Henstedt-Ulzburg. Ärztinnen und Ärzte der Klinik in Henstedt-Ulzburg schlagen Alarm. Über welche Zustände sie beim Warnstreik am Donnerstag klagten.

In der Paracelsus-Klinik ist es unruhig geworden. Das Krankenhaus in Henstedt-Ulzburg ist in diesen Tagen Schauplatz eines Arbeitskampfes. Nachdem der Marburger Bund Schleswig-Holstein die Ärztinnen und Ärzte zu einem Warnstreik aufgerufen hatte, folgten diesem viele Beschäftigte. Und verdeutlichten ihren Unmut mit einer Kundgebung vor dem Rathaus der Gemeinde. Die Kernforderung bleibt: Die Gehälter sollen auf Hamburger Tarifniveau angeglichen werden, dazu setzt sich die Gewerkschaft für einen Inflationsausgleich ein. Vor der nächsten Verhandlungsrunde wird daher der Druck erhöht.

Soheil Fahimi hat sich der Aktion angeschlossen. Seit etwa acht Jahren ist der Anästhesist in Henstedt-Ulzburg tätig. „Ich habe sehr viel erlebt“, sagt er. Im Vergleich zu der Zeit, bevor Paracelsus nach einem Insolvenzverfahren von der Schweizer Beteiligungsgesellschaft Porterhouse übernommen wurde, seien die Zustände im Grundsatz besser geworden. „Vor der Insolvenz war es schlimm. Es fehlten Arbeitskräfte. Man muss positiv erwähnen, dass sich durch den neuen Eigentümer die Zustände gebessert haben, das Krankenhaus wurde auf Vordermann gebracht.“ Aber eben die Infrastruktur, das empfinden die Ärztinnen und Ärzte, die hier demonstrieren.

Paracelsus-Klinik: Ärzteschaft verdient „im Durchschnitt 700 bis 800 Euro weniger als in Hamburg“

Das jüngste Beispiel: Anfang des Jahres wurden das neue Herzkatheter-Labor und drei neue OP-Säle eröffnet, 4,2 Millionen Euro hat der Konzern hier investiert, es wurde der Bereich umgebaut, in dem sich zuvor die Ende 2022 geschlossene Geburtsklinik befunden hatte. Die Folge: „Dadurch, dass das Herzkatheter-Labor und das Orthopädie-Zentrum zu uns gestoßen sind, hat die Arbeitsintensität zugenommen. Wir arbeiten im Vergleich zu den letzten Jahren viel mehr. Anästhesisten arbeiten 24 Stunden in den Bereitschaftsdiensten, bis in die Nächte hinein“, berichtet Fahimi.

„Momentan ist es so, dass wir auf der Intensivstation durcharbeiten, denn es werden viel mehr Herzpatienten nachts eingeliefert. Letztendlich ist es die Regel, dass man 24 Stunden durcharbeitet, gerade auf der Intensivstation, in den OPs. Das wird nicht wertgeschätzt, der Arbeitgeber respektiert es nicht.“ Er betont: „Wir würden gerne hierbleiben. Wir sind ein eingeschworenes Team, es ist familiär bei uns, eigentlich ein schönes Arbeiten, das wir nicht missen wollen. Aber im Durchschnitt verdienen wir 700 bis 800 Euro weniger als in Hamburg.“

Marburger Bund sieht Nachteile gegenüber UKE, Asklepios und anderen Krankenhäusern

Wie es dazu kommt, erklärt Daniel Arp, Verbandsjurist beim Marburger Bund. „Es gibt einen Referenztarifvertrag für kommunale Krankenhäuser. Der findet seit Jahren auch in Hamburg Anwendung, beim UKE, bei Asklepios, bei vielen anderen. Wenn wir nicht aufpassen, sind wir im Laufe des Jahres sicherlich schon bei zehn Prozent Gehaltsabstand.“ Denn dort könnte es tarifliche Erhöhungen geben. „Unser Auftrag ist, nachzuziehen.“ Paracelsus will das Lohnniveau nicht anheben. „Machen könnte man das.“

Arp spricht von einer besonderen Situation. „Wir verhandeln nur für dieses Jahr, aber mit Leuten, die aus dem Konzern kommen. Paracelsus hat bisher zwei Komponenten genannt: Einmal die Insolvenz des kompletten Konzerns, und dann wurde die wirtschaftliche Situation genannt. Wir können das nicht verifizieren, können es nur zur Kenntnis nehmen.“

