Siek. Mehrheit der Sieker sagt Nein zu Erweiterungsplänen. Gemeinde könnte Einnahmen in Millionenhöhe verlieren.

Das negative Votum der Sieker zu den Erweiterungsplänen für das Gewerbegebiet Bültbek bei dem Bürgerentscheid am vergangenen Sonntag könnte für die Gemeinde erhebliche finanzielle Konsequenzen haben. Bürgermeister Andreas Bitzer (CDU) und Investor Denis Browne gehen davon aus, dass der wichtige Gewerbesteuerzahler ATG Autotechnik Siek infolge der Entscheidung den Rücken kehren wird. „Für das Unternehmen wäre ein Verbleib an dem Standort aus ökologischen und ökonomischen Gründen nicht sinnvoll“, sagt Bitzer.

Eigentlich wollte ATG sein Gelände in Siek erweitern. Seit 2016 sind die Verwaltung und ein Teil der Produktion des Unternehmens, das Gelenke und Wagenübergänge für Busse, Straßenbahnen und Züge fertigt, nach Trittau ausgelagert, weil der Platz im Gewerbegebiet Bültbek nicht mehr ausreichte. Um Transportwege und damit Geld und Emissionen einzusparen, wollte ATG beide Standorte in Siek zusammenführen.

Im Geschäftsjahr 2020 erzielte ATG einen Umsatz von 19,5 Millionen Euro

Dazu hatte der Investor und vormalige Eigentümer des Unternehmens, Denis Browne, unmittelbar südlich des Firmengeländes in Siek etwa vier Hektar Ackerland erworben. Dort wollte er einerseits ATG die Erweiterung ermöglichen, andererseits sollten auch Flächen für Start-ups entstehen. Im östlichen Teil der Fläche wollte Browne ein Transportmuseum errichten, in dem Entwicklungen und Produkte der Firma ATG sowie Fahrzeuge, Maschinen, Technik und Historie zum Thema Transport ausgestellt werden sollen. Zudem sollen ein Museumsshop sowie Gastronomie- und Veranstaltungsmöglichkeiten integriert werden.

Sieks Gemeindevertreter standen mit großer Mehrheit hinter dem Vorhaben und hatten im November 2021 bei nur einer Gegenstimme die notwendige Änderung des Bebauungsplans Nr. 8 auf den Weg gebracht. Doch gegen das Projekt regte sich Widerstand. Eine Initiative um den Grünen-Ortsvorsitzenden Sven Hansen und FDP-Gemeindevertreter Ekkehard Heinbockel sammelte Unterschriften und führte einen Bürgerentscheid herbei.

Erweiterungs-Gegner befürchten mehr Verkehr und Beeinträchtigung des Ortsbildes

Das Bündnis lehnt die Erweiterung des Gewerbegebiets ab, weil dadurch landwirtschaftliche Fläche versiegelt werde. Zudem befürchteten die Gewerbegebiets-Gegner mehr Verkehr im Ort, mehr Lärm und eine Beeinträchtigung des dörflichen Ortsbildes durch die neuen Hallen. Bei der Mehrheit der Sieker fanden diese Sorgen Anklang: Am vergangenen Sonntag stimmten mehr als 60 Prozent gegen die Gewerbegebietserweiterung. Das Ergebnis ist für zwei Jahre bindend, die Expansionspläne von ATG stehen damit vor dem Aus.

„Ich gehe davon aus, dass ATG seine Produktion nun an einem anderen Standort zusammenführen wird“, sagt Sieks Bürgermeister Bitzer. Sollte es so kommen, sei das für die Gemeinde „äußerst bitter“. ATG zähle zu den langjährig in Siek ansässigen Unternehmen und sei ein sehr potenter Steuerzahler. Laut dem im Bundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschluss erzielte die Firma mit insgesamt 70 Mitarbeitern im Geschäftsjahr 2020 einen Umsatz von rund 19,5 Millionen Euro.

Investor hält Verlegung der Produktion ins Ausland für wahrscheinlich

„Wenn ATG Siek verlässt, wird uns das als Gemeinde aber auch nicht wirtschaftlich ruinieren“, beruhigt der Bürgermeister. Siek verdankt einen Großteil seines Wohlstands, der es ihr ermöglicht hat, teure Bauprojekte wie die Neubauten für Feuerwehr, Kita und Bauhof zu finanzieren, den Steuereinnahmen aus ihren Gewerbegebieten.

Auch für Investor Denis Browne ist klar, dass ATG Siek verlassen wird, „Die Frage ist nicht ob, sondern wann“, sagt er. Die derzeitige Lösung mit einer Aufteilung auf zwei Standorte sei auf Dauer untragbar, so habe das Unternehmen es ihm gegenüber kommuniziert. Browne hält es für wahrscheinlich, dass die Hübner-Gruppe mit Sitz in Kassel, zu der ATG inzwischen gehört, die Produktion an einen ihrer Standorte im Ausland verlegt, etwa nach China oder Ungarn.

Browne hält an seinen Plänen für Bau eines Transportmuseums fest

Möglich sei auch ein Umzug an den Hauptsitz der Gruppe in Kassel. Eine Zusammenlegung in Trittau hält der Unternehmer für unwahrscheinlich. „Dort sind Flächen der Größenordnung, die wir brauchen, derzeit nicht zu bekommen“, sagt er. Das Areal in Siek sei daher „der ideale Standort“ gewesen. Unabhängig davon möchte Browne an seinen Plänen zum Bau eines Transportmuseums festhalten. „Das ist ein lang gehegter Traum von mir, das sind zwei Paar Schuhe“, sagt der Investor. Das Museum wolle er weiterhin in der Nähe, an einer anderen Stelle in Stormarn, errichten.

Die Hübner-Gruppe, die letztlich über einen Umzug ihrer Tochter ATG entscheidet, hält sich indes noch bedeckt, welche Konsequenzen sie aus dem Bürgerentscheid zieht. „Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Ziel in unserer Unternehmensstrategie, dazu zählen möglichst umweltverträgliche Produktionsprozesse, aber vor allem auch ressourcenschonende Lösungen beim Transport der Produkte“, sagte Sprecher Claas Michaelis auf Anfrage. Das Unternehmen werde deshalb nun Alternativen prüfen, um die angestrebten Optimierungen erreichen zu können.