Kreis Pinneberg/Kiel. Weniger Geld, weniger Nahverkehr: Nach massiven Protesten legt das Ministerium in Kiel seine Kürzungspläne beim Schienenverkehr vor.
Die Funkstille ist vorbei: Nachdem die Proteste aus dem Kreis Pinneberg und anderen Landesteilen Schleswig-Holsteins wegen der durchgesickerten Ausdünnungspläne im Nahverkehr bereits groß waren, hat sich nun das verantwortliche Verkehrsministerium in Kiel zu seinen Kürzungsabsichten erklärt. Und nicht nur das: Zudem veröffentliche das Haus von Minister Claus Ruhe Madsen eine Streichliste mit allen betroffenen Linien.
Bekanntlich sollen im Hamburger Umland sowohl die AKN als auch die S-Bahn deutlich weniger fahren, im ganzen Land werden überdies Zugverbindungen gekappt. Dagegen liefen etwa im Kreis Pinneberg Bürgermeister und Gemeinden öffentlich Sturm. Auch Protestschreiben blieben zum Unmut der betroffenen Städte unbeantwortet. Damit ist nun Schluss. Das Land Schleswig-Holstein nahm zu seinen Plänen Stellung.
HVV: Kürzungen bei S-Bahn, AKN und Regionalzügen - die Streichpläne des Landes
Demnach seien „ausbleibende Mittel des Bundes“ dafür verantwortlich, dass in den kommenden Jahren die bisherigen Leistungen im schleswig-holsteinischen Schienenpersonen-Nahverkehr nicht überall vollständig aufrechterhalten werden können, so das Ministerium. Wie Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen mit NAH.SH-Chef Arne Beck in Kiel erläuterte, sei zwar der ÖPNV-Finanzierungsbeitrag des Landes seit 2022 von 66 auf aktuell 275 Millionen Euro gestiegen. Bis zum Jahr 2032 würden aber voraussichtlich allein 570 Millionen Euro an so genannten Regionalisierungsmitteln fehlen.
Die Streichliste im Regionalverkehr
Die geplanten Abbestellungen ab Mitte Dezember 2024
S-Bahn
S 3 – Elbgaustraße-Pinneberg: Reduzierung von einem 10-Minuten-Takt auf einen 20-Minuten-Takt in der Nebenverkehrszeit (samstags 15 bis 22 Uhr und sonntags 8 bis 20 Uhr). Außerdem war bereits eine Rücknahme der 2022 hinzu bestellten Taktverdichtung montags bis freitags zwischen 20 bis 23 Uhr angekündigt. Aufgrund unzureichender Wendekapazitäten kann dies zum Fahrplanwechsel im Dezember nicht umgesetzt werden. Im Ergebnis entfällt montags bis freitags kurz nach 22 Uhr ein Zug je Richtung. Damit bleibt der 10-Minuten-Takt montags bis freitags bis 22 Uhr bestehen.
RB 81 – Ahrensburg-Bad Oldesloe: Streichung von je einem Zug pro Richtung im Nachtverkehr an Wochenenden
(Bad Oldesloe Abfahrt 03:35 Uhr, Hamburg Abfahrt 02:41 Uhr)
Netz Mitte Los B
RB 61 – Pinneberg-Itzehoe: Streichung von je einem Zug pro Richtung im Nachtverkehr an Wochenenden
(Pinneberg Abfahrt 03:06 Uhr, Itzehoe Abfahrt 03:11 Uhr)
Netz Süd AKN
A 1 – Eidelstedt-Ulzburg-Süd: Montags bis freitags ab ca. 22 Uhr besteht künftig ein 30-Minuten-Takt anstatt eines 20-Minuten-Taktes. Samstags wird ein 30-Minuten-Takt anstatt eines 20-Minuten-Taktes gefahren.
A 2 – Norderstedt Mitte-Kaltenkirchen: Montags bis freitags ab ca. 22 Uhr wird ein 30-Minuten-Takt anstatt eines 20-Minuten-Taktes gefahren. Samstags besteht künftig ein 30-Minuten-Takt anstatt eines 20-Minuten-Taktes.
A 2 – Kaltenkirchen-dodenhof:
Entfall der zusätzlichen Fahrten am Samstag zwischen Kaltenkirchen und dodenhof. Es verbleibt ein stündliches Angebot.
