Berlin/Hamburg. Wer Flugbetrieb lahmlegt, soll spürbarer zur Rechenschaft gezogen werden, so die Forderung der IMK. Was noch beschlossen wurde.
Flughäfen sollen besser vor Eindringlingen geschützt werden. Und wer den Flugbetrieb lahmlegt, soll härter bestraft werden. Das sind nur zwei der Beschlüsse, mit der die Konferenz der deutschen Innenminister auf Pannen am Hamburger Helmut-Schmidt-Airport in den letzten Monaten reagiert.
Beschlossen hat die Sicherheitskonferenz in Berlin auch eine konsequentere Verfolgung und gegebenenfalls Abschiebung von antisemitischen Straftätern, einen härteren Umgang mit Hooligans sowie den „bundeseinheitlichen, standardisierten und priorisierten Ausbau von Videotechnik in Bahnhöfen und Zügen“. Mit dem letzten Votum reagieren die Innenminister der 16 Länder auf die Bluttat von Brokstedt im Januar. Die Beschlüsse im Einzelnen:
Thema Sicherheit der Flughäfen
Zwei Beispiele aus gerade einmal einem halben Jahr zeigen, wie leicht es ist, auf den Hamburger Airport einzudringen und den Flugbetrieb über Stunden lahmzulegen. Erst hatten Klima-Kleber im Juli – wie zuvor in Berlin und gleichzeitig Düsseldorf – mit Leichtigkeit den Zaun geknackt, Dutzende Starts und Landungen blockiert und mehr als 10.000 Fluggästen den Start in den Urlaub vermiest. Dann war im November ein Vater beim Versuch, seine Tochter in die Türkei zu entführen, mit dem Wagen ohne Probleme in den Sicherheitsbereich eingedrungen.
Beide Fälle legten gleich zwei Schwachstellen schonungslos offen: Eine Flasche Mineralwasser wird beim Einchecken zwar entdeckt und konfisziert, aber aufs Gelände kommt man ohne Schwierigkeiten. Die zweite Schwachstelle sind die strafrechtlichen Folgen. So werden Straftaten wie die der Klima-Kleber meist als Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung bewertet.
Die Innenminister fordern jetzt eine Verschärfung des Strafrahmens bei Blockaden kritischer Infrastruktur, um zu härteren Urteilen kommen zu können. „Das Eindringen auf ein Flughafengelände und eine Unterbrechung des Flugverkehrs müssen mehr sein als Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung“, kündigte Hamburgs Innensenator Andy Grote an. „Die Verantwortlichen von stundenlangen Blockaden und Unterbrechungen des Flugverkehrs müssen spürbarer als bisher zur Rechenschaft gezogen werden. Hier muss das Strafrecht nachgeschärft werden“, forderte der SPD-Politiker.
Darüber hinaus sollen die bundesweiten Sicherheitsstandards für Flughäfen verschärft werden, um Vorfälle wie den in Hamburg am 4. November künftig zu verhindern. An dem Sonnabend hatte ein Vater mit der von ihm entführten Tochter viele Stunden lang im Auto das Rollfeld blockiert. Als Konsequenz, das kündigte Grote am Freitag an, verstärke der Hamburger Flughafen über die geltenden gesetzlichen Bestimmungen hinaus die Einfahrtstore und baue die Videoüberwachung mittels Sensorik aus.
Thema Jüdisches Leben
Die Innenministerkonferenz hat bei ihrer Tagung in Berlin ein „Schutzversprechen“ abgegeben. So jedenfalls formulierte es Hamburgs Ressortchef Andy Grote. Das Schutzversprechen lautet, sicheres und sichtbares jüdisches Leben in Deutschland zu garantieren. Daraus folgt für die IMK: Straftaten im Netz müssen konsequent verfolgt, radikal-islamische Internetauftritte abgeschaltet und bei Bedarf weitere Vereine verboten werden. Grote kündigte zudem an, Gesetze und Strafrahmen bei Sympathiewerbung für Terrorgruppen zu prüfen und gegebenenfalls zu verschärfen. Auch sollten Einbürgerungen verhindert und Abschiebungen von Menschen mit „antisemitischer, rassistischer oder sonstiger menschenverachtender Einstellung“ vereinfacht werden.
