Kreis Pinneberg. S3 soll zwischen Elbgaustraße und Pinneberg seltener fahren. Wie die Politik vor Ort dagegen kämpft und warum es heftigen Zwist gibt.
Jetzt kommt auch politisch Bewegung in die drohende Ausdünnung des Nahverkehrs im Kreis Pinneberg. Einstimmig hat nun etwa der Halstenbeker Gemeinderat eine Resolution angenommen, die sich gegen die Verschlechterung bei den Taktzeiten der S3 ausspricht. Eine weitere Resolution zu diesem Thema hat der Kreistag beschlossen, allerdings nicht ohne Streit zwischen den Parteien.
„Wir müssen öffentlichen Druck entfalten, damit die Landesregierung einen Rückzieher macht“, sagt Christoph Bittner, SPD-Fraktionschef im Halstenbeker Kommunalparlament. Seine Fraktion hatte die Resolution eingebracht, die sich explizit an die Landes- sowie die Bundesregierung richtet. Sie wurde mit einigen Ergänzungen, die von CDU und Grünen kamen, als Änderungsantrag einstimmig verabschiedet.
Resolution S3-Takt: Bund und Land sollen nötige Finanzmittel bereitstellen
„Wir fordern Bund und Land auf, die nötigen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, um die bisherige Taktung beizubehalten“, so Bittner weiter. Diese sei erst nach langem Ringen im Dezember 2022 eingeführt worden und habe sich bewährt. Bereits 2018, so heißt es in der Resolution, habe sich die Gemeinde für die Schaffung des verlässlichen Zehn-Minuten-Taktes ausgesprochen.
Seit Ende 2022 fährt die S3 von Elbgaustraße bis Pinneberg im Zehn-Minuten-Takt von montags bis freitags bis 23 Uhr (statt bis 20 Uhr), samstags bis 22 Uhr (statt bis 15 Uhr) und sonn- und feiertags von 8 bis 20 Uhr (statt gar nicht).
Landesregierung will Ende 2022 eingeführte Verbesserungen wieder kippen
Diese Taktverdichtung will die Landesregierung in Kiel jetzt aus Kostengründen kippen. Die Pläne sehen vor, dass ab dem Fahrplanwechsel im Dezember von montags bis freitags ab 20 Uhr nur noch alle 20 Minuten statt alle zehn Minuten Züge verkehren. Sonnabends soll der Zehn-Minuten-Takt wieder bereits um 15 Uhr enden und sonntags ganztägig wie bis 2022 üblich der 20-Minuten-Takt gelten.
Bittner verweist darauf, dass die im Dezember 2022 eingeführte Taktverbesserung zu erhöhten Fahrgastzahlen geführt habe. Die Argumentation des Landes, von der Kürzung seien angesichts der Zeiten keine Pendler betroffen, lässt er nicht gelten.
Auch der Kreistag verabschiedet Resolution, vorher gibt es Gezänk
Personen, die etwa im Einzelhandel, medizinischen Berufen oder im Schichtdienst arbeiten würden, seien sehr wohl zu diesen Zeiten mit der S-Bahn unterwegs. Die Verbesserungen bei den Taktzeiten habe die Verkehrswende vorangebracht, so Bittner. Die Streichung würde nun Pendler, Ausflügler oder Reisende ausbremsen oder sie zwingen, das Auto zu benutzen. „Das ist nicht hinnehmbar.“
Eine weitere Resolution zu diesem Thema, eingebracht von der SPD-Kreistagsfraktion, stand am Mittwoch auf der Tagesordnung einer aktuellen Stunde im Kreistag. Eine Mehrheit fand sie nicht. Stattdessen wurde ein Änderungsantrag, eingebracht von CDU und Grünen, mit der Mehrheit beider Fraktionen beschlossen.
SPD kritisiert CDU und Grüne für eigenen, kurzfristig eingebrachten Vorschlag
„Ich bedauere es, dass CDU und Grüne sich nicht dazu haben durchringen können, unserer Resolution zuzustimmen, sondern eilig eine abweichende Resolution verfasst haben“, kritisiert Helmuth Jahncke (SPD). Natürlich beinhalte die Resolution der SPD Kritik an der schwarz-grünen Landesregierung. „Aber das auch zu Recht“, betont der SPD-Abgeordnete aus Halstenbek.
Denn schließlich habe die Landesregierung und nicht der Bund entschieden, den Takt auf der S-Bahn-Linie 3 zu verschlechtern, obwohl es Alternativen gegeben habe. Jahncke: „Nur die Landesregierung kann sie wieder zurücknehmen. Deshalb ist die Resolution an das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus gerichtet – und nicht an den Bund.“
Mit dem Alternativantrag würden CDU und Grüne ihr parteipolitisches Interesse über das Interesse des Kreises und der hier lebenden Menschen stellen, wenigstens die bisher erreichten Verbesserungen im öffentlichen Personennahverkehr zu erhalten.