Netz Mitte
RE 7 – Hamburg-Kiel: Streichung von je einem Zug pro Richtung im Nachtverkehr an Wochenenden
(Kiel Abfahrt 03:05 Uhr, Hamburg Abfahrt 03:43 Uhr)
Netz West
RE 60 – Hamburg-Niebüll: Von den zwei zusätzlich zum stündlichen Grundtakt verkehrenden Sprinterzügen am Wochenende in der Saison entfällt ein Zug je Richtung zwischen Hamburg und Niebüll
(Sommerfahrplan Hamburg Abfahrt 07:29 Uhr;
Frühlings- und Herbstfahrplan Hamburg Abfahrt 08:30 Uhr;
Frühlings- und Herbstfahrplan samstags Westerland Abfahrt 17:50 Uhr;
Frühlings- und Herbstfahrplan sonntags Abfahrt 16:50 Uhr;
Sommerfahrplan sonntags Westerland Abfahrt 17:50 Uhr;
Sommerfahrplan samstags Westerland Abfahrt 18:50 Uhr)
RE 6 – Niebüll-Westerland: Streichung einiger Züge des Halbstundentaktes werktags vormittags
(Frühlings-, Sommer- und Herbstfahrplan: Westerland Abfahrt 07:50, Niebüll Abfahrt 09:30 Uhr; Sommerfahrplan Westerland Abfahrt 08:50 Uhr, Niebüll Abfahrt 10:30 Uhr;
Frühlings- und Herbstfahrplan Abfahrt 09:50 Uhr)
E-Netz Ost
RB 85 – Lübeck-Neustadt: Streichung von je einem Zug pro Richtung im Nachtverkehr an Wochenenden.
(Lübeck Abfahrt 03:12 Uhr, Neustadt Abfahrt 04:15 Uhr)
RE 8 – Hamburg-Lübeck: Streichung von je einem Zug pro Richtung im Nachtverkehr an Wochenenden
(Lübeck Abfahrt 03:09 Uhr, Hamburg Abfahrt 03:06 Uhr)
RE 86 – Lübeck-Lübeck-Travemünde-Strand: Streichung von je vier Zügen pro Richtung werktags, die bisher den Stundentakt zum Halbstundentakt ergänzen, aber nicht alle Stationen bedienen können. Der Halbstundentakt an Wochenenden in der Saison bleibt unverändert bestehen
(Lübeck Abfahrt 06:37, 16:37, 17:37, 18:37 Uhr,
Lübeck-Travemünde Strand Abfahrt 07:03, 17:03, 18:03, 19:03 Uhr)
Akkunetz Ost
RE 83 / RB 84 – Lübeck-Kiel: Konkrete Maßnahmen werden Gegenstand von Gesprächen zwischen erixx und NAH.SH werden.
Akkunetz Nord
RB 64 – Husum-Bad St. Peter-Ording: Streichung der beiden letzten Zugverbindungen pro Richtung am Abend
(Husum Abfahrt 23:43 Uhr und Abfahrt 0:49 Uhr; Bad St. Peter-Ording Abfahrt 00:40 Uhr und Abfahrt 01:44 Uhr)
RB 75 – Kiel-Rendsburg: Streichung von je einem Zug pro Richtung im Nachtverkehr an Wochenenden
(Kiel Abfahrt 00:25 Uhr, Rendsburg Abfahrt 01:53 Uhr)
Akkunetz Ost-West
RB 82 – Neumünster-Bad Oldesloe: Streichung von je zwei Zügen pro Richtung am Tagesrand
(Neumünster täglich Abfahrt 00:37 Uhr, werktags Abfahrt 03:39 Uhr, samstags Abfahrt 04:37 Uhr, sonntags Abfahrt 05:37 Uhr,
Bad Oldesloe täglich Abfahrt 01:37 Uhr, werktags Abfahrt 04:37 Uhr, samstags Abfahrt 05:37 Uhr, sonntags Abfahrt 06:37 Uhr)
RB 63 – Heide-Büsum: Streichung von je einem Zug pro Richtung (Heide Abfahrt 00:18 Uhr, Büsum Abfahrt 00:48 Uhr)
Niebüll-Dagebüll
RB 65: Konkrete Maßnahmen werden Gegenstand von Gesprächen zwischen neg und NAH.SH werden.
