Norderstedt . Ein Mitarbeiter bemerkte die Flüssigkeit, die aus dem Tresorraum floss. Schließfach-Mieter fordern schnelle Aufklärung.
Nach dem spektakulären Einbruch in eine Filiale der Hamburger Sparkasse (Haspa) in Norderstedt hat die Polizei ihre intensiven Ermittlungen am Tatort fortgesetzt. Eine Spezialdienststelle für komplexe Ermittlungen untersucht das Verbrechen an der Rathausallee, bei dem ein Schaden von mindestens mehreren 100.000 Euro entstanden ist. Auch eine Kieler Dienststelle der Kripo, die auf Spurensicherung spezialisiert ist, wurde eingeschaltet.
Am Wochenende hatten sich Einbrecher unbemerkt mit einem Kernbohrer Zugang zu der Filiale verschafft, in dem sie den Boden einer darüber liegenden leerstehenden Praxis öffneten. Danach brachen sie diverse Schließfächer auf. Wie dreist die Täter vorgingen, belegen neue Informationen, die am Dienstagmorgen bekannt wurden.
Haspa in Norderstedt: Mitarbeiter entdeckte Überfall
Am Sonntag gegen 15 Uhr hatte ein Haspa-Mitarbeiter zufällig entdeckt, dass Wasser aus dem Tresor- und Schließfachraum floss. Er rief die Polizei. Die Untersuchungen in der Filiale und der Praxis begannen. Die Räume wurden über Nacht versiegelt. Am frühen Montagmorgen drangen die Täter dann erneut in die Praxis ein und entzündeten dort Reifen, um Spuren zu verwischen. Hitze und Ruß richteten weiteren hohen Sachschaden an.
Inzwischen ist auch geklärt, woher das Wasser kam. Die Täter hatten offenbar einen Schlauch angeschlossen, um den Bohrer zu kühlen. Sie konnten ungestört arbeiten. „Die Alarmanlage hatte aus bislang unbekannter Ursache nicht ausgelöst“, sagte Polizeisprecher Lars Brockmann.
In Norderstedt ist der „große Coup“ das Stadtgespräch
„Das ist der größte Coup in der Norderstedter Stadtgeschichte“, sagt Andreas Herrmann. „Überfälle auf die Haspa hatten wir ja schon – aber dieser Fall ist einzigartig.“ Herrmann steht am Dienstag vor der Filiale der Hamburger Sparkasse an der Rathausallee. Nebenan führt er seit Jahrzehnten sein Reisebüro, im Haus über der Bank hat Herrmann seine Wohnung. „Ich habe nichts gehört am Wochenende“, sagt der Reisekaufmann. „Nur in der Woche zuvor, da waren Presslufthammergeräusche. Wir dachten, da bekommt einer ein neues Bad, oder so. Aber vielleicht waren das ja die Bankräuber!“
Da könnte Herrmann richtig liegen. Die Praxis, in der die Täter zu Werke gingen, liegt in einem zweigeschossigen Gebäude an der Beamtenlaufbahn, im Rücken der Rathausallee. Von dort aus bohrten sie sich zu den Schließfächern vor. Davon gibt es in der Filiale etwa 1000 Stück. Wie viele davon aufgebrochen wurden, ist noch unklar. Die Arbeit der Ermittler am Tatort könnte noch Tage dauern. „Die Sicherung der Spuren ist außerordentlich umfangreich“, hieß es bei der Polizei.
Auch am Dienstag waren die Fachleute der Kriminalpolizei in der Haspa-Filiale im Einsatz. Außerdem rückten erneut die Norderstedter Feuerwehr und Spezialisten des ABC-Zuges des Kreisfeuerwehrverbandes an. Haspa-Mitarbeiter sorgten sich wegen der Gerüche in dem Gebäude. Doch die Messungen ergaben auch diesmal keine gefährlichen Werte. Am Tag zuvor hatten die Norderstedter mit anderen Geräten Messungen vorgenommen, die ebenfalls unbedenklich gewesen waren.
Die Schließfach-Besitzer bekommen keine Antworten
Unterdessen versammelten sich am Dienstagmorgen besorgte Kundinnen und Kunden der Haspa vor dem Eingang auf der Rathausallee. „Ich wollte heute ein Auto kaufen. Das Geld dafür liegt in meinem Schließfach. Ich habe keine Ahnung, ob es noch da ist oder nicht“, sagt eine Dame. Dann zeigt sie ihre ringlosen Finger. „Mein gesamter Schmuck war auch im Schließfach“, dann winkt sie ab und geht.
