Norderstedt. Vorzeigeprojekt „Norderstedter Modell“ mit Sozialwohnungen könnte wiederbelebt werden. Die Hintergründe zur politischen Wende.

Das ist eine faustdicke politische Überraschung: In Norderstedt könnte es nun doch eine Zukunft für ein in den letzten Jahren umstrittenes Projekt geben: das „Norderstedter Modell“. