Elmshorn. Ex-Chef Christian Wolf ist der Elmshorner Hype-Marke noch verbunden. Auf Instagram macht er jetzt Stimmung gegen Foodwatch. Zu Recht?
Die Marke More Nutrition kommt nicht raus aus den Schlagzeilen. Seit Entertainer Jan Böhmermann die Marke der Firma The Quality Group, die ihren Sitz in Elmshorn hat, in seinem „ZDF Magazin Royal“ aufs Korn nahm, reißen die schlechten Nachrichten für das Unternehmen nicht ab.
Nach einer Zoll-Razzia auf dem Firmengelände wegen massiver Verstöße gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz und einem verlorenen Gerichtsprozess wegen irreführender Werbeversprechen, reichte die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch kürzlich Klage gegen More Nutrition bzw. die Markeninhaberin ein (das Abendblatt berichtete exklusiv).
Nach Böhmermann-Kritik und Klage: More-Nutrition-Gründer stänkert gegen Foodwatch
Der Vorwurf der Verbraucherschützer: Videos auf dem Instagram-Account von More Nutrition verstießen gegen die Health-Claims-Verordnung und enthielten irreführende Gesundheitsversprechen. Deshalb reichte Foodwatch vergangene Woche eine Klage beim Landgericht Itzehoe gegen The Quality Group ein, die vor allem zuckerfreie Lebensmittel, Proteinpulver und Nahrungsergänzungsmittel vertreibt.
Jetzt meldet sich Christian Wolf zu Wort. Der hatte die Firma hinter More Nutrition mitgegründet, sich aber am 6. September 2023 offiziell aus dem Unternehmen zurückgezogen. Offenbar fühlt der Influencer sich „seiner“ Marke nach wie vor verbunden. In sozialen Netzwerken rührt er nicht nur die Werbetrommel, er nimmt sich auch immer wieder Kritiker von More Nutrition vor.
More-Nutrition-Gründer Christian Wolf äußert sich zu Foodwatch-Klage
In einem Video, das Wolf am 18. März 2024 auf seinem Instagram-Account postete, widmet er sich der aktuellen Klage von Foodwatch. Dabei blendet Wolf die Abendblatt-Schlagzeile „Foodwatch verklagt Hype-Marke aus Elmshorn“ ein und erklärt seinen Followern anschließend, worum es dabei geht.
Foodwatch habe Klage eingereicht, „und zwar wegen echtem Kundenfeedback auf dem Instagram-Account“, sagt Wolf. Das Video hat viele schnelle Schnitte, zahlreiche Einblendungen, darunter auch Screenshots eines der von Foodwatch zunächst abgemahnt und dann in der Klage angeführten Videos. Die beiden beanstandeten Videos wurden mittlerweile vom More-Nutrition-Instagram-Account entfernt.
Falsche Zitate, Auslassungen und angebliche Verbote von Nutzererfahrungen
Wolf fährt fort, betont immer wieder, dass es sich bei den Videos um „echtes“ Feedback von Kundinnen handele. Foodwatch stelle nicht infrage, dass der Bericht echt sei, sagt Wolf. Dann folgt eine Einblendung: „Das ist ja klar und lässt sich beweisen“. Diesen Satz setzt Wolf in Anführungszeichen, legt damit zumindest nahe, dass es eine Aussage der Verbraucherschützer ist. Die wurde so aber nicht von Foodwatch getätigt.
Nicht die einzige Ungenauigkeit des Firmengründers. Denn er behauptet außerdem: Foodwatch halte es für verboten, dass More Nutrition die Kundenberichte von Leuten poste, die mit den More-Produkten abgenommen hätten. „Foodwatch möchte verbieten, dass eure Erfahrungen im Internet geteilt werden“, sagt Wolf in dem 45 Sekunden langen Clip.
Verbraucherschützer von Foodwatch reichen Klage gegen More-Nutrition-Firma ein
Aber stimmt das? Die Klageschrift von Foodwatch ist öffentlich einsehbar. Darin heißt es: Klage gegen Quality First GmbH „wegen wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche“. Die Verbraucherschützer fordern in erster Linie eine Unterlassungserklärung. Hätte die Quality Group sich nach der Abmahnung im Januar dazu bereit erklärt, wäre es gar nicht zu einer Klage gekommen.
Bleibt die Frage, was unterlassen werden soll. Foodwatch moniert, dass den More-Produkten in zwei Videos auf Instagram gesundheitsfördernde Eigenschaften zugeschrieben würden. Ein Video trägt die Beschreibung „17 Kilo abgenommen dank More“. Darin werde zudem der Eindruck vermittelt, dass der Konsum des Produktes „Cycle Balance“ zum Wiedereinsetzen der Periode und letztlich zur Schwangerschaft geführt habe, kritisiert Foodwatch.
