Lüneburger demonstrieren am Sonnabend gegen Massentierhaltung bei Grüner Woche in Berlin. Kampf gegen Schweinezucht in Handorf.
Lüneburg. "Wir haben es gründlich satt", werden rund 100 Frauen und Männer aus der Region Lüneburg am Sonnabend bei der Internationalen Grünen Woche in Berlin kundtun. Bei der weltgrößten Messe für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau wollen sie für die bäuerliche Landwirtschaft und gesunde Lebensmittel demonstrieren. "Die Verantwortung für gesunde Lebensmittel nehmen die bäuerlichen Landwirte viel eher und direkter wahr, sie vermarkten oft direkt und werden auch direkt zur Verantwortung gezogen. Im Gegensatz dazu stehen die in großindustrieller Produktion hergestellten Lebensmittel, für die niemand haften will, wenn es schief geht", heißt es im Aufruf des Regionalverbandes Elbe-Heide im Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), der die Fahrt nach Berlin organisiert.
Bernhard Stilke aus Wittorf ist Vorstandsmitglied des Regionalverbandes und Vorsitzender der Grünen-Kreistagsfraktion. Auch er fährt mit, um zu demonstrieren. Er sagt, die Massentierhaltung im Landkreis Lüneburg sei zwar nicht so gravierend wie andernorts in Niedersachsen, doch es sei dennoch Vorsicht geboten. "Bislang konnten Ställe in entsprechenden Größenordnungen bei uns verhindert werden", sagt Stilke. Beispiele dafür seien eine Putenmast in Neetze und eine Hähnchenaufzucht in Nutzfelde bei Scharnebeck, die jeweils mit mehreren Tausend Tieren geplant waren.
+++ Massen gegen Massentierhaltung +++
Aber die Gefahr ist groß, dass die Massentierhaltung in überdimensionierten Ställen im Kreis doch noch Einzug hält. Wie berichtet, kämpfen Bürger und Kommunalpolitiker in Handorf gemeinsam gegen den Bau einer Schweinezucht mit 7500 Tieren. "Trotz allen Widerstands steht es in Handorf auf Messers Schneide. Und auch die Folgen des Großschlachthofes für Hähnchen in Wietze im Kreis Celle könnten bei uns eines Tages zu spüren sein, weil 30 Millionen Masthähnchen benötigt werden", sagt Stilke. Für ihn sind 1000 Tiere pro Stall die Grenze. "Wir müssen bei jedem Kauf einer größeren landwirtschaftlichen Fläche aufmerksam sein und kontrollieren, was sich dahinter verbirgt."
Denn immer häufiger stünden hinter den großen Projekten keine Landwirte mehr, sondern Kapitalgesellschaften und Hedgefonds. "Diese Erfahrung haben wir schon in Amt Neuhaus gemacht", sagt Stilke.
Das Bund-Vorstandsmitglied nimmt bei seiner Kritik die Pläne der Landwirtschaftskammer Hannover zum Ausbau des Landwirtschaftlichen Bildungszentrum Echem aus. "Es ist eine Ausbildungsstätte, in der verschiedene Haltungsmethoden demonstriert werden. Daher werden an 365 Tagen im Jahr Ferkel benötigt." Eigentlich seien es zehn kleine Ställe, in denen 2300 Schweine gehalten werden sollen. "Trotzdem versuchen wir als Grüne, die Zahl weiter zu reduzieren und die der ökologisch gehaltenen Schweine zu erhöhen." Zurzeit ist geplant, rund 200 Schweine ökologisch zu halten.
Eine aktuelle Statistik der Landwirtschaftskammer sagt aus, dass immer weniger Schweine in kleinen Beständen gehalten werden. Nur noch acht Prozent der niedersächsischen Schweine standen 2010 in Beständen mit bis zu 400 Tieren und bereits 68 Prozent in Beständen von mehr als 1000 mit durchschnittlich 1911 Tieren.
+++ Verseuchtes Hähnchenfleisch: Die Hälfte aller Proben war belastet +++
"Diese Entwicklung vollzieht sich vor dem Hintergrund, dass die Schweinepreise bei einem ganz erheblichen Auf und Ab schon über Jahrzehnte hinweg nicht mehr dauerhaft gestiegen sind und die demgegenüber permanente Verteuerung der Erzeugung die Gewinnmargen schrumpfen lässt", analysiert die Landwirtschaftskammer.
So erkläre sich, dass die Schweinehaltung stark zunehmend zu einer Domäne sehr spezialisierter Betriebe werde, die aufgrund ihres wirtschaftlichen Könnens und Nutzung des biologischen sowie technischen Fortschritts in der Lage seien, große Bestände unter ständiger Kostendämpfung auch bei sinkenden Preisen zu halten.
Experten glauben, dass der Trend zur Verlagerung der Schweinehaltung in große Bestände sich fortsetzen wird. "Der Schweinehaltung in den heute noch etwa zur Hälfte beteiligten kleinen Beständen ist dabei kaum eine Zukunft beschieden, allenfalls im Nebenerwerb, neben anderen erfolgreich geführten Betriebszweigen oder in Marktnischen wie dem ökologischen Landbau."
Stilke hingegen meint, der Fleischmarkt sei gesättigt. "Der Trend muss zur bäuerlichen Landwirtschaft gehen. Wir können diese fördern, indem wir Anreize für die Direktvermarktung schaffen." Dazu zählt er auch die Förderung kleiner Landschlachtereien, die ein wichtiges Glied dabei sind. "Weil es Lieferengpässe gibt, kommt es beim Kauf von Öko-Fleisch zu Wartelisten."
+++ Stall oder Nicht-Stall: Massentierhaltung spaltet Dorf +++
Die Vorteile, die Schraube zurückzudrehen, liegen für Stilke auf der Hand: Gesunde Tiere sind die Grundlage für gesunde Lebensmittel. "Denn ohne den Einsatz von Antibiotika können keine kranken Tiere mehr behandelt werden, weil sie in den riesigen Beständen nicht mehr lokalisiert werden können." Das gilt für sämtliche Tierarten, die Fleisch liefern: Hühner, Puten, Schweine und Rinder. Zumal das Problem der Antibiotikums-Resistenz, bei dem Bakterien oder Viren gegen mehrere verschiedene Antibiotika unempfindlich sind, größer wird. "Auch im Lüneburger Klinikum sind schon multiresistente Keime aufgetaucht." Eine Arbeitsgruppe aus Klinikärzten und Experten des Kreisgesundheitsamtes versuchen Stilke zufolge, wirksame Gegenmaßnahmen zu entwickeln.
Daher fordert Stilke, dass in einem künftigen Landwirtschaftlichen Bildungszentrum in Echem der Antibiotika-Einsatz maximal bei 50 Prozent des Durchschnitts in Deutschland liegen darf. "In den Ställen müssen Krankenbuchten für Tiere eingerichtet werden, in denen sie behandelt werden können."
Das aber wirkungsvollste Instrument für mehr Tier- und Klimaschutz, gesunde Lebensmittel und Menschen ist der Fleischverzicht, sagt Stilke. Das hieße nicht, dass jeder Mensch gleich zum Vegetarier werden solle. "Aber wir sollten uns bewusst machen, dass Fleisch etwas Besonderes ist, das nicht jeden Tag auf dem Teller landen muss." Um für dieses Konsumverhalten zu werben, gibt es nach Ansicht der Umweltschützer keinen besseren Ort als die Grüne Woche, der weltgrößten Messe für Ernährung.