Brunsbüttel/Kreis Pinneberg. Bundesanwalt ermittelt weiter, doch die XXL-Leitung zur Energieversorgung wurde feierlich in Betrieb genommen. Was Kritiker sagen.

Die Informationslage bezüglich der sabotierten LNG-Pipeline für Flüssigerdgas, die von Brunsbüttel an der Elbe entlang über den Kreis Steinburg bis nach Hetlingen in den Kreis Pinneberg führt, ist weiterhin dünn. Die Generalbundesanwaltschaft ermittele nach wie vor wegen des Anfangsverdachts der verfassungsfeindlichen Sabotage. „Die Ermittlungen dauern an“, sagt Sprecherin Dr. Ines Peterson dazu nur.

Ungeachtet des mutmaßlich kriminellen Akts ist nach Beseitigung aller Schäden am Terminal in Brunsbüttel – LNG steht für Liquefied Natural Gas – am Montag, 11. März, die gut 55 Kilometer lange Leitung für die Energieversorgung nun feierlich in Betrieb genommen worden. Ende November waren laut Betreiber im „Raum Pinneberg“ mehrere „Undichtigkeiten“ festgestellt worden, die auf Fremdeinwirkung hindeuteten. Nach Reparatur und technischer Abnahme erfolgte die Freigabe.

LNG-Pipeline durch Kreis Pinneberg: In „Rekordbauzeit“ fertiggestellt

Die Pipeline verläuft im Kreis Pinneberg durch Raa-Besenbek, Seester, Seestermühe, Groß-Nordende, Moorrege, Haselau, Haseldorf, Heist und endet in Hetlingen. Laut Gasunie sei die sogenannte ETL 180 (Energietransportleitung) nach „Rekordbauzeit“ von knapp einem Jahr in Betrieb genommen worden. Die Pipeline verbinde den LNG-Terminal-Standort im Brunsbütteler Elbehafen mit dem bestehenden Fernleitungsnetz von Gasunie. Das flüssige Gas fließt bis Hetlingen und wird dort in ein bestehendes Netz weitergeleitet.

Ein Bild vom Endpunkt der LNG-Trasse in Hetlingen (Stand: September 2023).
Ein Bild vom Endpunkt der LNG-Trasse in Hetlingen (Stand: September 2023). © Michael Rahn | Michael Rahn

Gemeinsam mit dem Energiewendeminister des Landes Schleswig-Holstein, Tobias Goldschmidt, setzte Gasunie- Deutschland-Geschäftsführerin Britta van Boven damit „den Schlussstein für ein national wichtiges Pipeline-Projekt, das einen großen Beitrag zur Energieversorgungssicherheit Deutschlands und Europas leisten wird“.

Energiewende: LNG-Leitung ist auch für Wasserstoff bereit

Da die Leitung bereits H2-ready, also geeignet für den Transport von Wasserstoff und dessen Derivate (chemische Verbindungen), errichtet wurde, spiele sie nach Angaben des Unternehmens zukünftig eine zentrale Rolle für die energiewirtschaftliche Entwicklung Schleswig-Holsteins in Richtung Klimaneutralität. Deutschland hat das ambitionierte Ziel, bis 2045 die Klimaneutralität zu erreichen.

Ein Teilstück der LNG-Trasse zwischen Haseldorf und Heist während der Bauarbeiten.
Ein Teilstück der LNG-Trasse zwischen Haseldorf und Heist während der Bauarbeiten. © Michael Rahn | Michael Rahn

Ein konkreter Zeitplan, wann umweltfreundlicherer Wasserstoff das zu 98 Prozent aus Methan bestehende Flüssigerdgas ablösen werde, sei laut Sprecher Philipp von Bergmann-Korn auf Abendblatt-Anfrage noch „nicht konkret bezifferbar“. Übergangsweise sichere die Leitung „noch unsere Versorgung mit Erdgas, und in Zukunft wird sie Rückgrat unserer Versorgung mit gasförmigen Erneuerbaren Energien sein“, sagte Tobias Goldschmidt, Minister für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur des Landes Schleswig-Holstein bei der Eröffnungszeremonie in Brunsbüttel.

Die Inbetriebnahme der ETL 180 sei eine gute Nachricht für Deutschlands und Europas Energiesicherheit. „Diese Leitung wird nicht nur unsere gegenwärtige Gasversorgung sichern, sondern ist auch ein entscheidender Schritt in Richtung Klimaneutralität, da sie bereits jetzt für den Transport von Wasserstoff geeignet ist.“

„Anspruchsvolle Bodenverhältnisse und eine widrige Witterung haben uns viel abverlangt“

Auch Britta von Boven, Geschäftsführerin von Gasunie-Deutschland, ist angetan: „Wir haben in Rekordzeit gebaut – obwohl die Verhältnisse alles andere als einfach waren. Anspruchsvolle Bodenverhältnisse und eine widrige Witterung, hier insbesondere der deutlich zu nasse Herbst und Winter, haben uns viel abverlangt. Aber die Energiekrise ist noch nicht vorbei, und nur die Einbindung neuer Aufkommensquellen schafft Versorgungssicherheit.“

Auf dem Acker des Moorreger Landwirts Hans-Peter Stegert haben die Baufahrzeuge auf dem nassen Moorboden Spuren hinterlassen.
Auf dem Acker des Moorreger Landwirts Hans-Peter Stegert haben die Baufahrzeuge auf dem nassen Moorboden Spuren hinterlassen. © Pinneberg | Privat

Insofern sei sie stolz, dass Gasunie es geschafft habe, innerhalb des geplanten anspruchsvollen Zeitrahmens das uns durch die Politik vorgegebene Ziel zu erreichen. „Dank hierfür gilt allen beteiligten Parteien, insbesondere den Behörden des Landes Schleswig-Holstein, den Kreisen und Gemeinden sowie den Landwirten, die uns ihre Flächen zur Verfügung gestellt haben“, sagte sie.