„Wir haben uns in der Landesregierung darauf verständigt, einen Teil des Fehlbetrags durch die Abbestellung von Verkehr abzufedern“, so Madsen. Ziel sei aber, die Lücke in den nächsten Jahren unter anderem durch die Nutzung des Sondervermögens MOIN.SH zu schließen. „Zudem wollen wir die Finanzplanung aktualisieren – unter anderem entsprechend der Verkehrsverträge“, sagte Madsen weiter.
Madsen zur Ausdünnung im Nahverkehr: Das ist die „schmerzhafte Konzequenz“
Als „schmerzhafte erste Konsequenz“ aus dem fehlenden Aufwuchs der Regionalisierungsmittel, mit denen der Bund laut Grundgesetz den ÖPNV mitfinanzieren müsse, habe das Land bereits angekündigt, die Fahrpläne der S-Bahn S 3 im Kreis Pinneberg und zweier AKN-Linien in Randzeiten und am Wochenende auszudünnen.
„Um die Einsparziele vollständig zu erreichen, ist neben der Einsparung von Verwaltungskosten ab 2025 die Abbestellung von Verkehrsleistungen in Höhe von rund sechs Millionen Euro jährlich unumgänglich“, sagte Madsen nun. Das entspreche 1,5 Prozent der in diesem Jahr bestellten Verkehrsleistungen.
Ziel: Auswirkungen auf Pendlerinnen und Pendler so gering wie möglich halten
Leitlinie bei der Zusammenstellung der umfangreichen Streich-Maßnahmen sei gewesen, die Auswirkungen auf Pendlerinnen und Pendler so gering wie möglich zu halten. „Das bedeutet landesweit kleinere Einschnitte, sodass im Ergebnis in jeder Region einige Züge wegfallen“, sagte Madsen.
Betroffen seien demnach vor allem Verbindungen am Tagesrand und am Wochenende und nur im Einzelfall auch Züge zur Hauptverkehrszeit. „Ergebnis unserer Abwägung war, dass wir als Land weiterhin ein sehr gutes Zugangebot jeweils bis mindestens Mitternacht aufrechterhalten werden.“ Mit der Liste der Maßnahmen werde die NAH.SH nun auf die Eisenbahn-Unternehmen und die Regionen zugehen.
Nah.SH-Chef: „Lasten und Härten sollen möglichst breit und gleichmäßig verteilt werden“
NAH.SH-Chef Arne Beck ergänzte, dass im Rahmen der schleswig-holsteinischen Verkehrsverträge fünf bis maximal zehn Prozent der bestellten Leistungen auch wieder abbestellt werden könnten. Bei der Auswahl der Einschnitte seien verschiedene Kriterien berücksichtigt worden, „um die Lasten und Härten möglichst breit und gleichmäßig zu verteilen“.
Ziel dabei sei, die Abbestellungen in Zeitfenstern zu organisieren, in denen die Nachfrage voraussichtlich ohnehin geringer sei. Beck: „Nun müssen die Verkehrsunternehmen unsere Vorschläge zunächst auf die betriebliche Umsetzbarkeit prüfen – parallel dazu erfolgt die Einbindung der Stadt Hamburg und der betroffenen Kreise und kreisfreien Städte.“ Beim Fahrplanwechsel im Dezember 2024 könne es noch zu einzelnen Änderungen bei den Maßnahmen kommen.
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Madsen appellierte an die Bundesregierung, die Regionalisierungsmittel für die Länder angesichts von massiven Kostensteigerungen aufzustocken. „Mit einem jährlichen Plus von 50 bis 60 Millionen Euro müssten wir nicht über Kürzungen im Fahrplanangebot nachdenken“, sagte er.
Die Länder fordern neben den 1,5 Milliarden Euro pro Jahr zur Fortführung des Deutschlandtickets auch jährlich zusätzlich 1,5 Milliarden Euro für den Ausbau und die Modernisierung des ÖPNV. In diesem Jahr bekommt das Land 371 Millionen Euro reguläre Regionalisierungsmittel sowie bis zu 52,4 Millionen Euro als Bundesanteil für das Deutschlandticket.