Hamburg/Norderstedt. Bank muss Geschädigten des Einbruchs in Norderstedt viel höhere Entschädigungen zahlen. Wie die Haspa reagiert.
Die Hamburger Sparkasse muss drei Geschädigten des Einbruchs in eine Norderstedter Filiale sehr viel höhere Entschädigungen zahlen als bisher vorgesehen. Das hat am Donnerstag die Zivilgerichtskammer das Landgerichts Hamburg entschieden. Es ist eine herbe Niederlage für die Bank – und ein Sieg für den Buchholzer Rechtsanwalt Jürgen Hennemann, der die drei Geschädigten vertritt.
„Meine Mandanten werden vollumfänglich entschädigt. Das ist ein Stück weit historisch und außerhalb jeder Üblichkeit“, sagte Jürgen Hennemann am Donnerstag in einer ersten Stellungnahme.
Der Einbruch vor zwei Jahren war einer der spektakulärsten Fälle dieser Art in jüngerer Zeit. Bisher unbekannte Täter waren zwischen dem 6. und dem 9. August 2021 in Norderstedt-Mitte mit einem Kernbohrer aus einer über der Bankfiliale gelegenen Wohnung in den Tresorraum eingedrungen. Mehr als 600 Schließfächer wurden ausgeräumt. Im Tresorraum befanden sich etwa 1200 Schließfächer.
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Die Hamburger Sparkasse hatte seitdem die rund 600 Geschädigten mit einer Höchstsumme von 40.000 Euro entschädigt, wie das die Vertragsbedingungen auch vorsahen. Viele Geschädigte wollen das aber nicht hinnehmen, zumal in den Schließfächern oft sehr viel höhere Werte lagen. Rechtsanwalt Jürgen Hennemann spricht von einer Gesamtschadenssumme von 40 Millionen Euro, die Haspa beziffert den Schaden auf elf Millionen.
Drei der Geschädigten, die Hennemann vertritt, hatten nun vor dem Landgericht Hamburg gegen die Bank geklagt. Das Argument, das Hennemann in den vergangenen zwei Jahren immer wieder vehement vertrat: Die Sicherheitstechnik im Tresorraum sei zum Zeitpunkt des Einbruchs absolut nicht ausreichend gewesen. Und deshalb müsse die Bank auch die tatsächlichen Werte ersetzen, die in den aufgebrochenen Fächern lagerten.
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Zu dieser Einschätzung kam nun auch das Gericht. „Die Beklagte kann sich nicht auf eine wirksame Haftbegrenzung berufen“, sagte Richter Christoph Ruholl, Vorsitzender der Zivilgerichtskammer, am Donnerstag. Denn sie habe sich bei der Sicherung des Tresorraums einer „Pflichtverletzung“ schuldig gemacht.
Geschädigter Manfred Troike bekommt 110.000 Euro zusätzliche Entschädigung
Dem Geschädigten Manfred Troike, 67, muss die Haspa nun 110.000 Euro bezahlen – zusätzlich zu den 40.000 Euro, die er schon erhalten hat. Außerdem muss die Bank Troike laut Urteil Zinsen zahlen. Der Norderstedter hatte angegeben, dass sich zum Zeitpunkt des Einbruchs 150.000 Euro in bar in seinem Schließfach befunden hätten.
Heiko Stahmer, 62, wird mit 67.994 Euro entschädigt. Der Apotheker aus Reinbek hatte angegeben, dass sich 25.000 Euro in seinem Schließfach befunden hätte, außerdem Goldbarren und Goldmünzen. Auch ihm muss die Bank zusätzlich zu den rund 70.000 Euro Zinsen zahlen.
Ein dritter Geschädigter, der nicht namentlich genannt werden möchte, wird jetzt laut Urteil mit 100.000 Euro entschädigt. Der 71-Jährige Kaltenkirchener hatte vor Gericht ausgesagt, dass er 140.000 Euro in bar in sein Schließfach gelegt hatte. Damit wird auch er komplett entschädigt.
Rechtsanwalt: „Versuch der Haspa gescheitert, Öffentlichkeit zu täuschen“
„Durch sein Urteil bestätigt das Landgericht Hamburg, dass die Haspa Sorgfalts- und Obhutspflichten schuldhaft verletzt hat und daher unbegrenzt haftet“, sagte Anwalt Jürgen Hennemann. Und weiter: „Darüber hinaus ist der Versuch der Haspa gescheitert, amtliche Ermittlungsergebnisse über annähernd zwei Jahre zu vernebeln und sowohl Kunden als auch die Öffentlichkeit über ihre mangelnde Sicherheitstechnik zu täuschen.“
Tatsächlich hatte die Haspa die Dinge stets so dargestellt, dass die Sicherheitstechnik auf dem neuesten Stand der Technik gewesen sei – das hatten es auch die Haspa-Rechtsanwälte der Kanzlei SNB Law in dem Gerichtsprozess unterstrichen, der am 19. April begonnen hatte.
