Viele Jahre suchten die Fahnder nach dem “Maskenmann“, der drei Jungen tötete und viele weitere missbrauchte. Nun sitzt er vor Gericht.

Stade. Schwarzgekleidet und mit Maske schlich er sich in Kinderzimmer oder Ferienlager, vergriff sich an den schlafenden Jungen und erwürgte seine Opfer. Wegen dreifachen Mordes und sexuellen Missbrauchs in 20 Fällen muss sich der geständige Pädagoge Martin N. seit Montag vor dem Landgericht Stade verantworten.

In Handschellen führten die Justizbeamten den Angeklagten in den Gerichtssaal. Sein Haar ist ergraut, er trägt einen dichten Bart. Regungslos folgt er der Anklageverlesung, blickt den Nebenklägern - den Familien der drei getöteten Jungen und einem Missbrauchsopfer - nicht in die Augen. Die Angehörigen der Jungen wirken im Gerichtssaal gefasst. „Da habe ich sehr lange drauf gewartet, viel zu lange“, sagt der Vater des 1995 getöteten Dennis R.

Der 40-Jährige habe heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen getötet, um andere Straftaten zu verdecken, sagt Staatsanwalt Johannes Kiers bei der Anklageverlesung. Ein vorläufiges Psychiater-Gutachten kommt nach Angaben eines Sprechers der Staatsanwaltschaft zu dem Ergebnis: Martin N. ist voll schuldfähig. Die Verteidigung will am nächsten Prozesstag am 26. Oktober eine Erklärung von Martin N. verlesen. Inwieweit er sich selbst zu den Verbrechen äußern wird, wollen seine Anwälte nicht sagen.

Der Verdächtige hatte kurz nach seiner Festnahme im April in Hamburg die drei Morde und rund 40 sexuelle Übergriffe zwischen 1992 und 2001 gestanden. Etwa die Hälfte der Missbrauchsfälle ist mittlerweile aber verjährt. Martin N. ist nun wegen 23 Straftaten angeklagt.

Bei den Verbrechen ging der gebürtige Bremer immer nach einem ähnlichen Muster vor. Getarnt mit einer dunklen Sturmhaube drang er in Häuser, Schullandheime oder Zeltlager ein, weckte einen Jungen und missbrauchte ihn – meist unbemerkt von Eltern, Lehrern und Betreuern. Als „Maskenmann“ oder „schwarzer Mann“ wurde er in den Medien bekannt.

1992 tötete Martin N. nach Erkenntnissen der Ermittler zum ersten Mal. Er drang in ein Internat im niedersächsischen Scheeßel ein und entführte den 13-jährigen Stefan J. „Noch auf dem Schulgelände fesselte er Stefan die Hände“, sagte Kiers. Im Auto verging er sich an dem Jungen und fuhr danach mit ihm auf einen Waldweg. „Dort erwürgte er Stefan mit den Händen.“

Sein zweites Opfer, den achtjährigen Dennis R., holte er der Anklage zufolge 1995 aus einem Zeltlager bei Schleswig in Schleswig-Holstein. Mehrere Tage verbrachte Martin N. mit ihm in einem Ferienhaus in Dänemark, dann tötete er den Jungen auf dieselbe Art.

2001 schlich sich er sich in ein Schullandheim bei Bremerhaven, hob den schlafenden Dennis K. aus einem Stockbett und fasste ihn im Aufenthaltsraum an. Doch der Junge wehrte sich und Martin N. erwürgte ihn. Die Leiche brachte er in einen Wald. „Dort legte er Dennis in ein Gebüsch und fuhr davon“, sagte Kiers.

Nach dem dritten Mord wurde der Polizei klar, dass sie es mit einem Serientäter zu tun hatte. Sie gründete eine Sonderkommission, die jahrelang tausende Spuren auswertete – erfolglos. Erst nach dem Hinweis eines früheren Missbrauchsopfers kamen die Fahnder dem inzwischen in Hamburg lebenden Verdächtigen auf die Schliche.

Kurz vor Beginn des Prozesses hatte der NDR über mögliche Ermittlungspannen der Polizei berichtet. Danach sollen die Fahnder in Bremen und Bremervörde Akten vernichtet haben, die noch nicht verjährt gewesen seien. Die Polizei Bremen will dem nun nach eigenen Angaben nachgehen.

Die Staatsanwaltschaft misst den möglicherweise fehlenden Akten keine große Bedeutung zu. „Für das heutige Verfahren ist das völlig unerheblich. Wir sind zuversichtlich, Martin N. die drei Morde und alle angeklagten Missbrauchsfälle nachweisen zu können“, sagte Behördensprecher Kai Thomas Breas. Die Anklage werde trotzdem prüfen, ob die Polizei die Aufbewahrungsfristen nicht eingehalten habe.

Bis Anfang Dezember hat die Kammer zehn weitere Verhandlungstage angesetzt. (dpa/abendblatt.de)