gerodet oder Holz geerntet wird. „Es ist gut, dass die Menschen dem Wald nicht gleichgültig gegenüberstehen. Aber fast jeder hat seine eigene Vorstellung davon, wie der Wald zu sein hat. Nicht alle unterschiedlichen Vorstellungen sind vernünftig und miteinander vereinbar“, sagt Andreas Körber. Und er weist darauf hin, dass wir heute ein großes Privileg genießen: „Es hat in den vergangenen Jahrhunderten nie so viel und so dichten Wald wie in unserer Zeit gegeben.“