Hetlingen. Baupläne für die Flüssiggas-Leitungen durch den Kreis Pinneberg sind öffentlich einsehbar. Bis wann Widerspruch eingelegt werden muss.
Das Wort fällt schon früh – und es macht den Standpunkt von Ralf Hübner, Vorsitzender der Arge Umweltschutz Haseldorfer Marsch, unmissverständlich deutlich. Es sei gerade eine „Goldgräberstimmung“ entstanden. Im Gas-Bereich. „Mit dem LNG-Terminal, mit den Leitungen. Es wollen einfach jetzt ganz viele durch den Bau und eine schnelle Inbetriebnahme partizipieren und Geld verdienen“, sagt er. Über eine Distanz von gut 54 Kilometern sollen Pipelines für das Flüssiggas entstehen – auch im Kreis Pinneberg.
LNG-Terminal: Umweltschützer protestieren gegen Pipeline
Am Dienstag, 19. Juli, veröffentlichten unter anderem auch alle Gemeinden, die vom Mammutprojekt um LNG-Terminal und Gasleitungen betroffen sind, die Planunterlagen im Planfeststellungsverfahren nach Paragraf 43 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) für den Neubau der Energietransportleitung ETL 180 (1. Abschnitt) vom geplanten LNG-Terminal in Brunsbüttel bis zum Anschluss an die vorhandenen Leitungen ETL 126 und ETL 9198 im Bereich Hetlingen.
Der Bund hat in Krisenzeiten schnellere Verfahren ermöglicht, um sich mit dem LNG-Beschleunigungsgesetz aus der seit Jahren bevorzugten Abhängigkeit mit Russland und seinem Gas schnellstmöglich lösen zu können. Die Bedenken der Gegner sind vor allem ökologischer Natur.
Die Gasunie Deutschland Transport Services möchte nun die Rohre möglichst flott im Erdreich verlegen. In Brunsbüttel sollen dann mittelfristig Schiffe, beladen mit Flüssiggas LNG (Liquefied Natual Gas), halten. Von dort soll das Gas dann über Leitungen verteilt werden. Schon ab September soll nach Angaben von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), ein schwimmendes LNG-Terminal dort gebaut werden, das zum Jahreswechsel 2022/23 in Betrieb gehen soll.
LNG-Terminal: Diese Gemeinden sind von den Pipelines betroffen
Die Leitung vom Abladepunkt in Brunsbüttel soll eine Länge von circa 54 Kilometern haben, der Durchmesser der Rohre beträgt 80 Zentimeter. Der Arbeitsstreifen durch die Marschgebiete beträgt gute 35 Meter, in ökologisch sensiblen Gebieten maximal 21 Meter. Die Rohre liegen einen Meter tief unter der Erdoberfläche.
Betroffen vom Leitungsbau im Kreis Pinneberg sind die Kommunen Raa-Besenbek, Seester, Groß Nordende, Uetersen, Neuendeich, Moorrege, Haselau, Haseldorf, Hetlingen und Heist. Ab Herbst/Winter 2023 soll dann der unmittelbare Anschluss an das Gasfernleitungsnetz am Einspeisepunkt Hetlingen/Haseldorf einsatzbereit sein. Im Internet waren die Pläne unter www.schleswig-holstein.de/afpe bis zum gestrigen Montag, 25. Juli, abrufbar. Einwendungen und Stellungnahmen gegen das Bauvorhaben beim Amt für Planfeststellung Energie in Schleswig-Holstein, das dem Umweltministerium angeschlossen ist, sind möglich – bis einschließlich Montag, 1. August.
Viel Zeit ist das nicht. Schließlich sind es 647 Dateien in 103 Ordnern, die Dokumente, Gutachten und Grafiken müssen gelesen, verstanden und analysiert werden, um das umfangreiche Projekt möglicherweise zu verzögern oder zu stoppen. Eigentlich ist das in der Kürze der Zeit nahezu unmöglich – und ohne jemandem böse Absicht unterstellen zu wollen: Das könnte eventuell sogar so gewollt sein.
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Landwirte in der Marsch fürchten Geländeveränderungen durch Pipeline
„Ja, wir werden eine Einwendung machen, wahrscheinlich auch umfangreich. Mittlerweile melden sich bei uns auch einige Landwirte, die große Bedenken haben, weil durch die Grundwasserabsenkungen sich das Gelände verändern kann“, so Hübner. Die Naturlandschaften werden nach Ansicht der Umweltschützer ordentlich durcheinander gewirbelt.
Teilweise führt die Pipeline auch durch Moorgebiete, einem guten CO2-Speicher. Niemand wisse laut Hübner, welche genauen Auswirkungen ein Entzug von Wasser auf die Böden habe. In den Papieren ist von „Entnahme Wasser aus temporären Grundwasserabsenkungen“ die Rede. Die Wasserentnahme für den Bau erfolgt über umliegende Wasserwerke in Trassennähe.
