Norderstedt. Keine volle Entschädigung von der Sparkasse? Wie Geschädigte damit umgehen, dass sie wahrscheinlich sehr viel Geld verlieren.

Wut, Enttäuschung, Verständnislosigkeit. Das sind Gefühle, die derzeit Geschädigte des spektakulären Einbruchs in eine Norderstedter Haspa-Filiale im Jahr 2021 haben. Denn sie müssen sich nun darauf einstellen, hohe Summen für immer verloren zu geben – teils fünf- oder sechsstellige Beträge, mühsam zusammengespart, gedacht als Altersvorsorge oder Erbe an die Kinder. Noch im Juni hatte es so ausgesehen, als würden die Summen vollständig ersetzt. Aber nun zeichnet sich ab, dass das Hanseatische Oberlandesgericht eine Entscheidung wieder kassieren wird, die das Landgericht Hamburg im Sinne der Opfer getroffen hatte.

„Ich habe mehr als 30 Jahre nur geknüppelt. Jetzt ist die Altersvorsorge weg!“, sagt Manfred Troyke, 68. Der Norderstedter arbeitet als Maschinenführer, hatte 150.000 Euro in bar in seinem Schließfach. „Eigentlich wollte ich längst aufhören. Aber nun bin ich gezwungen, weiterzuarbeiten“, sagt er.

Heiko Stahmer, 64, Apotheker im Ruhestand, sagt: „Das war die vermeintlich sicherstes Geldanlage meines Lebens. Aber das ist gründlich schiefgegangen.“ Der Reinbeker, der lange in Norderstedt lebte, hatte damals Goldbarren und Goldmünzen in sein Haspa-Schließfach gelegt, sowie Bargeld. Alles zusammen war rund 110.000 Euro wert.

Haspa: Von den Tätern des Einbruchs im August 2021 fehlt noch immer jede Spur

Der Einbruch im Jahr 2021 war filmreif, sorgte deutschlandweit für Schlagzeilen: Bisher unbekannte Diebe waren zwischen dem 6. und dem 9. August in die Bankfiliale in Norderstedt-Mitte eingebrochen. Aus einer über der Filiale liegenden Wohnung waren sie mit einem Kernbohrer in den Tresorraum eingedrungen. Dort hatten sie mehr als 600 Schließfächer aufgebrochen. Gestohlen wurden Geld und Wertsachen, der Schaden liegt laut unterschiedlichen Schätzungen zwischen zwölf und 40 Millionen Euro. Von den Tätern fehlt noch immer jede Spur.

Die Hamburger Sparkasse hat danach aus ihrer Sicht alle Betroffenen entschädigt – allerdings mit einer Höchstsumme von jeweils 40.000 Euro, wie das die Verträge auch vorsahen. Einige Betroffene, die sehr viel höhere Werte in ihren Schließfächern hatten, gingen dagegen gerichtlich vor, darunter Manfred Troyke und Heiko Stahmer. Der Buchholzer Rechtsanwalt Jürgen Hennemann vertritt die Geschädigten.

Landgericht hatte im Sinne der Geschädigten geurteilt, OLG sieht es anders

Hennemanns Kernargumentation: Der Tresorraum war zum fraglichen Zeitpunkt nicht ausreichend gesichert. Die Diebe hätten den Bewegungsmelder habe viel zu leicht lahmlegen können. Es hätte zusätzlicher Sicherungssysteme bedurft, zumal es ein Jahr zuvor einen ganz ähnlichen Einbruchsversuch in Hamburg-Altona gab. Die Zivilkammer 30 des Landgerichts Hamburg sah das im Juni ganz ähnlich und verurteilte die Haspa in drei Fällen dazu, die Differenzbeträge zwischen den schon gezahlten 40.000 Euro und den tatsächlichen Werten an die Opfer auszubezahlen. Manfred Troyke sollte 110.000 Euro bekommen, Heiko Stahmer rund 70.000 Euro.

Die Haspa, die stets betonte, es sei nach dem Einbruch in Altona in Norderstedt der neueste und beste Bewegungsmelder eingebaut worden, ging in Berufung. Und sie wird wohl Erfolg haben. Am ersten Prozesstag Ende November sagte Ralph Panten, Vorsitzender Richter des zuständigen 13. Zivilsenats am OLG: „Wir haben die deutliche Tendenz, anzunehmen, dass die Sicherung ausreichend gewesen sein könnte.“

Heiko Stahmer findet Argumentation des Richters „sehr erstaunlich“

Der Prozess wird im Frühjahr fortgesetzt. Aber die Chancen, dass die Geschädigten doch noch Recht bekommen, stehen nicht gut. Manfred Troyke, den die ganze Sache sehr belastet, ist wütend: „Ich habe all die Jahre immer ein bisschen was zur Seite gelegt, für die Rente. Jetzt ist fast alles weg, weil die Haspa den Raum nicht ordentlich gesichert hat“, meint er.