Daniel Arp vom Marburger Bund Schleswig-Holstein spricht bei der Kundgebung in Henstedt-Ulzburg.
Daniel Arp vom Marburger Bund Schleswig-Holstein spricht bei der Kundgebung in Henstedt-Ulzburg. © Christopher Mey | Christopher Mey

Üblich für die Branche sei es nicht, dass Paracelsus die Standorte einzeln verhandele. Bei Asklepios oder Helios gebe es Tarifverträge für die Bundesebene. Das gibt es bei Paracelsus zwar mit ver.di, aber eben dann für die Pflege. Die Sorge, dass Ärztinnen und Ärzte daher nach Hamburg abwandern, ist stets vorhanden. Und Wechsel über die Landesgrenze sind schon oft vorgekommen. „Welchen Anreiz habe ich, wenn ich in Hamburg lebe, rausfahren muss und dann noch zehn Prozent weniger verdiene?“

Eine Assistenzärztin der Chirurgie ist 2023 den entgegengesetzten Weg gegangen, ging von einem Maximalversorger aus der Hansestadt in den Vorort. „Ich wollte in einem kleinen Krankenhaus der Grundversorgung anfangen.“ Ihre Arbeit mache sie gerne. „Ich bin aus voller Überzeugung Ärztin.“ Aber in der nächsten Klinik, also in Hamburg, rund zehn Kilometer entfernt, würde sie aufgerundet zehn Prozent mehr verdienen. „Das ist nicht konkurrenzfähig.“

Assistenzärztin klagt: Paracelsus spart sogar bei den Putzkräften

Der Tarifvertrag sei zum 31. Dezember 2023 ausgelaufen. Sie wirft dem Arbeitgeber eine „Verzögerungstaktik“ vor. „Es hätte schon verhandelt werden müssen, bevor der Tarifvertrag ausgelaufen ist.“ Dass Paracelsus in das Krankenhaus investiere, aber nicht die Löhne erhöhe, „passt aus unserer Sicht nicht zusammen“. Und es werde woanders gespart, sogar an Putzkräften, berichtet sie. „Das führt dazu, dass wir Intensivbetten nicht schlussdesinfizieren können und diese dann gesperrt sind.“

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Wie es nun weitergeht? Schon in der kommenden Woche soll vor den Ostertagen ein weiteres Mal verhandelt werden. Maren Maak, Sprecherin der Paracelsus-Klinik, dazu: „Als Arbeitgeber haben wir ein großes Interesse daran, dass im Rahmen von Verhandlungen eine für beide Seiten gute Lösungen gefunden wird. Eine Lösung, die in der aktuell auch wirtschaftlich schwierigen Lage für uns als Klinik tragbar ist, aber für die tägliche wichtige Arbeit der Ärztinnen und Ärzte in unserem Hause die notwendige finanzielle Wertschätzung zeigt.“ Die letzten Verhandlungstermine seien „zwar angespannt“ gewesen, könnten aus Sicht des Krankenhauses aber „dennoch als konstruktiv bezeichnet werden“.

Paracelsus-Klinik Henstedt-Ulzburg: Während des Warnstreiks lief ein Notbetrieb

Während des Warnstreiks lief der Betrieb in der Paracelsus-Klinik weiter. „Ein Streik ist immer ein großer Einschnitt in das Klinikgeschehen und in die eingespielten Arbeitsabläufe, der sich nachhaltig bemerkbar macht. Wir haben den Notbetrieb aufrechterhalten und selbstverständlich alle Notfälle behandelt“, so Maak.

„Uns ist weiterhin daran gelegen, zeitnah eine gütliche Einigung mit dem Marburger Bund zu erzielen und auf diesem Wege auch weitere Streikmaßnahmen im Sinne unserer Patienten und Patientinnen sowie im Sinne aller unserer Mitarbeitenden vermeiden zu können. Für die Klinikleitung und die Geschäftsführung der Paracelsus Kliniken Deutschland wird weiterhin das sachliche und konsensorientierte Gespräch am Verhandlungstisch das Mittel der Wahl bleiben.“