Pinneberg. Im Kampf gegen die Ausdünnung des Nahverkehrtaktes schließen sich Bürgermeister, Kreis und Orte zusammen. Land ignoriert Protestbrief.

  • Bürgermeister im Kreis Pinneberg kämpfen für Erhalt der S-Bahn-Taktung
  • Reaktion von Verkehrsminister Madsen auf Protestbrief bleibt aus
  • Verkehrsausschuss Rellingen beschließt Resolution gegen Reduzierung des Taktes der S3

Nachdem die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen im Kreis Pinneberg am Montag am Bahnhof Pinneberg ihren Protest gegen die Pläne aus Kiel, die Taktung der S-Bahn-Linie 3 deutlich einzuschränken, reagiert nun auch der Verkehrsausschuss der Gemeinde Rellingen mit einer Resolution. Die Gemeinde fordert darin die Beihaltung des Zehn-Minuten-Taktes.

In der Sitzung des Ausschusses für Verkehr am Dienstagabend wurde der Resolution „Keine Verschlechterung bei der Taktung der S3: Verkehrswende voranbringen statt auszubremsen“ einstimmig verabschiedet. Die Gemeinde Rellingen fordert damit sowohl den Bund als auch das Land Schleswig-Holstein dazu auf, die finanziellen Voraussetzungen dafür zu schaffen, die Taktung der S3 zu erhalten und die geplanten Verschlechterungen zum Winterfahrplan 2024 zurückzunehmen.

Rellingens Politik verabschiedet Resolution gegen Kürzung des S3-Taktes

„Die verbesserte Taktung der S3 ist ein wichtiger Baustein der Verkehrswende und trägt zum Erreichen der Klimaziele bei“, erklärt Andreas Carstensen (SPD) als Vorsitzender des Verkehrsausschusses. „Die Züge sind gut ausgelastet. Durch die Sparmaßnahmen im Bund und im Land Schleswig-Holstein wird die Verkehrswende gefährdet, weil bei einer schlechteren Taktung wieder mehr Pendlerinnen und Pendler, Reisende, Ausflüglerinnen und Ausflügler auf das Auto umsteigen würden.“

Dies widerspricht den Zielen der Verkehrswende und der Erreichung der Klimaziele. Die Gemeinde Rellingen fordert daher, die in den Koalitionsverträgen im Bund und im Land Schleswig-Holstein verankerte Verbesserung des ÖPNV auch umzusetzen. Eine verschlechterte Taktung wäre ein fatales Signal und ein Rückschritt für die Bürgerinnen und Bürger in Rellingen und im ganzen Kreis Pinneberg erklären die Fraktionen einstimmig in dem Resolutionstext, der final am 16. Juli von der Gemeindevertretung verabschiedet werden soll.

Land SH ignoriert Protest der Bürgermeister im Kreis Pinneberg

Bislang blieb die Reaktion aus Kiel auf den Protest im Kreis Pinneberg aus. Auf eine Antwort von Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) wartet Pinnebergs Bürgermeister Thomas Voerste (parteilos) noch immer. Etwa vier Wochen ist es her, dass der neue Rathauschef der Kreisstadt mit Kollegen und Kolleginnen der umliegenden Gemeinden im Kreis Pinneberg einen Prostestbrief nach Kiel geschickt hat.

Marc Trampe aus Rellingen, Harm Kähler aus Borstel-Hohenraden, Christiane Küchenhof aus Schenefeld, Thomas Voerste aus Pinneberg, Erika Koll aus Kummerfeld, Jörg Schneider aus Prisdorf und Hans-Peter Lütje aus Appen fordern am Bahnhof Pinneberg beim Zehn-Minuten-Takt der S-Bahn zu bleiben.
Marc Trampe aus Rellingen, Harm Kähler aus Borstel-Hohenraden, Christiane Küchenhof aus Schenefeld, Thomas Voerste aus Pinneberg, Erika Koll aus Kummerfeld, Jörg Schneider aus Prisdorf und Hans-Peter Lütje aus Appen fordern am Bahnhof Pinneberg beim Zehn-Minuten-Takt der S-Bahn zu bleiben. © Anne Dewitz | Anne Dewitz

Darin kritisieren die Verwaltungschefs die Ausdünnungspläne für die S-Bahnlinie 3 scharf. Zwischen Pinneberg nach Hamburg soll die Bahn in den sogenannten Randzeiten und am Wochenende nur noch alle 20 Minuten verkehren. Ein Rückschritt, so die Bürgermeister. Sie fordern, die Entscheidung rückgängig zu machen.

S3-Taktung zwischen Pinneberg und Hamburg soll eingeschränkt werden

„Wir kämpfen darum, dass die Taktung bei zehn Minuten bleibt“, sagt Thomas Voerste. Unterstützung kommt von den Amtskollegen Jörg Schneider aus Prisdorf, Erika Koll aus Kummerfeld, Harm Kähler aus Borstel-Hohenraden, Christiane Küchenhof aus Schenefeld und Hans-Peter Lütje aus Appen und Marc Trampe aus Rellingen. Sie trafen sich am Montag am Bahnhof Pinneberg, um ihren Unmut über die aus ihrer Sicht fatale Einschränkung der S-Bahn-Verbindung geschlossen zu demonstrieren.

Pinneberg ist der bevölkerungsreichste Kreis Schleswig-Holsteins. Mehr als 30.000 Menschen nutzen täglich den Bahnhof der Kreisstadt. Von ihnen sind allein fast 15.000 Auspendler und mehr als 10.000 Einpendler aus der Stadt Pinneberg. Auch in den Randzeiten seien die Bahnen ausgelastet.

