Vier Proben aus Supermärkten wiesen die gefährlichen Keime auf, die durch die Verabreichung von Antibiotika in der Tiermast entstehen.

Hamburg/Berlin. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) warnt vor keimbelastetem Hähnchenfleisch in Hamburger Supermärkten. In zehn von 20 untersuchten Proben in mehreren deutschen Städten seien Keime entdeckt worden, die durch die systematische Verabreichung von Antibiotika in Tiermastbetrieben entstehen. Zwei Hähnchenfleischproben in Hamburg enthielten sogenannte MRSA-Keime, zwei weitere wiesen ESBL-Keime auf. Bei anfälligen Menschen können diese antibiotikaresistenten Keime laut BUND zu schweren Erkrankungen und Todesfällen führen. Sie seien deshalb so gefährlich, weil sie die in der Humanmedizin verabreichten Antibiotika wirkungslos machen können.

In Hamburg seien Fleischproben der Marken "Sprehe" und "Stolle" betroffen, die bei den Supermarktketten von Rewe und Netto verkauft wurden. Der BUND testete weitere Fleischproben in Supermärkten und Discountern in Berlin, Köln, Nürnberg und in der Region um Stuttgart.

"Jede zweite Hähnchenfleisch-Probe aus deutschen Supermärkten ist mit antibiotikaresistenten Keimen belastet. Das ist die erschreckende Folge des fortgesetzten Antibiotika-Missbrauchs. Dieser ist nicht nur dafür verantwortlich, dass wichtige Medikamente ihre lebensrettende Wirkung verlieren können. Das Ausmaß der Kontamination von Lebensmitteln mit Krankenhauskeimen ist ein deutliches Warnsignal vor den Kollateralschäden der industriellen Tierhaltung", sagte BUND-Vorsitzender Hubert Weiger.

Eine immer größere Zahl von Nutztieren auf zu wenig Platz zu halten, sei nur unter Einsatz großer Mengen von Antibiotika möglich. "Bundesagrarministerin Ilse Aigner muss handeln. Die industrielle Tierhaltung muss endlich zurückgedrängt werden“, sagte Weiger. Subventionen für die industrielle Fleischerzeugung müssten abgeschafft und die Haltungsbedingungen für Nutztiere entscheidend verbessert werden. Die Bundesregierung müsse, wie zum Beispiel die Niederlande und Dänemark, verbindliche Pläne zur Reduzierung des Antibiotika-Einsatzes aufstellen.

Außerdem fordert der BUND Handelsketten und Supermärkte auf, mit Keimen belastetes Hähnchenfleisch aus den Regalen zu verbannen. Sie sollten von ihren Fleischlieferanten verlangen, zu Tierhaltungsformen ohne Antibiotika-Missbrauch zu wechseln.

BUND-Agrarexpertin Reinhild Benning fordert von Bundesagrarministerin Aigner, umfassende Daten über die Keim-Belastung von Lebensmitteln zu erheben und offenzulegen. "Hähnchen, Hühner, Schweine und Kälber leiden millionenfach unter inakzeptablen Haltungsbedingungen und erkranken daran. Bekämen sie keine Antibiotika verabreicht, würden sie in vielen Fällen nicht bis zum Schlachten durchhalten. Selbst gesunde Tiere bekommen die Antibiotika, weil in der industriellen Tierhaltung in der Regel ganze Tierbestände damit behandelt werden", sagte Benning.

Die gesamte Analyse des BUND zu antibiotikaresistenten Keimen in Hähnchenfleisch finden Sie unter www.bund.net/antibiotika-resistenzen. Unter bund.net/das-haben-wir-satt können Verbraucher Handelsketten dazu aufrufen, belastetes Fleisch aus den Regalen zu nehmen.