Norderstedt/Hamburg. Opfer des Einbruchs von 2021 streiten vor Gericht mit der Haspa. Nächster Termin im Berufungsverfahren steht fest.

Es geht um Hunderttausende Euro und für manche Menschen um die Altersvorsorge: Ein wichtiger Berufungsprozess vor dem Hamburgischen Oberlandesgericht (OLG) geht am 1. März in die nächste Runde. Die Richter des zuständigen 13. Zivilsenats entscheiden im Prinzip darüber, wie hoch die Hamburger Sparkasse Kunden entschädigen muss, deren Geld bei einem spektakulären Einbruch im August 2021 in eine Norderstedter Haspa-Filiale gestohlen wurde.

Der Ausgang des Prozesses könnte eine große Signalwirkung für Hunderte weitere Geschädigte haben – und auch für die gesamte Bankenbranche. Denn letztlich geht es um die Frage, wie umfassend eine Bankfiliale beziehungsweise ein Tresorraum vor Einbrüchen geschützt sein muss. Vom neuen Gutachten eines Sachverständigen erhofft sich der Anwalt der Geschädigten, Jürgen Hennemann, eine weitere Wendung im Prozess. Letzten Endes könnte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entscheiden.

Die Täter konnten bisher nicht gefasst werden, Razzien brachten keinen Erfolg

Der Einbruch war einer der spektakulärsten Kriminalfälle der vergangenen Jahre. Bisher unbekannte Diebe waren zwischen dem 6. und dem 9. August 2021 in die Bankfiliale in Norderstedt-Mitte eingebrochen. Aus einer über der Filiale liegenden Wohnung waren sie in den Tresorraum vorgedrungen, und zwar mit einem Kernbohrer, mit dem sie die meterdicke Betonschicht durchbohrt hatten. Dann hatten sie 650 Schließfächer ausgeräumt. Gestohlen wurden Wertsachen wie Schmuck und Goldbarren, aber auch sehr viel Bargeld. Der Schaden liegt laut unterschiedlichen Schätzungen zwischen zwölf und 40 Millionen Euro. Von den Tätern fehlt noch immer jede Spur – Razzien in Berlin und Brandenburg führten zu keinem Erfolg.

Die Haspa hat alle Personen, denen damals etwas gestohlen wurde, bereits entschädigt. Allerdings mit einer Höchstsumme von 40.000 Euro, wie dies auch die Verträge vorsahen. Ein Teil der Opfer will aber gerichtlich erstreiten, dass die Haspa genau das ersetzen muss, was tatsächlich in den ausgeraubten Schließfächern lag. Denn manche Kunden hatten mehr als 100.000 Euro in bar in den Schließfächern liegen, was sie auch belegen können.

Zwei Richter am Landgericht urteilten im Sinne der Geschädigten

Zunächst sah es gut für die Kläger aus. Das Landgericht Hamburg urteilte im Juni 2023, dass sie komplett zu entschädigen seien. Das begründete die zuständige Zivilkammer 30 damit, dass der Tresorraum nicht ausreichend gesichert gewesen sei. Dort gab es zum fraglichen Zeitpunkt tatsächlich nur einen einzigen Bewegungsmelder. Es hätte weitere Systeme zur Sicherung geben müssen, urteilte der Vorsitzende Richter Christoph Ruholl – zumal schon im Oktober 2020 Einbrecher versucht hatten, mit einem Kernbohrer in eine Haspa-Filiale in Hamburg-Altona einzubrechen. Die Bank hätte also gewarnt sein müssen. Dieser Ansicht schloss sich im Januar 2024 dann auch die Zivilkammer 2 des Landgerichts Hamburg an, unter Vorsitz von Richterin Katrin Schwarz. Hier ging es um weitere Fälle von Geschädigten.

Richter Panten am OLG sieht die Sache ganz anders als seine Kollegen

Das große Problem der Kläger: Noch im Sommer 2023 ging die Haspa in Berufung vor das OLG Hamburg. Und Ralph Panten, der Vorsitzende Richter des 13. Zivilsenats, sieht die Sache offenbar völlig anders als seine Kollegen am Landgericht. Beim ersten Verhandlungstermin im November machte er deutlich, dass der Senat die „deutliche Tendenz“ habe, davon auszugehen, dass die Sicherungssysteme „ausreichend gewesen sein könnten“. Es war ein Paukenschlag – zumal Panten seine Haltung nicht, wie die Richter am Landgericht, den Prozessparteien vorab schriftlich erklärt hatte. Geschädigte wie der Norderstedter Manfred Troyke, der seine Ersparnisse für das Alter in dem Schließfach hatte, wurden im OLG-Prozesssaal kalt erwischt.