Jürgen Bertram aus Norderstedt ist mit seinem Auto vorgefahren. „Ich habe es schon am Telefon versucht, ob mir irgendwer bei der Haspa mal sagen kann, ob mein Schließfach betroffen ist – aber keiner weiß von nichts! Das ist ungeheuerlich!“ Nun hofft er auf einen Filialmitarbeiter an der Rathausallee, der vielleicht mit ihm redet. Doch die Tür der Haspa-Filiale bleibt geschlossen. „Ich finde das ein Unding. Meine ganzen Ersparnisse sind im Schließfach. Die könnten doch hier wenigstens mal jemanden hinstellen, der mit den Kunden redet.“
Auch Hartmut Brügge hat es schon auf allen Kanälen versucht. „Keiner bei der Haspa hat eine Ahnung und informiert uns – eine Katastrophe.“ Brügge und Bertram sorgen sich, ob ihnen ein eventueller Schaden überhaupt ersetzt wird. „Ich kann nachweisen, was in meinem Schließfach war“, sagt Bertram. „Nachweise? Wozu hat man denn ein Schließfach. Ich weiß sehr genau, was in meinem Fach war“, sagt Brügge. „Gut, dass ich wenigstens meinen Enkeln gerade erst was gegeben hatte“, sagt Bertram.
Haspa-Überfall: Täter hatten hohe kriminelle Energie
Haspa-Unternehmenssprecherin Stefanie von Carlsburg teilte am Dienstag auf Anfrage des Abendblattes mit, die Schadenhöhe werde aktuell noch ermittelt. Wie viele Haspa-Kunden von dem Bankraub betroffen sind, sei Teil der polizeilichen Ermittlungen. ,,Deshalb können wir hierzu noch keine Auskunft geben.“ Auf die Frage, wie viele Schließfächer aufgebrochen und entleert wurden, wollte sich von Carlsburg ebenfalls nicht äußern.
,,Die Filiale hat rund 1000 Schließfächer – es sind aber nicht alle betroffen. Alle Schließfächer sind bis zu 40.000 Euro versichert“, teilte die Sprecherin mit. ,,Für darüber hinausgehende Werte haben Kunden die Möglichkeit, eine Zusatzversicherung abzuschließen. Wir werden alles versuchen, den Schaden so gering wie möglich zu halten.“
Die Kundinnen und Kunden werden um Geduld gebeten. ,,Wir haben bereits gestern angefangen, vorsorglich unsere Kunden, die ein Schließfach bei uns haben, persönlich zu informieren“, betonte von Carlsburg. ,,Als Vorbereitung für eine Schadensregulierung können unsere Kunden eine Auflistung ihres Schließfachs erstellen.“
Viele fragen sich, warum der Bankraub nicht früher entdeckt wurde. Was war mit den Alarmsystemen? ,,Seien Sie versichert, dass unsere Sicherheitssysteme technisch auf dem höchsten Niveau sind“, teilte die Haspa mit. ,,Deshalb gab es einen derartigen Einbruch mit dieser hohen kriminellen Energie in der Vergangenheit bei uns noch nie. Wie es den Einbrechern trotzdem gelingen konnte, in die Filiale einzudringen, werden die Ermittlungen der Polizei ergeben.“
Vergleichbare Bank-Überfälle gab es in Altona und Berlin
Wie berichtet, ist die Masche der Täter nicht neu. Im vergangenen Oktober waren Unbekannte mit einem Kernbohrer in eine Haspa-Filiale in Hamburg-Altona eingedrungen, flüchteten jedoch ohne Beute. Auch aus Niedersachsen und Berlin wurden mehrere Fälle bekannt. Die Ermittler prüfen weiter, ob Zusammenhänge zwischen den Taten bestehen und arbeiten mit ihren Kollegen in anderen Bundesländern zusammen. Außerdem prüfen sie Aussagen von Nachbarn und anderen Zeugen, die die Täter gesehen haben.
Die Polizei wird auch mit den Mietern der Schließfächer Kontakt aufnehmen. „Neben der Spurensuche und -sicherung werden die Beamten das Diebesgut erfassen und hierzu in Kontakt mit den geschädigten Schließfachmietern treten“, sagte Polizeisprecher Brockmann. „Aufgrund der Vielzahl an möglichen Geschädigten dürfte sich die Kontaktaufnahme voraussichtlich mindestens über mehrere Tage erstrecken.“ Die Polizei bittet um Geduld.
Zeugenaufruf: Hinweise zu auffälligen Personen und Fahrzeugen am Tatort zwischen Freitag und Montagmorgen unter 040/52 80 60 melden.