Auch die Kreis-FDP sieht die Landesregierung in der Verantwortung
Ähnlich argumentierte Tobias Heisig (FDP). Er sah „die schwarz-grüne Landesregierung“ in der Verantwortung für die Kürzungen, insbesondere „das CDU-geführte Wirtschaftsministerium“. Der Bund, der sich über die Regionalisierungsmittel an den Kosten für den ÖPNV beteiligt, habe dem Land Schleswig-Holstein mehr Regionalisierungsmittel gegeben, als überhaupt verbraucht wurden.
Heisig: „Auf diesen Mitteln sitzt der Minister bis heute immer noch. Es wäre also überhaupt kein Problem, diese fatale Fehlentscheidung zurückzunehmen.“ Ein teilweiser 20-Minuten-Takt sei der so stark frequentierten Strecke unwürdig, verlängere Wartezeiten, führe zu Überlastungen der S-Bahnen und mache den ÖPNV im Kreis Pinneberg deutlich unattraktiver.
Neuer Entwurf von CDU und Grünen vermeidet Schuldzuweisung
Der von CDU und FDP mit ihrer Mehrheit beschlossene Änderungsantrag fordert die Landesregierung auf, die Taktverschlechterungen zurückzunehmen. Eine Schuldzuweisung an die von CDU und Grünen geführte Landesregierung wird jedoch vermieden.
Stattdessen wird die Bundesregierung aufgefordert, die Regionalisierungsmittel für alle Bundesländer „ausreichend zu erhöhen, , um die weitere Finanzierung des bereits bestehenden Schienenverkehrs im Kreis Pinneberg zu gewährleisten“.
Ausgedünnte Taktzeiten bei der S3 führen zum Streit zwischen CDU und SPD
Die von der Landesregierung in Kiel angekündigte Maßnahme hat auch zu einem weiteren heftigen Streit zwischen Pinneberger Vertretern von CDU (Regierungspartei im Land) und SPD (Regierungspartei im Bund) geführt. Ausgelöst hat die Kontroverse der stellvertretende Landesvorsitzende der Jungen Union, Justus Schmitt aus Tornesch.
Der 26 Jahre alte Ratsherr und Vorsitzende des Hauptausschusses der Stadt, der kürzlich seine Kandidatur für das CDU-Bundestagsmandat im Kreis Pinneberg erklärt hat, wirft dem SPD-Bundestagsabgeordneten Ralf Stegner vor, in der Frage der S3-Taktzeiten seinen Wahlkreis im Stich zu lassen. Er fordert zudem die Bundesregierung auf, die Regionalisierungsmittel dringend in ausreichender Höhe bereitzustellen.
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„Es ist die Aufgabe eines Abgeordneten, sich gegenüber der Bundesregierung für seinen Wahlkreis einzusetzen“, so Schmitt. „Dazu hört man von Ralf Stegner jedoch nichts. Es scheint so, als kenne er die Realität von tausenden Bürgerinnen und Bürgern, die mit der Bahn nach Hamburg pendeln, schlichtweg nicht!“
Und der Vize Landes-Chef der JU legt mit Blick auf die Bundestagswahl 2025 nach: : „Die Menschen im Kreis Pinneberg haben einen Abgeordneten verdient, der im Kreis Pinneberg zu Hause ist, die Themen vor Ort kennt und sich für die Belange der Menschen einsetzt!“
SPD-Kreischef: Mit dem CDU-Mann seien „die Pferde durchgegangen“
Vorwürfe, die der Kreis-SPD nur ein müdes Lächeln entlocken. „Da gehen bei Justus Schmitt von der Jungen Union in seiner CDU-internen Kampagne für eine sehr ambitionierte Kandidatur zum Bundestag wohl die Pferde durch“, kommentiert SPD-Kreischef Thomas Hölck die Aussagen des CDU-Kontrahenten und kanzelt diese als „unqualifizierte Angriffe“ ab.
Der „nachhaltige Einsatz des Kreis Pinneberger SPD-Bundestagsabgeordneten für viele kleine wie auch ganz große Anliegen in seinem Wahlkreis“ habe derartige unqualifizierte Angriffe nicht verdient, so Hölck weiter.
SPD: Stegner habe sich sehr wohl um das Thema S3 gekümmert
Auch das konkrete Problem einer Ausdünnung von Verkehren auf der S3 habe Stegner bereits mit der Verwaltung im Kreis, den Bürgermeistern entlang der Bahnstrecke, der Bürgerinitiative „Starke Schiene Kreis Pinneberg“ und den Kommunalpolitikern der SPD bei zahlreichen Besuchen intensiv besprochen.
„Leider hat sich der ambitionierte CDU-Nachwuchs-Mann in seinem öffentlichen Übereifer auch von der Sachlage her offensichtlich vergaloppiert“, so der SPD-Kreischef weiter. Nach dem Grundgesetz und der aktuellen Gesetzeslage wie nach den Berichten des Bundesrechnungshofes sei die Finanzierung des Schienenverkehrs unzweifelhaft eine Aufgabe der Länder.