Keine „allgemeingültigen Sicherheitsstandards“ für Tresorräume?

Wesentlich für Pantens Argumentation ist, dass es aus seiner Sicht keine allgemeingültigen Sicherheitsstandards für die Tresorräume von Banken gebe. „Das hat mich selbst überrascht“, sagte der Richter. Zu ganz anderen Erkenntnissen kamen allerdings die beiden Richter am Landgericht. Die betonten in ihren Urteilsbegründungen, dass es derlei Standards sehr wohl gebe, definiert etwa von der VdS Schadensverhütung GmbH, einem Tochterinstitut des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Diese Haltung bekräftigt nun auch das Gutachten eines Sachverständigen, das Rechtsanwalt Jürgen Hennemann jetzt der 13. OLG-Zivilkammer vorgelegt hat. Der Gutachter, der hier nicht namentlich genannt werden kann, sei „von einer Industrie- und Handelskammer öffentlich bestellt und vereidigt und deshalb vollkommen unabhängig in seinem Urteil“, sagt Hennemann.

Gutachter: Richtlinien gibt es, die Haspa hat sie verletzt

Der Gutachter komme laut Hennemann nun zum Schluss, dass nicht nur VdS-Standards, sondern auch Richtlinien des Verbandes der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE) für diesen Fall gelten. Und dass der von der Haspa in Norderstedt-Mitte verwendete Bewegungsmelder eben diesen Standards nicht genüge. Hennemann: „Laut Gutachter hätte es zwingend zusätzliche Sicherungssysteme geben müssen.“

Dreh- und Angelpunkt in dessen Stellungnahme sei „die Sicherung der Außenhaut des Tresorraums“, so Hennemann. „Das fordern die Richtlinien.“ Nur so hätte eine angemessene „Interventionszeit“ erreicht werden können: „Wenn die Außenhaut mit einem Körperschallsensor gesichert gewesen wäre, hätte der Alarm schon dann angeschlagen, als die Täter den Bohrer ansetzten. Dann wäre die Polizei nach 15, 20 Minuten vor Ort gewesen und hätte die Täter auf frischer Tat festgenommen.“ Aber weil so ein System fehlte, hätten sich die Täter „stunden- oder sogar tagelang“ durch den Beton bohren können.

Anwalt hat Vertreter von sieben Geldinstituten als Zeugen benannt

Es bleibt abzuwarten, ob der Gutachter vor Gericht auch angehört wird. Dazu verpflichtet ist der Senat von Richter Panten nicht, er kann einen eigenen Gutachter berufen. Allerdings hat Anwalt Hennemann auch eine Reihe von Zeugen benannt, die im weiteren Prozess gehört werden sollen. Es handelt sich um Vertreter von sieben Geldinstituten, darunter die Deutsche Bank, die Commerzbank und die Sparkasse KölnBonn.

Diese Bankenvertreter können, so Jürgen Hennemann, vor Gericht darlegen, was bei der Sicherung von Tresorräumen „branchenüblich“ sei – nämlich eine „deutlich stärkere Sicherung als im Norderstedter Fall“, so der Rechtsanwalt. Hätte die Haspa aber die „Branchenüblichkeit“ unterschritten, so hätte die Bank ihre Kunden darüber aufklären müssen. Da sie das aber nicht tat, sei sie verpflichtet, die Kunden komplett zu entschädigen, so seine Argumentation.

Entscheidet am Ende der BGH, wie vor Jahren beim Online-Banking?

Es bleibt abzuwarten, inwieweit das Gutachten oder Zeugenaussagen den 13. Senat dazu bringen können, von der bisher angedeuteten Linie abzuweichen. Vom zweiten Prozesstag am 1. März dürften bereits deutliche Signale ausgehen – auch für die Fälle, über die Richterin Katrin Schwarz am Landgericht entschieden hatte. Denn auch hier ist die Haspa bereits in Berufung gegangen, es entscheidet ebenfalls der Senat von Richter Panten.

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Bleibt der Senat bei seiner Haltung, bleibt für Jürgen Hennemann und seine Mandanten wohl noch der Gang vor den Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Voraussetzung wäre, dass die dortigen Richter die Sache nicht als „Einzelfall“ betrachten – so hatte Richter Panten sich geäußert – sondern als eine Frage, die die ganze Branche betrifft. Dass es so kommt, wäre allerdings nicht das erste Mal. Ein Beispiel: Die Frage, wie gut das Online-Banking gesichert sein muss, regelte vor 14 Jahren letztlich der BGH.