Ahrensburg. Mutter (78) und Tochter (55) aus Großhansdorf müssen sich wegen Tierquälerei verantworten. Vor Gericht holen sie zum Gegenschlag aus.
Es war ein Einsatz, der für Schlagzeilen sorgte: Im August 2019 retteten Polizei, Feuerwehr, Veterinäramt und Mitarbeiter mehrerer Tierheime 111 Katzen aus einem vollkommen verdreckten Wohnhaus in Großhansdorf. Viele Tiere waren krank und verwahrlost, einige mussten eingeschläfert werden.
Am Donnerstag standen die beiden Halterinnen, die 78 Jahre alte Hildegard C. (alle Namen geändert) und ihre Tochter Jessica (55) in Ahrensburg vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz vor (Az.: 792 Js 52729/20).
111 Katzen in Messie-Haus: Mutter und Tochter sollen Tiere gequält haben
„Durch die Haltungsbedingungen in dem Haus haben die Angeklagten den Tieren erhebliche Schmerzen und Leiden zugefügt“, sagte Staatsanwalt Martin Jochems. Die Ausführungen, die dann in der Anklageschrift folgen, malen ein Bild des Grauens. „Die Tiere wurden wiederholt tagelang eingesperrt, nicht ausreichend mit Nahrung versorgt“, heißt es. Das Haus sei ebenso wie die Katzen „durch Kot und Urin verunreinigt“ gewesen. „Bei Eintreffen der Einsatzkräfte wurden im Garten mehrere Kadaver aufgefunden“, so die Anklage weiter.
Laut Staatsanwaltschaft wurden bei den Tieren diverse schwere Erkrankungen festgestellt. Mehrere Tiere seien mangels Behandlung erblindet, eine Katze habe unter einer Gebärmutterentzündung gelitten, anderen seien die Zähne verfault und ausgefallen. Eine Katze habe wegen eines Tumors im Mund eingeschläfert werden müssen.
Zeuge von Zuständen in Messie-Haus erschüttert
Dieses Bild bekräftigte auch ein Mitarbeiter des Großhansdorfer Ordnungsamtes, der als Zeuge vor Gericht aussagte. „Auf das, was uns vor Ort erwartet hat, waren wir nicht vorbereitet“, sagte er. Den Zustand im Haus könne er nicht in Worte fassen. „Es hat bis in den Garten nach Fäkalien gestunken.“ Einige tote Katzen seien von Artgenossen angefressen worden. Wie lange die Tiere unter diesen Bedingen in dem Haus lebten, ist unklar. Möglicherweise waren es mehr als zehn Jahre.
„Die Angeklagten hatten Kenntnis von dem katastrophalen Zustand der Tiere und haben dennoch nichts unternommen“, so Staatsanwalt Jochems. Hildegard C. und ihre Tochter hätten die Leiden der Katzen wissend in Kauf genommen. Auch vor Gericht zeigten sich Mutter und Tochter ohne Einsicht. Im Gegenteil: Sie malten das Bild einer Verschwörung, die von den Behörden inszeniert worden sei, um ihnen ihre geliebten Tiere wegzunehmen. Beide Frauen sollen unter dem Messie-Syndrom leiden.
Halterinnen zeigen sich im Gerichtssaal uneinsichtig
„Wir lieben unsere Katzen“, stellte Jessica C. klar, als sie das Wort ergriff. Schnell wurde deutlich, wie stark die Wahrnehmung der Frauen von der Realität, die durch zahlreiche Gutachten und Fotos belegt ist, abweicht. „Die Katzen waren alle wohlgenährt und gepflegt, den Tieren ging es bei uns gut“, sagte die 55-Jährige und sprach von einem „innigen Verhältnis“, das zwischen ihr und den Vierbeinern bestanden habe. Um dem Ausdruck zu verleihen, schilderte C., wie sie täglich zum Supermarkt gefahren sei, um bis zu 80 Dosen Futter zu kaufen. „Ich hätte den Katzen nie etwas Böses angetan.“
Auch behauptete die 55-Jährige, nicht 111, sondern nur 43 Tiere im Haus ihrer Mutter gehalten zu haben. Den Einwand von Richter Ulf Thiele, dass auch diese Zahl deutlich zu groß für die Immobilie sei, deren Wohnfläche die Behörden mit etwa 235 Quadratmeter angeben, wies sie zurück. „Das war eine Katzengruppe, die sich gut verstanden hat. Wen sollte ich denn da weggeben?“, entgegnete die Frau mit dem von grauen Strähnen durchzogenen dunklen Haar, während sie mit den Tränen kämpfte.
Angeklagte unterstellt Behörden Willkür und Fingieren von Beweisen
Dann holte Jessica C. zum Gegenschlag aus, unterstellte, dass die Tiere die Erkrankungen und Verletzungen erst nach der Inobhutnahme in den Heimen erlitten hätten. „Die haben unser Haus aufgebrochen, das ist Behördenwillkür“, so die 55-Jährige. Die Einsatzkräfte hätten Einrichtungsgegenstände zerstört und Beweise fingiert, behauptete sie vehement.
Die Frauen waren auch vor das Verwaltungsgericht in Schleswig gezogen, um eine Aufhebung des gegen sie verhängten Tierhalteverbots und eines von der Gemeinde Großhansdorf erlassenen Wohnverbots für das Haus zu erwirken.
Außerdem forderten sie die Katzen zurück. Bis auf den Widerspruch gegen das Wohnverbot, wo eine Entscheidung noch aussteht, haben die Richter alle Klagen abgewiesen. Die Mutter schwieg während alldem. Erst später gab die zierliche alte Frau mit hellgrauer Hochsteckfrisur zu Protokoll, kurz vor dem Zugriff beabsichtigt zu haben, einen Teil der Tiere an Verwandte abzugeben. Ihre Rente reiche nicht für die Versorgung der Katzen. „Bisher habe ich das Futter aus einem Erbe finanziert, jetzt ist alles Geld weg“, so die 78-Jährige, die rund 1500 Euro in der Woche für die Vierbeiner ausgegeben haben will.
Frauen müssen Geldstrafe an Tierheim Großhansdorf zahlen
Frank Brinker, Leiter des Veterinäramtes Stormarn, sagte als Zeuge aus. Der Kreis hatte Strafanzeige gegen die Frauen gestellt. „Bei Tierrechtsverstößen ist das nicht die Regel“, sagte er. Die Behörde sei aber zu dem Ergebnis gekommen, dass dieser Fall „außergewöhnlich ist, was Intensität und Dauer des verursachten Tierleidens angeht“. Auch habe die Kreisverwaltung den Sozialpsychiatrischen Dienst eingeschaltet, die Frauen hätten Hilfe aber ausgeschlagen.
Trotz der Schwere der Vorwürfe endete das Verfahren ohne Urteil. Richter Thiele stellte es im Einvernehmen mit Angeklagten und Staatsanwaltschaft gegen eine Geldauflage ein, nachdem die Frauen versichert hatten, fortan „katzenfrei“ zu leben. Beide sollen je 300 Euro an das Großhansdorfer Tierheim zahlen.
Der Grund: Hildegard C. und ihre Tochter hätten den Katzen nicht mutwillig Leid zufügen wollen. „Sie haben schlicht nicht den richtigen Umgang mit den Tieren gefunden“, so Thiele. Bevor er die Verhandlung schloss, gab er den Frauen noch einen Rat mit auf den Weg: „Katzenliebe ist schön, aber es lässt sich auch mit einem Tier gut leben.“