Pinneberg. Mitten in der Innenstadt steht der bekannte Bau seit einem Jahr leer. Es gab Pläne. Aber wie geht es nun mit dem großen Haus weiter?
Es sei mittlerweile zum Schandfleck verkommen, sagt eine Passantin. Sie steht in der unteren Dingstätte in Pinneberg vor dem leeren Haus, in dem vor einem Jahr noch das Modehaus Kunstmann war. „Ich habe hier regelmäßig eingekauft, vor allem Sportsachen für Männer“, sagt sie. Und drückt ihre Zigarette in einem Blumenkübel aus, in dem Müll liegt und sich das Regenwasser sammelt. „Das machen alle. Es gibt auch keine Aschenbecher.“
Ein Jahr ist es her, da schloss das Modehaus Kunstmann in Pinneberg für immer. In Pinneberg ging nach 161 Jahren Familienbetrieb eine Ära zu Ende. Getan hat sich seitdem vor Ort scheinbar nichts. Das Gebäude steht leer, die Fensterscheiben sind mit gelbem Papier verhängt. An einer Scheibe hängt noch der Hinweis zur Schließung des Modehauses.
Geschäftsleute an der Dingstätte: Schon vor dem Kunstmann-Aus war es schwierig
Fragt man die Geschäftsleute drumherum, sagen sie, dass es auch schon vor dem Aus von Kunstmann schwierig war. Die untere Dingstätte sei schon immer stiefmütterlich behandelt worden. Die Aktivitäten der Stadt hätten sich meist auf das andere Ende der Fußgängerzone konzentriert. Die letzten Jahre mit Corona und Energiekrise seien hart gewesen, schwer zu sagen, ob der Wegfall von Kunstmann als Einkaufsmagnet da noch ins Gewicht falle.
Wie geht es mit der Kunstmann-Immobilie weiter? Das fragen sich viele Passanten. „Das ist Sache der Eigentümer“, sagt Pinnebergs Wirtschaftsförderin Birgit Schmidt-Harder. Man stehe in einem sehr guten und regen Austausch. „Manche Dinge brauchen angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung einfach etwas Zeit. Die Wirtschaft ist im Moment genauso wie die Verbraucher sehr vorsichtig mit dem Investieren.“
„Die Nutzung der Fläche ist im B-Plan festgelegt und wie es weitergeht ist abhängig vom Eigentümer“, sagt auch Louise Beukelmann (CDU), Vorsitzende des Ausschusses für Stadtentwicklung.
Neue Eigentümer des Kunstmann-Hauses verhandeln noch
Die Immobilie an der unteren Dingstätte haben die Brüder Savas und Namik Ardic aus Pinneberg von der Familie Kunstmann gekauft. „Wir wollten dort ein Hotel eröffnen, aber die wirtschaftliche Lage lässt es leider nicht zu“, sagt Savas Ardic auf Anfrage des Abendblatts. Derzeit sei man mit zwei Mietinteressenten in Verhandlung. Wenn sich beide Seiten einigen, müsste das Gebäude noch umgebaut werden, so Ardic.
Sichtbar was passieren werde vor Ende 2024 nichts, so seine Einschätzung. Um welche Art von Mieter es sich handelt, möchte der Geschäftsmann noch nicht sagen. „Dazu ist es noch zu früh.“ Nur so viel sei verraten: Sollte es mit den Mietern nicht klappen, sei auch der komplette Abriss des Hauses und ein Neubau eine Option.
Kunstmann-Eigentümer eröffneten 2019 einen Autosalon an der Mühlenstraße
2019 hatten die Brüder Ardic an der Mühlenstraße in Pinneberg das Autohaus Yaans eröffnet, einen Autosalon mit einer etwa 10.000 Quadratmeter großen Halle, eigener Werkstatt und Dekra-Prüfstelle. Im Januar 2022 folgte die Eröffnung des zweiten Standorts am Peiner Hag 2 in Prisdorf.
Rund anderthalb Jahre nach der Eröffnung hatten sie den Prisdorfer Standort aber zum 1. Oktober wieder geschlossen, aus wirtschaftlichen Gründen und weil Personal fehlte.
