Grosshansdorf. Nach Räumung des verdreckten Hauses stehen nun Mutter und Tochter vor Gericht. Großhansdorf will Teil des Erlöses aus dem Hausverkauf.
Als Polizei, Feuerwehr, Veterinäramt und Mitarbeiter mehrerer Tierheime im August 2019 anrückten, um 111 Katzen aus einem vollkommen verdreckten Wohnhaus in Großhansdorf zu retten, sorgte das nicht nur in der Waldgemeinde für Aufsehen. Am kommenden Donnerstag startet vor dem Amtsgericht Ahrensburg nun der Prozess gegen die beiden Halterinnen. Die Staatsanwaltschaft wirft der 78-Jährigen und ihrer 55 Jahre alten Tochter eine Straftat nach dem Tierschutzgesetz vor (Az.: 792 Js 52729/20).
Laut Anklage sollen die Frauen die Tiere „immer wieder eingesperrt, sie unzureichend versorgt und ihnen nicht die erforderliche tierärztliche Behandlung zukommen lassen haben“. Durch die Haltungsbedingungen sollen den Katzen „erhebliche Schmerzen und Leiden“ entstanden sein. Der Anklagevorwurf liest sich dabei wie eine fachjuristische Untertreibung der Zustände, die die Helfer in dem Haus vorfanden.
Tote Katzen auf dem Grundstück verscharrt
Gegenüber dem Abendblatt berichteten Einsatzkräfte von Abfall, der über das gesamte Grundstück an der Straßenecke Sieker Landstraße/Grenzeck verteilt gewesen sei, teilweise seien tote Katzen 20 Zentimeter im Boden verscharrt entdeckt worden.
„Das gesamte Gebäude war von Abfall und Fäkalien und sämtlich von durch undichte Stellen eintretendes Wasser und Katzenurin durchfeuchtet“, heißt es in einem Bericht der Amtstierärztin.
Frauen sollen unter Messie-Syndrom leiden
Im Keller habe die Feuerwehr der Raumluft wegen der hohen Konzentration von Ammoniakgasen künstlich Sauerstoff zuführen müssen, um ihn gefahrlos betreten zu können. Einigen Tieren fehlten Extremitäten, sie hätten offene Wunden gehabt. Im Tierheim wurden später bei zahlreichen Tieren Krankheiten und durch Vernachlässigung hervorgerufene Verhaltensstörungen festgestellt. Einem Vierbeiner musste ein Auge entfernt werden.
Die beiden Halterinnen sollen unter dem Messie-Syndrom leiden. Vor dem Zugriff des Veterinäramtes hatten Nachbarn sich mehrfach bei der Gemeinde über den Zustand des Grundstücks beschwert. Als sie immer wieder zahlreiche umherstreunende Katzen beobachteten, verständigten sie im August 2019 die Polizei, die Helfer mehrerer Tierheime um Unterstützung bat, um die Katzen einzufangen.
111 Messie-Katzen: Eine biss den Bürgermeister
Auch Großhansdorfs Bürgermeister Janhinnerk Voß packte an. Er wurde von einem der Tiere in die Hand gebissen und musste in einer Klinik ambulant behandelt werden. Die Katzen wurden von der Gemeinde in Obhut genommen und in Heimen untergebracht. Den Frauen wurde ein Tierhalteverbot auferlegt.
Der Bürgermeister erklärte das Haus zudem für unbewohnbar und verhängte ein Wohnverbot. Gegen beide Entscheidungen zogen die Halterinnen vor Gericht. Außer dem Strafprozess in Ahrensburg, in dem Mitarbeiter der Gemeinde Großhansdorf als Zeugen auftreten, sind sechs Verfahren vor dem Verwaltungsgericht in Schleswig anhängig.
Gemeinde fordert 130.000 Euro für Versorgung zurück
Die 78-Jährige und ihre Tochter fordern unter anderem die Rückgabe der Katzen und die Aufhebung des Tierhalte- und des Wohnverbots. In fünf der Verfahren wurde die Klage der Frauen inzwischen abgewiesen.
„Am 23. November gab es eine mündliche Verhandlung, an deren Ende das Verwaltungsgericht das Vorgehen der Gemeinde bezüglich der Einziehung der Katzen und des Tierhalteverbots für rechtmäßig befunden hat“, sagt Gabriele Hettwer, Chefin des Ordnungsamtes im Großhansdorfer Rathaus.
Die Klägerinnen seien nicht vor Gericht erschienen. „Eine schriftliche Urteilsbegründung steht noch aus“, sagt Hettwer. In dem sechsten Verfahren wegen des Wohnverbots gebe es noch keine Entscheidung des Gerichts.
111 Messi-Katzen: Urteil vielleicht schon am Donnerstag
„Die Verwaltung erhält immer wieder Anrufe besorgter Bürger, die Personen auf dem Grundstück beobachtet haben wollen“, sagt Bürgermeister Voß. Er sagt: „Bei dem Nutzungsverbot zu Wohnzwecken handelt es sich nicht um ein Betretungsverbot.“ Die Eigentümerinnen dürften weiter auf dem Grundstück zugegen sein, solange sie das Haus nicht bewohnten.
Die Gemeinde hofft, nach Abschluss sämtlicher Verfahren einen Teil der 130.000 Euro, die sie für die Unterbringung der Katzen in den Tierheimen gezahlt hat, von den Halterinnen zurückzubekommen. „Das Geld wollen wir uns wiederholen“, kündigte Voß damals an. Die Gemeinde habe Anspruch auf mindestens Zweidrittel der Summe. Ob die Frauen die Rechnung begleichen können, ist unklar. Im Raum steht nach wie vor eine Grundschuld. Dabei würde die Gemeinde am Erlös aus dem Verkauf der Immobilie der Frauen beteiligt.
Für den Strafprozess in Ahrensburg ist zunächst nur ein Verhandlungstag vorgesehen, am Donnerstag könnte also bereits das Urteil fallen. Drei Zeugen sollen aussagen. Laut Tierschutzgesetz droht den Frauen eine Geldstrafe oder bis zu drei Jahre Haft.