Die Tatsache, dass zwei hohe Gerichte in Hamburg die Frage nach der Tresorraumsicherung völlig anders bewerten, versteht er nicht. Heiko Stahmer sagt dazu: „Ich finde es auch sehr erstaunlich. Man kann doch so etwas nicht nur an einem einzelnen Bewegungsmelder festmachen.“

Haspa: Kleine Filiale in der Vorstadt? „Eine Frechheit“

Richter Panten hatte angeführt, dass gegen eine Videoüberwachung des Tresorraums – wie von Anwalt Hennemann gefordert – der Persönlichkeitsschutz der Kunden spreche. Außerdem habe es sich um eine „eher kleine Filiale in der Vorstadt“ gehandelt. Dazu Stahmer: „Das Argument mit der Videoüberwachung ist wirklich Quatsch. An jeder Tankstelle gibt es heutzutage Kameras, im Vorraum der Bank auch. Und das Argument mit der Vorstadt ist eine Frechheit, wenn man sich die geschätzte Schadenssumme ansieht.“

Heiko Stahmer betont auch, dass er dem Richter „nichts unterstellen“ möchte. Und: „Ich vertraue in unser Rechtssystem und glaube, dass wir eine gute Justiz haben.“ Dass eine Kammer am Oberlandesgericht eine andere Sicht der Dinge hat als eine am Landgericht, ist Teil dieses Systems. Dass es im Falle Haspa unterschiedliche Sichtweisen gab, kam allerdings schon einmal vor, im Jahr 2010. Damals ging es um Zertifikate der US-Bank Lehman Brothers, die die Haspa Kleinanlegern verkauft hatte. Die Bank ging pleite, die Anleger verloren ihr Geld. Das Landgericht Hamburg hatte die Haspa daraufhin zu Schadenersatz verurteilt, das OLG hob dieses Urteil aber auf. Der Vorsitzende Richter der zuständigen Kammer: Ralph Panten.

Heiko Stahmer wollte die Goldbarren seinen Kindern vererben

Einstweilen müssen sich Troyke und Stahmer mit dem Stand der Dinge abfinden. Und der ist, dass beide wohl hohe Summen verloren geben müssen. Für Manfred Troyke bedeutet das direkte und harte Einschnitte. Etwas besser abfedern kann es Heiko Stahmer, der bis zum Jahr 2014 Inhaber der Erlen-Apotheke an der Ulzburger Straße war und auch lange Jahre in Norderstedt lebte, bevor er nach Reinbek zog. Betroffen sind allerdings Stahmers drei Kinder. „Ich wollte ihnen die Goldbarren und das Bargeld eigentlich vererben“, sagt er.

Was die Situation für beide noch erschwert: Zur Summe im Schließfach kommen noch die Anwaltskosten. Geld, das sie ebenfalls nicht zurückbekommen, sollte der Prozess verloren gehen. Bei Manfred Troyke sind bisher „über 50.000 Euro“ zusammengekommen, wie er sagt. Bei Stahmer waren es „knapp 40.000 Euro.“

Haspa-Geschädigte könnten wohl in Berufung gehen – aber Kosten steigen immer weiter

Es sind Kosten, die beide im Blick behalten müssen – und die auch das weitere Prozessgeschehen beeinflussen könnten. Denn urteilt das OLG im Sinne der Haspa, könnten die Geschädigten vermutlich wiederum Revision vor dem Bundesgerichtshof einlegen. Nur müssten sie dann damit rechnen, dass es dadurch für sie nur noch teurer wird – bei ungewissen Erfolgsaussichten. „Man müsste sich natürlich fragen, ob man dem verlorenen Geld dann neues hinterherwirft“, sagt Heiko Stahmer. Erwägungen, die für die Haspa eine deutlich kleinere Rolle spielen düften. Die Bank habe „natürlich andere Ressourcen“, so Stahmer.

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Sicher ist eines: In einem Schließfach der Hamburger Sparkasse würden Stahmer und Troyke nie wieder Wertsachen unterbringen. Ob sie das möchten, wurden sie nämlich Monate nach dem Einbruch tatsächlich gefragt, von einem Bankmitarbeiter. Heiko Stahmer: „Das klang für mich wie ein schlechter Scherz“.