Hermann Kunstmann trauert dem Modegeschäft nicht nach
Währenddessen ist Hermann Kunstmann auch noch ein Jahr nach der Schließung des Modeshauses mit der Auflösung beschäftigt. Zwar ist das Gebäude komplett geräumt, doch hinter den Kulissen fällt doch noch einiges an Arbeit an. „Das zieht sich“, sagt Kunstmann, der sich als Unternehmensberater in Rellingen, wo er mit Frau Katrin und den beiden Töchtern im Teenageralter lebt, selbstständig gemacht hat. „Ich will die Auflösung vernünftig abschließen, dazu gehört eine Bilanz zu erstellen und die Steuererklärung einzureichen.“
Die Entscheidung, das Gebäude zu verkaufen, war bereits vor der Energiekrise getroffen worden. Es war aber schon absehbar, dass dem Einzelhandel schwere Zeiten bevorstünden. Kunstmann betont, dass es keine Pleite war, sondern eine klassische Betriebsschließung. Ausgesorgt hätten sie durch den Verkauf nicht. Beide arbeiten noch, Katrin Kunstmann in der Geschäftsführung von Viromed Medical.
Die Pinneberger vermissen das Modehaus Kunstmann
Pläne, das Geschäftshaus selbst umzubauen, die Verkaufsfläche zu verkleinern und einen Teil zum Wohnhaus umzubauen, hatte die Familie verworfen. Es wäre bei den steigenden Baukosten kaufmännisch schwer abzudecken und bei den dynamischen Entwicklungen in der Baubranche nicht kalkulierbar gewesen.
Das Geschäft selbst vermisse er nicht. „Das Leben geht weiter“, sagt der Geschäftsmann, der sich im vergangenen Sommer nach der Schließung des Modehauses erst einmal drei Wochen Dänemark gönnte – der erste längere Urlaub seit Jahren. Allerdings werde er beim Gang durch die Pinneberger Fußgängerzone gelegentlich noch auf das traditionsreiche Modehaus angesprochen, das offenbar so manch einer vermisst.
Hermann Kunstmann ist seit Januar stellvertretender Vorsitzender des VfL Pinneberg
Seit Generationen war das Geschäft ein Garant für hochwertige Bekleidung. Zudem hat die Familie immer großes gesellschaftliches Engagement in Pinneberg und insbesondere für den Sport gezeigt. Die Familie unterstützt den VfL Pinneberg, sponserte Jugendmannschaften und engagierte sich im Vorstand, war an der Gründung des Stadtmarketings und des Weihnachtsdorfes beteiligt, unterstützt Hörnum-Fahrten, initiierte die Weihnachtsbeleuchtung und wirkte in der Wirtschaftsgemeinschaft.
Hermann Kunstmann ist seit dem 1. Januar stellvertretender Vorsitzender des Sportvereins VfL Pinneberg und führt damit eine Familientradition fort. Die Kunstmanns sponserten auch in der Vergangenheit schon Jugendmannschaften und engagierten sich als Vorstände. Für ihr vielfältiges Engagement wurde die Hermann Kunstmann GmbH und Co KG auf dem Neujahrsempfang 2023 als „Förderer der Stadt Pinneberg“ ausgezeichnet.
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Ohne den Magneten Kunstmann hat es die untere Dingstätte nicht leicht. Ohne Kunstmann fehlt die Laufkundschaft. Das spürte auch Christine Gerckens in ihrem Geschäft nebenan. Sie schloss Dine’s Basteltreff einen Monat nach dem Aus von Kunstmann. Das Schreibwarengeschäft Papier und Stift hat den Schwerpunkt aufs Onlinegeschäft verlegt und die Öffnungszeiten eingeschränkt. Der Kürschner Geert Krusch hatte aus Altersgründen seinen Laden geschlossen.
Aber es gibt auch Positives zu berichten: Dem Stadtmarketing Pinneberg ist es gelungen, einen Pop-up-Store zu eröffnen. Das Keksbackstübchen lässt feine Düfte über die verkehrsberuhigte Straße ziehen, das Café Cero ist ein beliebter Treffpunkt für einen Kaffeeklatsch, und das Fitness-Studio Well You hält sich – und die Stadt überplant die Ebertpassage, die gleich hinter dem ehemaligen Modehaus Kunstmann liegt.