More-Nutrition-Firma wegen irreführender Werbung verurteilt
Daher fordern die Verbraucherschützer in der Klageschrift, dass die Werbeaussagen zu unterlassen seien, wenn diese wie in den abgemahnten Videos getätigt werden. Sollte das Landgericht Itzehoe den Forderungen von Foodwatch folgen und eine Unterlassung anordnen, könnte der Quality Group bei Zuwiderhandlung eine Geldstrafe von 250.000 Euro drohen.
Erst kürzlich hatte das Landgericht Hamburg The Quality Group in einem ähnlichen Fall verurteilt. Dabei ging es um irreführende Werbung für eine Brownie-Backmischung in sozialen Netzwerken. Das Gericht entschied zugunsten der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, die geklagt hatte.
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Gerichtsurteil, irreführende Werbung, falsche Versprechen: Alles halb so wild?
Auch dieses Urteil thematisiert Wolf in einem Video, macht sich beinahe ein bisschen lustig über die Klage und das Urteil. Untermalt wird das von den eingespielten Soundeffekten und der Wortwahl des ehemaligen Firmenchefs. Der lässt es ich nicht nehmen, am Ende des Beitrags noch einmal süffisant anzumerken, wie froh er sei, dass „die Steuergelder“ sinnvoll investiert würden.
Wie auch im ersten Beispiel, lässt Wolf Tatsachen weg, paraphrasiert stark, verändert Aussagen – sowohl von der Verbraucherzentrale als auch vom Gericht. In den Kommentaren unter seinen Beträgen bekommt er viel Zuspruch. Alles also witzig, nicht ernstzunehmen?
Christian Wolf hat „keine offizielle Aufgabe“ bei More Nutrition
Das Thema scheint den Influencer umzutreiben, der nach eigener Aussage „keine offizielle Aufgabe“ bei More Nutrition hat. Laut Unternehmenswebsite ist The Quality Group trotz des Einstiegs eines Investors allerdings weiterhin im Besitz der Gründer. Zu denen gehört auch Christian Wolf.
In seiner Instagram-Story nimmt der sich Foodwatch noch einmal vor. Er habe Informationen bekommen, die habe er nun geprüft und wolle sie deshalb teilen. Es geht um die Gründung von Foodwatch, die Finanzierung des gemeinnützigen Vereins, Geldgeber und die Gehälter der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Keine der genannten Informationen ist geheim, alles davon ist sogar auf der Website von Foodwatch nachzulesen.
More-Nutrition-Gründer kritisiert Finanzierung von Foodwatch
Etwa, dass Alfred Ritter, bis 2015 Chef von Ritter Schokolade, dem Verein nach der Gründung vor mehr als 20 Jahren eine Anschubfinanzierung gab, über mehrere Jahre hinweg eine Gesamtsumme von 250.000 Euro spendete. Auf der Website schreibt Foodwatch: „Eine Spende von Alfred Ritter würde heute zurückgewiesen.“
Das wiederum erwähnt Wolf nicht, schreibt aber: „Sieht natürlich nicht gut aus, wenn man dann eine Firma versucht anzugreifen, die Zucker sparen einfach macht.“ Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch also der lange Arm der Zuckerindustrie? Ob die Klage von Foodwatch berechtigt ist, wird am Ende das Gericht entscheiden.
Nach Böhmermann-Kritik beendete More-Nutrition-Gründer seine Social-Media-Pause
Es ist nicht das erste Mal, dass Wolf sich in sozialen Netzwerken zur Kritik an More Nutrition oder an zuckerfreien Lebensmitteln äußert. So postete er auch schon ein Video, in dem er sich Aussagen von Ernährungsdoc Dr. Matthias Riedel vornahm. Nach dem Beitrag von Jan Böhmermann im „ZDF Magazin Royal“ über More Nutrition beendete Wolf sogar seine Social-Media-Pause, um Stellung zu nehmen. Und das, obwohl er da schon gar nicht mehr im aktiven Geschäft war.
Zur Zoll-Razzia in dem von ihm gegründeten Unternehmen im vergangenen Jahr hatte sich Wolf allerdings nicht geäußert. Damals hatte die Behörde mit mehr als 170 Einsatzkräften zwei Standorte der Firma The Quality Group in Elmshorn und Kaltenkirchen durchsucht. Dabei wurden zahlreiche Verstöße gegen das Gesetz zur Bekämpfung von Schwarzarbeit festgestellt. Das Unternehmen betonte damals, dass die Verstöße von Zeitarbeitsfirmen begangen worden seien. Mittlerweile ist übrigens ein neues Thema auf Christian Wolfs Instagram sehr präsent: Der Firmengründer ist kürzlich Vater geworden.