Pinneberg. Elektroräder machen ziemlich Tempo – und bergen daher ein erhöhtes Risiko. Wie Pedelec-Fahrer in Pinneberg sicher durch den Verkehr kommen.

Je nach Modell fast ohne Muskelbetätigung mit 25 Kilometern pro Stunde durch die Spätsommerbrise zu radeln, das kann nicht nur großen Spaß machen – sondern auch risikoreich sein. Dass mittlerweile rund jeder Vierte im Kreis Pinneberg ein Pedelec, oft E-Bike genannt, besitzt, schlägt sich nämlich auch in den Unfallstatistiken nieder.

Gerade ältere Menschen, die das Radfahren – zumal bei hohen Geschwindigkeiten – oft nicht mehr gewöhnt sind und zugleich meist schwerer verunglücken, tauchen immer wieder in den Unfallberichten auf. Dabei müsste die motorgestützte Radtour gar kein großes Gefahrenpotenzial darstellen. Mit nur wenigen Kniffen und etwas Übung können Pedelecfahrer ihr Unfallrisiko minimieren.

Immer mehr Pedelec-Unfälle im Kreis Pinneberg

Die Zahl der Pedelec-Unglücke in Deutschland ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen: Im Jahr 2021 meldete die Polizei 17.285 Unfälle mit Personenschaden, 2014 waren es noch 2245. Bei nichtmotorisierten Fahrrädern ist die Zahl der Unfälle mit Personenschaden hingegen sogar gesunken, vermeldet das Statistische Bundesamt.

Von einer „schlimmen Entwicklung“, spricht Polizeikommissar Joachim Lang, zuständiger Mitarbeiter im Sachgebiet Verkehr der Polizeidirektion Bad Segeberg. Die Unfälle würden verstärkt seit 2018 auftreten, seitdem zeige sich ein kontinuierlicher Anstieg.

Der Polizeistatistik zufolge erlitten im vergangenen Jahr 116 Pedelec-Fahrer Unfälle auf den Straßen des Kreises, bis August 2023 sind im Kreis Pinneberg bereits 71 Menschen verunfallt. Die meisten der Fahrer waren jeweils zwischen 55 und 65 Jahren alt. Grundsätzlich enden Pedelec-Unglücke häufiger tödlich als solche mit herkömmlichen Fahrrädern. 2021 kamen deutschlandweit 131 Menschen auf einem Pedelec ums Leben.

Fast ein Viertel der Pinneberger besitzt ein Pedelec

Die steigenden Unfallzahlen lassen sich einerseits mit dem explosionsartigen Anstieg von Pedelec-Besitzern erklären. Mehr als jeder Vierte in Schleswig-Holstein hat sich bereits ein Fahrrad mit Motorunterstützung gekauft, so das Ergebnis einer Civey-Umfrage im Auftrag des Energieanbieters Eon, bei der im Frühjahr 30.000 Bundesbürger ab 18 Jahren online befragt wurden. Im Kreis Pinneberg gibt es mit einer Pedelec-Quote von 26,5 Prozent sogar knapp mehr Elektroflitzer als im Nachbarkreis Bad Segeberg (26,3).

Pedelec oder E-Bike?

Das, was viele E-Bike nennen, heißt eigentlich Pedelec. Denn „Pedal Electric Cycles“ sind motorgestützte Fahrräder, die unversichert, ohne Führerschein und theoretisch sogar ohne Helm gefahren werden dürfen. Sie unterstützen bis zu einer Geschwindigkeit von 25 Kilometern pro Stunde und der Motor darf maximal 250 Watt stark sein. Rechtlich gelten sie als Fahrräder.

S-Pedelecs, die bei einem Tempo von bis zu 45 Kilometern pro Stunde motorgestützt rollen, erfordern hingegen einen Führerschein. Außerdem müssen die Fahrer mindestens 16 Jahre alt sein und ein Versicherungskennzeichen ist Pflicht.

Zuletzt gibt es noch die E-Bikes. Das sind elektromotorisierte Räder, die auch gefahren werden können, ohne in die Pedale zu treten. Sie ähneln einem Mofa. Hier springt der Motor beispielsweise allein mithilfe eines Schalters oder auf Knopfdruck an.

„Die Versuchung ist groß, doch mal den Turbo einzuschalten“

Andererseits ist nicht die schiere Menge der Räder allein verantwortlich für die vielen Pedelec-Unfälle, sagt Hanspeter Raschle. Er ist Radfahrlehrer und Tourenleiter beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club Pinneberg (ADFC), gibt Fahrrad-Reparaturkurse an der Volkshochschule und führt ADFC-Fahrsicherheitstrainings für Pedelecfahrer durch.