„Das jüdische Leben in Deutschland steht unter dem besonderen Schutz des Staates. Das muss jeder akzeptieren, der hier leben will“, sagte Grote. Er kündigte ein „kompromissloses Vorgehen gegen islamistische Netzwerke und Strukturen an“. Seine schleswig-holsteinische Amtskollegin Sabine Sütterlin-Waack prangerte israelfeindliche, antisemitische und gewaltverherrlichende Hetze bei Demonstrationen an. „Parolen, die zur Vernichtung Israels und aller Jüdinnen und Juden aufrufen, Hass, Gewalt und Hetze gegen Jüdinnen und Juden dürfen keine Verbreitung finden“, kündigte die CDU-Politikerin konsequentes Einschreiten an.
Thema Konsequenzen aus Messerangriff in Brokstedt
Schon zum zweiten Mal in diesem Jahr beschäftigte sich die IMK mit Konsequenzen aus der Bluttat von Brokstedt, wo im Januar ein 33 Jahre alter Palästinenser in der Regionalbahn von Kiel nach Hamburg zwei junge Fahrgäste erstochen und vier weitere schwer verletzt und dabei zum Teil lebenslang entstellt hatte. Auf Antrag Schleswig-Holsteins wurde Bundesinnenministerin Nancy Faeser aufgefordert, ein bundesweit einheitliches Waffenverbot in Bussen, Bahnen und auf Bahnhöfen voranzubringen. Gleichzeitig fordert die IMK die Verkehrsbetriebe auf, Waffenverbote schon jetzt in ihre Geschäftsbedingungen aufzunehmen. So gilt in Hamburg seit einigen Wochen auch ohne bundeseinheitliche Regelung ein Waffenverbot am Hauptbahnhof. Auch Schleswig-Holstein prüft jetzt eigene Regelungen an „Bahnhöfen mit starker Frequentierung“, sagte Sütterlin-Waack.
Die IMK setzte sich am Freitag auch für einen „bundeseinheitlichen, standardisierten und priorisierten Ausbau von Videotechnik in Bahnhöfen und Zügen“ ein, so Sütterlin-Waack. Die CDU-Politikerin verspricht sich davon, polizeiliche Lagen besser beurteilen, Einsatzkräfte gezielter heranführen und Täter identifizieren zu können. Die IMK ist sich laut Sütterlin-Waack einig, dass im nächsten Schritt auch eine Livebildübertragung aus Zügen ermöglicht werden soll, um Gefahrensituationen in Echtzeit zu erkennen.
Thema Fußballkrawalle
Kaum ein Wochenende ohne Ausschreitungen in und vor Fußballstadien. Auch wenn das hochemotionale Derby zwischen dem HSV und dem FC St. Pauli friedlich blieb, ist klar: Viele Vereine zwischen Hamburg und München bekommen ihre gewalttätigen Fans nicht in den Griff. So attackierten Eintracht-Frankfurt-Fans Polizisten zuletzt mit Flaschen und Böllern, sodass vier Beamte ins Krankenhaus kamen. Beim Spiel des FC St. Pauli in Hannover im November prügelten sich Anhänger der Niedersachsen erst untereinander und danach mit Polizisten.
„Es ist unerträglich, dass Polizistinnen und Polizisten jedes Wochenende den Kopf hinhalten müssen, um Stadionbesucherinnen und -besucher zu schützen. Noch unerträglicher ist es, dass sie hierbei immer wieder zum Teil schwere Verletzungen davontragen und anschließend von manchem Beteiligten noch zum Teil des Problems erklärt werden“, sagte Grote.
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Die Innenminister setzen die Proficlubs jetzt unter Druck: Entweder die Vereine lösten das Problem und sorgten dafür, dass die bekannten Schläger Stadionverbot bekämen, oder „wir lösen das Problem“, fasste Grote den IMK-Beschluss zusammen. „Diese kleinen gewalttätigen Gruppen haben im Stadion nichts zu suchen“, sagt der Sozialdemokrat, ohne allerdings die nächsten Schritte zu konkretisieren.