Hamburg. Gruppe von Spezialisten hatte die ganze Zeit Kontakt zu dem Geiselnehmer. Wie die Gespräche auf dem Rollfeld abliefen.

Fast von Anfang hatte die Verhandlungsgruppe der Hamburger Polizei Kontakt zu dem 35 Jahre alten Geiselnehmer, der ganz Deutschland 18 Stunden lang in Atem gehalten hatte. Noch bevor die Beamten wussten, dass der 35 Jahre alte Salman E. mit seiner vier Jahre alten Tochter als Geisel mit einem Audi auf das Gelände des Flughafens gelangt war, hatte der Mann selbst den Notruf gewählt.

Um 20.13 Uhr am Sonnabendabend nahm die Einsatzzentrale den Anruf entgegen, in dem der Mann sagte, dass er bewaffnet sei, ein Kind bei sich habe und sich drei Bomben in seinem Fahrzeug befänden.

Geiseldrama Flughafen Hamburg: Salaman E. rief mehrfach selbst bei Polizei an

Vier Minuten später bemerkte eine Peterwagenbesatzung die durchbrochene Schranke auf dem Flughafengelände. Eine Minute danach wurde der Audi auf dem Vorfeld in der Nähe einer Maschine der Turkish Airlines entdeckt.

Die erste Zeit rief Salman E. mehrfach über sein Handy in der Einsatzzentrale an. Dadurch hatte die Polizei seine Handynummer, über die sich schon kurz danach die Verhandlungsgruppe bei ihm melden konnte.

„Die Verhandlungsgruppe ist eine Spezialeinheit, die anlassbezogen zusammentritt. Das passiert insbesondere bei Fällen schwerer Gewaltkriminalität, wie Geiselnahmen und erpresserischen Entführungen“, so Polizeisprecher Holger Vehren. Aber auch in anderen Situationen, bei denen das Verhalten eines Täters oder eines suizidgefährdeten Menschen durch Gespräche beeinflusst werden soll, stehen die Spezialisten zur Verfügung.

Flughafen Hamburg: Türkische Angestellte im Polizeidienst übersetzte Verhandlungen

Erpressung mit schwerwiegenden Drohungen, Ankündigung einer Selbsttötung, Widerstand gegen polizeiliche Maßnahmen, Bedrohung von Einsatzkräften oder anderen Personen, insbesondere mit Waffen und Sprengstoffen, können die Verhandlungsgruppe auf den Plan rufen.

Polizisten nahmen den 35 Jahre alten Geiselnehmer fest, nachdem er sich auf dem Flughafen Hamburg ergeben hatte.
Polizisten nahmen den 35 Jahre alten Geiselnehmer fest, nachdem er sich auf dem Flughafen Hamburg ergeben hatte. © Getty Images | Martin Ziemer

Eine besondere Rolle in dem Drama auf dem Hamburger Flughafen spielte eine türkische Angestellte im Polizeidienst (AiP). Sie gehört nicht zu den Spezialisten, sondern ist normalerweise für Aufgaben wie die Überwachung von Konsulaten und jüdischen Einrichtungen, das Schreiben von Knölchen oder zum Regeln des Verkehrs zuständig. Die Frau hatte sich wegen ihrer Sprachkenntnisse gemeldet, nachdem der türkische Geiselnehmer einen Dolmetscher verlangt hatte.

Polizei Hamburg: Verhandlungsgruppe mit Beamten verschiedener Abteilungen

Im Fall Salman E. ging es darum, die Situation einzuschätzen und den Mann dazu zu bringen, seine vier Jahre alte Tochter freizulassen und aufzugeben. So gab es in den 18 Stunden der Geiselnahme zahlreiche Gespräche. Sie wurden von der türkischen Polizeiangestellten geführt, die dabei von den Spezialisten der Verhandlungsgruppe angeleitet wurde, zu der neben Beamten verschiedener Abteilungen und mit entsprechender Spezialausbildung eine Kriminalpsychologin gehörte.

„Wir verfolgen bei der Zusammenstellung der Verhandlungsgruppe einen interdisziplinären Ansatz“, so Vehren. „Es können, je nach Bedarf, auch wissenschaftliche Mitarbeiter wie Psychologen oder Islamwissenschaftler der Verhandlungsgruppe angehören.“

Geiseldrama: Salman E. sei euphorisch gewesen, dann völlig niedergeschlagen

Das Problem bei Salman E.: Der Mann ist psychisch labil. So hatte es auch seine von ihm getrennt lebende Frau, die das alleinige Sorgerecht für die gemeinsame Tochter hat und aus deren Wohnung in Stade die Vierjährige gewaltsam entführt worden war, der Polizei mitgeteilt.

Und das bestätigte sich in den Telefongesprächen, die die Polizei mit dem 35-Jährigen führte. Mal sei er euphorisch gewesen, dann völlig niedergeschlagen. „Das ist nicht ungewöhnlich“, so ein Beamter. In so einem Fall befindet sich nahezu jeder Täter in einer Ausnahmesituation.“

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Doch das machte es für die Polizei schwierig. Denn es musste auch ins Kalkül gezogen werden, dass der Mann seine Tochter umbringt und sich anschließend selbst tötet oder dass er seine Tochter freilässt und Suizid begeht. Deswegen wurde auch ein Notzugriff durch Spezialeinsatzkräfte eingeplant, von denen neben dem Hamburger SEK auch entsprechende Einheiten aus anderen Bundesländern vor Ort waren.

Geiseldrama Flughafen Hamburg: Es kam immer wieder zu Verzögerungen

Doch selbst als sich abzeichnete, dass er das Kind freilassen und aufgeben wollte, kam es immer wieder zu Verzögerungen. „Mal sagte er, dass seine Tochter gerade schlafe, dann, dass er noch eine Stunde brauche oder dass er erst mit seinem Kind – er hatte tatsächlich Essen dabei – erst noch frühstücken wolle“, so ein Beamter.

Um 14.25 Uhr endete die Geiselnahme unblutig. Der Mann, gegen den am Montagnachmittag Haftbefehl erlassen wurde, hatte seine Tochter freigelassen. Nachdem sie von Polizisten in Sicherheit gebracht worden war, ließ sich Salman E. durch Spezialkräfte widerstandslos festnehmen.