Die Unglücke würden unter anderem passieren, weil Senioren sich ein Pedelec anschaffen, um endlich wieder mobil zu sein. Ältere Menschen seien jedoch oft nicht mehr routiniert auf dem Sattel. Noch dazu können die Fahrräder dank ihres Motors ziemlich schnell ziemlich schnell werden: „Die Versuchung ist unglaublich groß, doch mal den Turbo einzuschalten – und dann ist man sofort bei 25 Kilometern pro Stunde“, so der Experte.

Das birgt ein erhöhtes Unfallrisiko, zumal die Pedelecs wegen Akku und Motor deutlich schwerer sind als vergleichbare „Bioräder“, wie Raschle herkömmliche Drahtesel liebevoll nennt. Insbesondere solche Pedelecs, bei denen der Akku auf dem Gepäckträger verbaut ist, hätten zudem einen ungewohnt hohen Schwerpunkt.

ADFC-Fahrsicherheitstraining hilft Pinneberger Pedelec-Anfängern

Auch wenn das Pedelec ein völlig neues Fahrgefühl mitbringt, muss die Ausfahrt nicht gefährlich sein. Wer sein Rad liebt, der übt – um der Sicherheit willen. Gezieltes Bremsen, das richtige Fahren über Bordsteinkanten, die „liegende Acht“ ergänzt durch Verkehrstheorie und das korrekte Einstellen des Sattels: Das bietet der ADFC Pinneberg in kompakten vier Stunden im Pedelec-Fahrsicherheitstraining. Dabei gehen (oder besser: fahren) die Teilnehmer an ihre Grenzen, erzählt Raschle. Diese zu kennen, ist schließlich das A und O, um sicher durch den Verkehr zu kommen.

Bei einem Fahrsicherheitstraining, etwa vom ADFC, können sich Pedelec-Einsteiger mit ihrem neuen Gefährt vertraut machen.
Bei einem Fahrsicherheitstraining, etwa vom ADFC, können sich Pedelec-Einsteiger mit ihrem neuen Gefährt vertraut machen. © FUNKE Stock/FFS | Gero Helm

Lediglich 15 Euro kostet die Teilnahme am zweiten Durchlauf am Freitag, 29. September. „Das erste Training hatten wir im Juli. Das war ein voller Erfolg“, begründet Raschle den weiteren Termin. Der Kurs richtet sich speziell an Umsteiger auf elektrisch unterstützte Fahrräder. Einige wenige der insgesamt 15 Plätze für das Training sind noch frei. Informationen sowie das Anmeldeformular gibt es unter www.adfc-pinneberg.de/sicherheitstraining.de

Kleinere Reifen helfen, das Gleichgewicht zu behalten

Allen, die ihr neues Pedelec vorerst ohne professionelles Fahrsicherheitstraining benutzen möchten, gibt Raschle ebenfalls Tipps an die Hand – und die fangen schon bei der Wahl des Fahrzeugs an: „Wer nicht so routiniert ist und vielleicht auch schon mit dem Gleichgewicht hadert, dem kommen 20-Zoll-Räder mit einem tieferen Schwerpunkt sehr entgegen.“

Außerdem weist Raschle darauf hin, dass gerade jetzt, wenn der Herbst kommt, Nässe oder feuchtes Laub das Rad ins Rutschen bringen können. Fahrer, die gezielt bremsen können und Kurven mit nur einem geringen Neigungswinkel nehmen, sind hier klar im Vorteil. Sollte selbstverständlich sein: Auch wenn er auf dem Pedelec nicht zur Pflichtausrüstung gehört, kann ein Helm Leben retten. Das betont auch Joachim Lang von der Polizeidirektion Bad Segeberg.

Wer gerade drauf und dran ist, sich ein Pedelec zuzulegen, fährt das Modell vor dem Kauf am besten aus, um sich mit der Handhabung vertraut zu machen. Weil sich das bei Onlinekäufen schwierig gestaltet, können Interessierte beispielsweise in Urlaubsregionen ein Modell probeweise leihen und bei einer Tagestour ausgiebig testen.

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Den Pedelec-Boom sieht Raschle vom ADFC als positive Entwicklung, weil er Menschen Mobilität und Fahrspaß in der Natur ermöglicht, die auf einem „Biorad“ nicht mehr weit kämen. „So kommen noch 85-Jährige mit auf Tour und auch sie können mal 70, 80 Kilometer fahren“, sagt er.

Doch längst sind die motorisierten Räder nicht mehr allein bei älteren Semestern beliebt. In Eons Civey-Befragung gaben auch 13,8 Prozent der 18- bis 29-Jährigen an, ein Elektrofahrrad zu besitzen. Noch im Jahr 2021 waren es in dieser Altersgruppe lediglich 9,8 Prozent. Raschles Kommentar dazu: „Bei Jüngeren sollte doch vielleicht die Nutzung der Muskulatur noch im Vordergrund stehen.“ Und damit allzeit gute Fahrt, ob auf dem Pedelec oder „Biorad“.