Zwischen den Leitungskilometern 41,9 und 45,2 geht es durch das Wasserschutzgebiet Elmshorn Köhnholz/Krückaupark, zwischen 47,3 und 48,9 durch das Wasserschutzgebiet Uetersen und von 52,2 bis zum Ende der Leitung durch jenes in der Haseldorfer Marsch (jeweils Schutzzone III A). Überschwemmungsgebiete gibt es an Krückau (41,8 bis 42) und Pinnau (48,9 bis 49). Schutzgebiete, deklariert als Flora-Fauna-Habitat „Schleswig Holsteinisches Elbästuar und angrenzende Flächen“ sind zwischen Kilometer 41,8 und 42 sowie noch einmal ein kleines Stück bei 48,9 bis 49. Schon seit gut vier Jahren gibt es Widerstand gegen das LNG-Projekt: Bereits die Standortwahl des Terminals ist problematisch, weil in Brunsbüttel laut aktuellem Bebauungsplan theoretisch zumindest kein weiterer Störfallbetrieb dort gebaut werden darf. Es gibt bereits ein stillgelegtes Atomkraftwerk, eine Sonderabfallverbrennungsanlage und ein Chemiewerk.
LNG-Terminal: Fracking-Gas käme aus den USA in Brunsbüttel an
Ein weiterer negativer Aspekt ist, dass das angelieferte Gas oft genug fragwürdiger ökologischer oder auch moralischer Herkunft ist. In den USA beispielsweise wird rigoros auf Fracking-Gas gesetzt. In tiefe Gesteinsschichten wird dabei ein Chemikalien-Cocktail gepumpt, um jene damit aufzubrechen, um ans eigentliche Ziel zu gelangen. Die Schäden, auch für das Grund- und Trinkwasser, sind enorm. Außerdem sollen Lieferverträge der Bundesrepublik mit dubiosen Staaten wie etwa Katar geschlossen werden.
Eines möchte der 60 Jahre alte Hübner aber unbedingt klarstellen. „Dieser Krieg ist schrecklich, aber die Schlüsse, die daraus gerade in allen Energiefragen gezogen werden, sind aus meiner Sicht purer Aktionismus. Aus gesellschaftlicher Sicht kann ich das allerdings sogar ein Stück weit nachvollziehen. Den Preis dafür müssen aber die folgenden Generationen bezahlen “, sagt der Hetlinger.
In Zeiten des Klimawandels müssten einfach andere Bereiche wie etwa die Photovoltaik vom Staat wieder viel mehr gefördert werden. Auch ein Tempolimit würde ordentlich Energie-Ersparnis bringen. „Das ganze Geld für das LNG-Projekt sollte der Staat lieber komplett in den Ausbau der erneuerbaren Energien stecken. Das wäre viel sinnvoller“, so Hübner. Allein die Leitungen kosten etwa 180 Millionen Euro, am LNG-Terminal ist der Bund zudem mit 500 Millionen Euro beteiligt.
LNG-Pipelines sind fast alle Wasserstoff-ready
Eine Zukunftstechnologie sei der fossile Brennstoff ohnehin nicht. Gasunie Deutschland sagt, die Leitungen könnten mittelfristig auch für Wasserstoff genutzt werden. „In allen Antragsunterlagen und allen Genehmigungsunterlagen, die bisher vorliegen, wird stets betont, man baue Wasserstoff-ready. Was das im Einzelnen beinhaltet, wird nicht erläutert. Bei Leitungen ist das nicht schwierig. 96 Prozent der deutschen Bestandsleitungen sind Wasserstoff-ready“, sagt der Umwelt-Aktivist. Zudem gehörten zu Leitungen auch immer Verdichter.
„Diese können aufgrund der unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften jetzt noch nicht auf Wasserstoff eingerichtet werden. Wahrscheinlich wird bei Umstellung auf Wasserstoff je nach erforderlicher Kapazität der Druck erhöht vor dem Ausbau. In jedem Fall ist zu erwarten, dass leistungsfähigere Verdichter benötigt werden. Verdichter können zehn Prozent der Leitungskosten ausmachen, aber auch 50 Prozent“, so Hübner, der sich mit seinen Mitstreitern zu einem Interessensnetzwerk aus Deutsche Umwelthilfe (DUH), BUND, Robin Wood, Fridays for Future, Food & Water Europe und Bauern aus der Haseldorfer Marsch zusammengetan hat. Die Situation und auch der politische Wille spielen allesamt gegen sie. Aber die Umweltschützer wollen zumindest nichts unversucht lassen.