Massive Kritik an LNG-Projekt: Pipeline durchschneidet sensible Moorlandschaften

Immer wieder hatte es, gerade von Landwirten, auch aus dem Kreis Pinneberg, und Umweltschützern erhebliche Kritik an dem Mammut-Projekt gegeben. Unter anderem, weil sensible Moorlandschaften durchschnitten wurden. Mindestens zwei Klageverfahren gegen Gasunie sollen nach wie vor noch nicht abgeschlossen sein. Der Gasunie-Sprecher dazu: „Die Leitung kann vor einer gerichtlichen Entscheidung in den noch offenen Verfahren in Betrieb genommen werden.“

Die neu errichtete Leitung sei für den Transport von jährlich über 100 Terrawattstunden (TWh) Gas ausgelegt, das entspreche rund 20 Prozent der bisherigen Gasimporte aus Russland und dem Jahresverbrauch von rund 4,5 Millionen Haushalten. Das Planfeststellungsverfahren war Ende März 2023 beendet. Die ersten vorbereitenden Baumaßnahmen für das Projekt hatte es im Zuge des LNG-Beschleunigungsgesetzes bereits im November 2022 gegeben.

3220 verschweißte Stahlrohre sind zwischen Brunsbüttel und Hetlingen verlegt worden

Insgesamt 3220 jeweils 18 Meter lange und fünf Tonnen schwere einzelne Pipelinerohre sind miteinander verschweißt und auf gut 55 Kilometern Länge verlegt worden. Sie bestehen aus circa 1,2 bis 1,8 Zentimeter dickem Spezialstahl und sind mit einer Kunststoffisolierung gegen Korrosion geschützt.

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„In der Spitze arbeiteten bis zu 800 Personen aus 18 Nationen auf der Trasse. Es ist ein tolles Ergebnis, dass wir das Projekt bis heute ohne schwere Unfälle zur Inbetriebnahme gebracht haben. Das ist für ein Projekt dieser Größenordnung und bei den gegebenen äußeren Bedingungen keine Selbstverständlichkeit“, sagte Gasunie-Projektmanager Arndt Heilmann.

„Flächen können wieder vollständig landwirtschaftlich genutzt werden“

Für die kommenden Monate stehen noch Restarbeiten im Umfeld an. Heilmann sagt: „Als Nächstes stehen die anspruchsvollen Rekultivierungsarbeiten an. Dabei werden wir alle durch uns in Anspruch genommenen Flächen so herstellen, dass sie auch in Zukunft wieder vollständig landwirtschaftlich genutzt werden können.“

Zudem richtete er einen Dank für das Verständnis aller Betroffenen im Umfeld der Baustellen, „die durch den Bau einige Einschränkungen in der Nutzung ihrer Flächen und im täglichen Straßenverkehr erfahren haben“.

LNG-Sabotage: Ende November fielen Schäden an Pipeline auf

Nachdem bei der Druckprobe seitens des Betreibers Ende November des Vorjahres einige Löcher in der Pipeline festgestellt worden waren, habe Gasunie die Polizeibehörden sowie alle Interessenvertreter auf Landes- und Bundesebene über die Vorkommnisse in Kenntnis gesetzt.

Gemeinsamer Besuch des schwimmenden LNG-Terminals in Brunsbüttel am Kai des Elbehafens: Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (l., SPD) und Schleswig Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther. Das Gas läuft über eine gut 55 Kilometer langen Pipeline bis in den Kreis Pinneberg.
Gemeinsamer Besuch des schwimmenden LNG-Terminals in Brunsbüttel am Kai des Elbehafens: Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (l., SPD) und Schleswig Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther. Das Gas läuft über eine gut 55 Kilometer langen Pipeline bis in den Kreis Pinneberg. © picture alliance/dpa | Marcus Brandt

„Die Schadstellen wurden repariert und die Leitung vor Inbetriebnahme einer erneuten kompletten Untersuchung unterzogen, die erfolgreich abgeschlossen wurde“, heißt es in der Mitteilung. Und so funktioniert die Technik: Das Erdgas wird verflüssigt – also auf mindestens -162 Grad heruntergekühlt. In diesem Zustand verringert sich das Volumen um circa das 600-fache.

Mit dieselbetriebenen Schiffen, die aus den USA oder Katar kommen, wird es an die Terminals gebracht und dann dort unter erheblichem Energieaufwand wieder in den gasförmigen Zustand transformiert. Anschließend wird das Gas über die Pipelines ins Netz eingespeist. Auch Klimaschützer protestieren nach wie vor bundesweit gegen diese Art der Energieversorgung. In Brunsbüttel soll nun ein festes LNG-Terminal die schwimmende Variante ablösen.