Im „roten“ Kiel will Quereinsteigerin Gaschke die Oberbürgermeisterwahl für die SPD gewinnen. Sogar Altkanzler Helmut Kohl traut ihr das zu.

Kiel. Als Seiteneinsteigerin will die Journalistin Susanne Gaschke den Oberbürgermeister-Posten in Kiel für die SPD verteidigen. „Das ist das Spannendste, was ich je gemacht habe“, sagte die 45-Jährige. Ihre Chancen seien gut. Kiel sei strukturell eine sozialdemokratische Stadt. „Ich kann mir auch gut vorstellen, dass wir es im ersten Wahlgang hinbekommen können.“ Härtester Konkurrent bei der Wahl am Sonntag nächster Woche ist wahrscheinlich CDU-Kandidat Gert Meyer; die Grünen schicken Landtagsfraktionsvize Andreas Tietze ins Rennen.

Dass sie nicht die Wunschkandidatin von Teilen der SPD-Spitze war, brachte Gaschke nicht davon ab, zu kandidieren. Die Partei habe sich nach ihrem knappen Sieg im Kampf um die SPD-Kandidatur auch nur kurz geschüttelt – und ihr dann massiv den Rücken gestärkt. „Ich bekomme eine erstklassige materielle Unterstützung vom Landesverband“, lobte Gaschke. Ministerpräsident Torsten Albig helfe ihr super im Wahlkampf. „Alle Vorbehalte haben sich verflüchtigt.“

Stolz ist die „Zeit“-Redakteurin darauf, was der Herausgeber und Altkanzler Helmut Schmidt ihr ins Kandidatenrennen mitgab: „Die „Zeit“ verliert eine tüchtige Mitarbeiterin, aber Kiel gewinnt eine fähige Oberbürgermeisterin!“ Gaschke sieht den Posten sehr politisch. „Wenn es darum geht, wie man ein neues Gaskraftwerk finanziert, ist das doch eine politische Frage und hat mit Bürokratie nichts zu tun.“ Hintergrund ist die Kritik, sie habe keine Verwaltungs- und Führungserfahrung. Sie verlasse sich auf die Professionalität und die Loyalität der Mitarbeiter im Kieler Rathaus, betonte Gaschke.

Rund 100 Wahlkampftermine wird sie bis zur Wahl absolviert haben - von der Kita über Betriebe, Stadtteilfeste, Kulturstätten und Vereine bis hin zu Besuchen bei der türkischen und jüdischen Gemeinde reicht das Spektrum. Wichtige Erkenntnisse? „Zugezogene loben die Stadt oft viel offensiver als Ur-Kieler“. Als drängendste Themen sieht Gaschke den Wohnungsbau, die Sanierung von Schulen und Sportanlagen sowie die Verhinderung sozialer Spaltung. Kiel soll bis 2025 um 10.000 Einwohner wachsen. Besonders für Studenten müssten mehr Wohnungen her. „Nur 6 Prozent haben in Kiel einen Wohnheimplatz, bundesweit sind es 12 Prozent.“

Die Entscheidung über den Bau einer Stadt-Regional-Bahn will Gaschke den Bürgern überlassen. Sie sieht Handlungsbedarf beim Öffentlichen Nahverkehr, aber auch Finanzierungsprobleme. Ein großer Erfolg wäre es für sie, wenn auf dem Gelände des nach Niedersachsen abgezogenen Marinefliegergeschwaders ein neuer Stadtteil entstünde, der Industrie und Gewerbe mit bezahlbaren Mietwohnungen verbindet. Zudem möchte sie mehr Migrantinnen und Migranten in die Verwaltung holen und dort mehr Frauen in Führungspositionen sehen.