Der Tenor: Die Systeme seien intakt und modern gewesen. Wie der Einbruch trotzdem passieren konnte, sei ein großes Rätsel. Der Coup habe „Hollywood-Charakter“ gehabt, so der Rechtsanwalt Dr. Einar Recknagel im April. Der Einbruch sei „nicht vorhersehbar“ gewesen.
Richter: Nach Fall in Altona hätte die Bank mehr tun müssen für Sicherheit
Genau das sah das Gericht offenkundig anders. Die Bank habe die Pflicht gegenüber ihren Kunden gehabt, den „anerkannten, sich fortentwickelnden Sicherheitsstandard zu berücksichtigen“, so Richter Christoph Ruholl in seiner Urteilsbegründung. Dem sei sie aber „nicht gefolgt“.
Ruholl bezog sich explizit auf einen sehr ähnlichen Fall in Hamburg-Altona im Oktober 2020. Damals waren die Täter ganz ähnlich vorgegangen. Sie hatten versucht, mit einem Kernbohrer in den Tresorraum vorzudringen.
Der Versuch war zwar gescheitert – aber aus Sicht des Gerichts hätte die Haspa gewarnt sein müssen und die Sicherheitstechnik in anderen Filialen „überprüfen und gegebenenfalls nachrüsten“ müssen. Das, so Ruholl, sei aber nicht ausreichend passiert. Denn der Bewegungsmelder sei in Norderstedt mit einem „passgenauen Aufkleber“ ausgeschaltet worden – wie schon in Altona.
Keine Videoüberwachung, kein Wachpersonal im Schließfachraum
Ruholl bemängelte auch, dass der Tresorraum in Norderstedt nicht durch Kameras überwacht war, beziehungsweise, dass kein Sicherheitspersonal dabei war, wenn Kunden zu den Schließfächern gingen. „Dazu bestand aber Anlass“, so der Vorsitzende Richter. Denn die Täter hätten so vor ihrem Einbruch unbeobachtet die Lage im Tresorraum auskundschaften können. Dass die Kammer die Systeme im Norderstedter Tresorraum bemängeln würde, war schon lange klar – sie hatte das den Streitparteien schon im Frühjahr in einem Schreiben mitgeteilt.
Haspa bleibt bei ihrer Haltung – auch nach dem Urteil
Die Haspa bleibt auch nach dem Urteil bei ihrer Haltung. Stefanie von Carlsburg, Sprecherin der Bank, sagte am Donnerstag: „Die Kammer ist bedauerlicherweise bei ihrer ersten Würdigung zur Frage der tresormäßigen Sicherungspflichten geblieben. Dies ist nach unserer Rechtsauffassung nicht nachvollziehbar. Bei dem von der Haspa verbauten Bewegungsmelder (Honeywell Viewguard Dual AM EMK) handelt es sich um ein Produkt der höchsten Sicherheitsklasse.“
Hochwertigere Zulassungen, so von Carlsburg, seien „weder in Deutschland noch im europäischen Raum bekannt.“ Es handele sich um ein „Premium-Produkt des Marktführers“ und gelte „in Fachkreisen als anerkannter Stand der Technik“. Das habe das Gericht auch „so bestätigt“.
Die Bank will jetzt vor das Oberlandesgericht ziehen
Aber, so die Sprecherin weiter: „Das Gericht hat jedoch überraschenderweise weitere Anforderungen gestellt. Unsere Kunden wie auch wir sind Opfer von Schwerstkriminellen geworden. Der Verlust unserer Kunden macht auch uns betroffen, ist aber entgegen der Auffassung der Kammer nicht von der Haspa zu vertreten. Wir gehen deshalb davon aus, dass wir das Urteil – nach der Analyse der Urteilsbegründung – durch das Oberlandesgericht Hamburg überprüfen lassen werden.“
Bei den drei Klagen wird es wohl es trotzdem nicht bleiben. Es ist zu vermuten, dass sich nun noch weitere der insgesamt 600 Geschädigten zu einer Klage gegen die Haspa entscheiden – das Urteil des Landgerichts vom Donnerstag dürfte sie dazu ermutigt haben.