Ein CDU-Mann, eine SPD-Frau oder gar ein Grüner? Fast 200.000 Kieler haben die Wahl. Sie bestimmen am Sonntag über den OB-Posten.

Kiel. Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt steht bei der Oberbürgermeisterwahl an diesem Sonntag vor einer Premiere: Noch nie wurde eine SPD-Frau auf diesen Posten gewählt, noch nie ein CDU-Mann und ein Grüner schon gar nicht. Nun will im traditionell „roten“ Kiel die Journalistin Susanne Gaschke für die SPD Verwaltungschefin werden. Schärfster Konkurrent ist Ex-Stadtkämmerer Gert Meyer von der CDU. Grünen-Landtagsfraktionsvize Andreas Tietze hofft auf eine Stichwahl-Chance am 11. November.

195.000 Wahlberechtigte entscheiden über den Nachfolger des jetzigen Ministerpräsidenten Torsten Albig (SPD), der mit seiner Wahl in den Landtag im Mai seinen OB-Posten aufgab. Die Einzelbewerber Matthias Cravan und Jan Barg sind chancenlos. Gaschke sei per se Favoritin, weil der SPD-Kandidat eben immer diese Rolle habe, sagt CDU-Bewerber Meyer. Er bringt als Ex-Stadtrat, langjähriges Mitglied der Ratsversammlung und Diplom-Betriebswirt beruflich ganz gute Voraussetzungen mit.

Dennoch wird es angesichts der politischen Großwetterlage schwer für den 41-Jährigen, den Überraschungserfolg von Angelika Volquartz zu wiederholen, die 2003 eine jahrzehntelange SPD-Phalanx durchbrochen hatte. Damals waren die politischen Rahmenbedingungen für die CDU aber günstiger als heute.

SPD-Kandidatin Gaschke wiederum war als Bewerberin in ihrer Partei umstritten. Die 45-Jährige setzte sich nur knapp gegen Landeswahlleiterin Manuela Söller-Winkler durch. Die Kritiker lasten der „Zeit“-Redakteurin Gaschke an, ihr fehlten Verwaltungs- und Führungserfahrung. Sie hält dagegen, die Führung der Stadt sei vor allem eine politische Aufgabe. „Ich rechne mir eine Chance aus, in die Stichwahl zu kommen“, sagt Grünen-Kandidat Tietze zu seinen Aussichten.

Auch wenn OB-Wahlen Entscheidungen über Personen sind, hat der Urnengang eine Bedeutung über Kiel hinaus. Ein halbes Jahr vor der Kommunalwahl gibt der Ausgang in der mit rund 245.000 Einwohnern größten Stadt des Landes auch einen Fingerzeig auf die politische Stimmung darüber hinaus. Für die SPD, die nach siebenjähriger Pause in Kiel wieder den Posten des Ministerpräsidenten übernahm, wäre eine Niederlage ein herber Rückschlag.

Die CDU hofft nach der enttäuschenden Landtagswahl händeringend, endlich mal wieder einen Wahlerfolg in einer großen Stadt zu erringen. Und die Grünen sehnen sich nach Erfolgen wie in Baden-Württemberg, wo sie nicht nur den Ministerpräsidenten, sondern in Freiburg und Tübingen auch Oberbürgermeister stellen.

Im Wahlkampf setzte SPD-Frau Gaschke auf persönliche Überzeugungskraft, warb für ein lebendiges und immer liebenswerteres Kiel. Meyer stellte sich als seriöser und fachkundiger Praktiker heraus, der sich auf das Machbare konzentriert.

Zwar kursieren einige Pläne, um die Innenstadt attraktiver zu machen, doch die klamme Stadtkasse zwingt zu Realismus: Nicht umsonst wurde dem Glockenspiel des Kieler Rathausturms der Text „Kiel hat kein Geld, das weiß die Welt“ angedichtet. Auf einem Schuldenberg von 400 Millionen Euro sitzt die Stadt, allein im laufenden Jahr beträgt das Defizit 90 Millionen. Selbst das Vorhaben, der Stadt an der Förde ein vernünftiges Schwimmbad zu bescheren, liegt auf Eis. Nur für unbedingt erforderliche Schulsanierungen und den Kita-Ausbau reichten die Investitionsmittel im wesentlichen.

Jetzt scheiden sich die Geister vor allem an Plänen für einige neue Wasserbecken in der Innenstadt („Kleiner Kiel-Kanal“) und für eine Stadt-Regional-Bahn unter Einbeziehung der Nachbarkreise. Grünen-Kandidat Tietze brennt für das Projekt, das einige hundert Millionen Euro kosten und ganz überwiegend von Bund und Land finanziert würde. Gaschke ist aus Kostengründen reservierter – die Stadt müsste für den Betrieb rund fünf Millionen Euro jährlich aufbringen – und will die Bürger entscheiden lassen. Klar festgelegt hat sich CDU-Mann Meyer: „Wir können die Bahn schlicht nicht finanzieren“.