Das schleswig-holsteinische Netzwerk “Bauernhöfe statt Agrarfabriken“ kämpft gegen die Entstehung von immer größeren, neuen Tierfabriken.

Kiel. Die Einwände gegen Massentierhaltung sind lang: Qual-Zucht, Antibiotika, belastete Gewässer und Böden. Doch wegen des scharfen Wettbewerbs entstehen immer mehr neue, noch größere Tierfabriken. Dagegen kämpft das jetzt gegründete schleswig-holsteinische Netzwerk „Bauernhöfe statt Agrarfabriken“. Es drohe eine Welle noch größerer Stall-Neubauten für die nicht artgerechte Tiermast besonders von Hühnern und Schweinen, warnten Vertreter des Netzwerkes am Dienstag in Kiel. Viele Landwirte stünden vor der Frage, aufzugeben oder dem Trend zu immer größeren Tierbeständen zu folgen.

Dem Netzwerk gehören nach eigenen Angaben 19 Bürgerinitiativen, Naturschutz- und Tierschutzverbände an. Es sei bundesweit das erste Mal, dass sich in einem Bundesland Initiativen in einem solchen Netzwerk zusammenschließen. „ProVieh – Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung“ plant an diesem Mittwoch vor dem Landtag in Kiel eine „Performance“, kündigte Geschäftsführer Stefan Johnigk an. Anlass ist eine Parlamentsdebatte über den umstrittenen Einsatz von Antibiotika in der Tiermast.

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„Immer häufiger führen neue Stallbauten und Erweiterungen bestehender Anlagen zu Konflikten mit den Betroffenen vor Ort sowie mit dem Tier- und Naturschutz“, sagte BUND-Landesgeschäftsführerin Ina Walenda. Eine nicht artgerechte industrielle Tierhaltung führe zu Qual-Zucht, Verstümmelung und Krankheit von Nutztieren. „Zudem werden Gewässer und andere Lebensräume sowie unsere Luft belastet.“ Die Artenvielfalt nehme drastisch ab. Produziert werde zunehmend für den Export, die Umweltbelastungen jedoch blieben in Schleswig-Holstein. „Die Grenzen der Belastbarkeit für Bürger, Umwelt und Natur sind längst überschritten“, sagte Walenda.

Die Fixierung auf den Fleischexport sei „ein Spiel mit dem Feuer“, warnte Johnigk. Denn um international wettbewerbsfähig zu sein, müssten Tierfabriken in Deutschland mit niedrigen Umweltstandards etwa in Brasilien, Niedriglöhnen in China oder dem völlig unzureichenden Tierschutz in Russland konkurrieren. „Wie soll das gehen?“ Als Ziel müsse die Selbstversorgung in Deutschland ausreichen, darüber hinausgehende Kapazitäten seien nicht vertretbar.

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Als ein düsteres Negativ-Beispiel nannte Johnigk Europas größten Geflügel-Schlachthof im niedersächsischen Wietze. Der im vergangenen September trotz massiver Proteste eröffnete Betrieb kann fast 2,5 Millionen Hähnchen in der Woche verarbeiten. Um die Kapazitäten auszulasten, suche der Betreiber Hunderte Bauern für die Hühnermast. Ställe mit je 40 000 Hähnchen seien vorgesehen. Da in Niedersachsen sich zu wenig Landwirte hierfür fänden, würden Bauern auch in Schleswig-Holstein direkt angesprochen. Sogar Mastbetriebe aus Dänemark lieferten an den Schlachthof in Wietze, sagte Johnigk.

In der Schweinemast droht nach seinen Angaben ebenfalls ein Ausbau noch größerer Mastbetriebe. Denn nach zehnjähriger Übergangszeit gelte ab dem 1. Januar 2013 die Gruppenhaltung in Ferkel-Zuchtbetrieben. Das erfordere neue Stallungen. Viele Betriebe könnten dies nicht leisten und müssten aufgeben. Großbetriebe würden deshalb wahrscheinlich noch expandieren, meinte Johnigk.

Sven Koschinski von der Bürgerinitiative „Uns Bürgern stinkt’s“ gegen neue Massentierhaltung in Stocksee, Dersau und Nehmten berichtete über wachsenden Unmut bei der schleswig-holsteinischen Landbevölkerung. Geruchsbelästigungen durch Gülle seien dabei nur ein Problem. Laut Wanda sind Gewässer und das Grundwasser mit Nitrat belastet, die Wasserwerte Schleswig-Holsteins seien im Bundesvergleich mäßig. „Tourismus und Massentierhaltung passen nicht zusammen“, sagte Koschinski.

(dpa/abendblatt.de)