Helgoland/Cuxhaven. Vor dem „Big Bang“ und der Bombardierung prägte die Hochseeinsel ein völlig anderes Gesicht. Jetzt zu sehen auf seltenen Fotografien.
Es sind Dokumente der Zeitgeschichte, die wohl jeden Helgoland-Fan und Hobby-Historiker nostalgisch werden lassen. Denn die Reisefotografien von Julius Simonsen, die nun neuerlich ausgestellt werden, zeigen die Hochseeinsel wie sie nie wieder sein wird. Seine Bilder stammen überwiegend aus den 1920er- und 1930er-Jahren, bevor Krieg, Bombenexplosionen und Big Bang auf dem Eiland wüteten.
Nachdem viele der Fotografien schon im Helgoland-Museum gezeigt wurden, ist die Ausstellung mit ihren eindrucksvollen Bildern nun in Cuxhaven zu sehen - und ausgewählte Motive zeigt das Abendblatt als Einstimmung auch hier. Die Schau mit dem Titel „Helgoland – eine historische Bilderreise“ zog allein auf der Insel 9000 Besucher in ihren Bann.
Helgoland: Fotos zeigen das Inselleben in den 20er- und 30er-Jahren
Die Idee für die Foto-Schau entstand nach dem Erwerb eines Konvolutes von etwa 100 Glasplatten-Negativen, dessen Inselmotive das Zeitfenster der 1920er- und 1930er-Jahre spiegeln. Die Kuratoren Hagen Zielke und Peter Backens freuen sich nun, die historischen Fotodokumente nun auch vom 3. März bis 26. Mai im Cuxhavener Museum „Windstärke 10“ präsentieren zu können.
Helgoland, wie es früher war - die schönsten Bilder
Gemacht hat die Bilder der aus Oldenburg (Holstein) stammende Fotograf Julius Simonsen (1867-1943). Er besuchte die Hochseeinsel in der Zwischenkriegszeit regelmäßig. Viele seiner Aufnahmen waren als Ansichtspostkarten, Leporellos und als Ansichtsmappen-Werke begehrt und gelten heute als Zeitdokumente des sogenannten „Alten Helgolands“. Der Sohn eines Schlachtermeisters traf als Zwanzigjähriger auf den dänischen Fotografenmeister Christensen und erlernte bei ihm das Handwerk.
Nordsee: Seltenen Blickwinkel auf Helgoland zeigen goldene Zeit der Seebadära
Ein Schwerpunkt der Ausstellung stellt diese historischen, noch monochrom, also schwarz-weiß gefertigten Simonsen-Fotografien vor. Sie zeigen mit vielen Details und seltenen Blickwinkeln die vermeintlich goldene Zeit der Seebadära vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges.
Im zweiten Schwerpunkt werden die historischen Fotos neben aktuellen, von Peter Backens gefertigten Aufnahmen vom selben Standort in Kontrast gestellt. Sie dokumentieren als Paarbilder den insularen Wandel und ermöglichen einen aufschlussreichen Vergleich zwischen gestern und heute.
Helgoland im Wandel: Alten Bildern werden aktuelle Aufnahmen gegenüber gestellt
Nur ein Beispiel ist ein historisches Foto, auf dem Kurgäste die Kaiserstraße entlang flanieren oder vor dem Kurhaus im Café sitzen. Julius Simonsen hielt dieses Ansichtskartenmotiv 1927 fest. Fast einhundert Jahre später heißt die Kaiserstraße auf der Insel Lung Wai, und wo sich einst das Kurhaus befand, steht heute das Atoll Ocean Resort.
Vom alten Helgoland, so wie es die historischen Aufnahmen Simonsens zeigen, ist nach den Fliegerangriffen vom 18. April 1945 und der größten nichtnuklearen Explosion der Welt, dem sogenannten Big Bang am 18. April 1947 nichts geblieben. Allein der alte Flakturm überlebte Krieg und Sprengung und wurde später zu einem Leuchtturm umgebaut.
Werbung und Schiffe: Warum Helgoland auch beliebte Werbeflächen bot
Zur Ausstellung erschien im Oceanum-Verlag in der Reihe „die Fotobücher“ ein reich bebilderter Foto-Katalog mit informativen Textpassagen zu Simonsens einzigartigen Foto-Impressionen von der Hochseeinsel. Ein weiteres Buchkapitel informiert über die Seebäderdienste der Reedereien in der Zwischenkriegszeit von 1919 bis 1939.
Dabei stehen die Werbeaktivitäten der Schifffahrtslinien und ihre ansprechenden Werbeplakate sowie Coverabbildungen der Reedereifahrpläne und deren namhafte Werbegrafiker im Fokus.
Fotos von Helgoland: Der Lichtbildner hatte einen erfolgreichen Werdegang
Fotograf Simonsens Werdegang war durchaus erfolgreich: 1899 übernahm er das Fotoatelier, nannte es „Graphische Kunstanstalt“ und „Kunstverlag, war in Pommern, West- und Ostpreußen unterwegs. Noch vor dem Ersten Weltkrieg besuchte der Fotograf erstmals Helgoland. „Damals entstanden erste Fotografien von Inselmotiven für Ansichtskarten und Andenken“, weiß Helgolands Museumsleiter Jürgen Fitschen. Die Bilder konnten durch das Bromsilberdruckverfahren in hohen Stückzahlen hergestellt werden.
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Der Fremdenverkehr erlebte um 1900 einen Höhepunkt, so der Experte. Insbesondere die um 1800 begründeten Seebäder an Nord- und Ostsee avancierten zu attraktiven Urlaubszielen. Der Bedarf an Erinnerungsbildern stieg. Julius Simonsen sah darin ein lukratives Geschäft. Auf vielen Reisen fotografierte er mit einer Plattenkamera die Badeorte - bis der Erste Weltkrieg über Europa hereinbrach.
Helgoland-Schau: Eröffnungsvortrag hält ehemaliger Insel-Bürgermeister
Erst in der Weimarer Republik sorgte der Aufschwung auch auf Helgoland für gute Umsätze durch fotografische Produkte. Im Jahr 1925 erschien etwa Simonsens Mappenwerk Helgoland – 16 Bilder in Radierungsmanier. 1932 übergab der Firmengründer, der schon 1943 starb, den Kunstverlag an seinen Sohn. 1961 wurde der fotografische Nachlass an das Herder-Institut für historische Ostmitteleuropa-Forschung in Marburg verkauft und dient heute der Forschung.
Die Eröffnungsrede zur zweiten Ausstellung seiner Bilder in Cuxhaven hält der ehemalige von 1981 bis 1986 auf Helgoland wirkende Bürgermeister und Helgoland-Kenner Klaus Degenhardt. Er kam 1961 als junger Verwaltungsangestellter auf die Insel. Seitdem wächst seine Sammlung an Zeitungsausschnitten zur Helgoland-Historie kontinuierlich. Eine Digitalisierung ist in Arbeit. Als Zeitzeuge lautet sein Referatsthema zur Ausstellungseröffnung „Helgoland nach dem zweiten Weltkrieg – der Wiederaufbau“.