Pinnebergs Bürgermeister Voerste: Taktung aufzugeben ist „Wahnsinn“

Die Zehn-Minuten-Taktung der S-Bahn war im Dezember 2022 eingeführt worden und aufgrund gestiegener Fahrgastzahlen und dem gesellschaftlichen Ziel einer Verkehrswende lange überfällig. Die verbesserte Taktung besteht darin, im Zehn-Minuten-Betrieb von Elbgaustraße bis Pinneberg, montags bis freitags bis 23 Uhr (statt bis 20 Uhr), sonnabends bis 22 Uhr (statt bis 15 Uhr) und sonn- und feiertags von 8 bis 20 Uhr (statt im 20-Minuten-Betrieb) zu fahren.

„Diesen Takt nach anderthalb Jahren aufzugeben, ist Wahnsinn“, sagt Thomas Voerste. Jahrelang hatten sich Kommunalpolitiker für eine höhere Taktung eingesetzt. „Wir werden eine Abkopplung nicht akzeptieren.“

Bürgermeister haben erst aus dem Abendblatt von S3-Plänen erfahren

In Zeiten des Klimawandels und der Verkehrswende seien eine Einschränkung der öffentlichen Verkehrsmittel nicht nachvollziehbar. „Die Menschen werden aufs Auto ausweichen.“ Und umgekehrt: Je besser und schneller die Bahnverbindung, desto mehr Menschen steigen auf die Schiene um.

Voerste kritisiert, dass die Bürgermeister von den Plänen aus dem Hamburger Abendblatt erfahren hätten. „Es wäre gut gewesen, wenn das Land im Vorfeld Kontakt zu uns aufgenommen hätte“, sagt er.

„Viele Menschen aus dem Kreis Pinneberg nutzen am Wochenende die S-Bahn, um nach Hamburg zu kulturellen Veranstaltungen zu fahren“, sagt Jörg Schneider aus Prisdorf. In Prisdorf habe man das Glück, einen eigenen Bahnhalt zu haben. „Wir hatten drei Züge pro Stunde, zwei nach Altona, einen zum Hauptbahnhof. Nun endet ein Zug in schon in Pinneberg und die Fahrgäste müssen bis Hamburg mit der S-Bahn fahren, weil die Nordbahn die Verbindung eingestellt hat.“

Bürgermeister in Rellingen über S3-Taktung: „fatales Zeichen“

Kummerfeld Bürgermeisterin Erika Koll erinnert daran, dass man mit der Bürgerinitiative in Tornesch seit Jahren um das dritte und vierte Gleis kämpfe. „Jetzt wieder den 20-Minuten-Takt einzuführen, ist kontraproduktiv. So bringt man die Leute nicht dazu, aufs Auto zu verzichten.“

„Das passt nicht in die heutige Zeit“, findet auch Hans-Peter Lütje, Bürgermeister in Appen. Auf der A23 sei jetzt schon extrem viel Verkehr.

Rellingens Bürgermeister Marc Trampe fragt sich, wie man dazu kommt, ein bestehendes, gut angenommenes Angebot einzuschränken. „Das ist ein fatales Zeichen.“ Im Umland mache man sich Gedanken, wie sich die Bus-Taktung hin zur S-Bahn verbessern ließe und auf Landesebene würde beschlossen, die S-Bahn-Fahrten einzuschränken. „Auf unsere Einwände haben wir aus Kiel bislang gar keine Reaktion erhalten.“ Das sei kein guter Umgang.

Küchenhof: mehr Verkehr auf der L103

Bürgermeister Harm Kähler aus Borstel-Hohenraden: „Die Anbindung an Hamburg ist für uns im Speckgürtel wesentlicher Faktor auch bei der Schaffung von Wohnraum“, sagt er und erinnert daran, dass die S-Bahn Hamburg Ende 2023 bereits die S21 nach Pinneberg ersatzlos gestrichen hat.

Bürgermeisterin Christiane Küchenhof betont: „Auch wenn wir in Schenefeld nicht direkt betroffen sind, teile ich die Kritik meiner Kollegen.“ Sie spricht von einer anachronistischen Entscheidung: „Alle Welt möchte doch die Autos von der Straße haben.“ Sie befürchtet, dass mehr Menschen aufs Auto umsteigen und auf der Landesstraße 103, die direkt durch Schenefeld führt, nach Pinneberg fahren.

S3 ab 20 Uhr und am Wochenende nur noch alle 20 Minuten

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Ab dem Fahrplanwechsel im Dezember sollen die Züge der S3 montags bis freitags ab 20 Uhr nur noch alle 20 Minuten statt alle zehn Minuten verkehren. Sonnabends endet der Zehn-Minuten-Takt um 15 Uhr und sonntags gilt ganztägig wie bis 2022 üblich der 20-Minuten-Takt.

Diese Entwicklung ist um so erstaunlicher, da ebenfalls im Kreis Pinneberg die nächste Schnellbahntrasse gebaut wird. Erst vor wenigen Tagen feierten Land, Bahn und Quickborns Bürgermeister Thomas Beckmann den ersten Meilenstein für den Bau einer neuen Trasse zwischen Eidelstedt, Bönningstedt, Hasloh, Quickborn, Ellerau und Ulzburg bis Kaltenkirchen.

Verkehrsminister Madsen und NAH.SH-Chef Arne Beck wollen am Freitag auf einer Pressekonferenz in Kiel die Gründe für die drastischen Sparzwänge bei Bund und Ländern und die daraus resultierenden Ausdünnungen der Verbindungen im Schienenverkehr erklären.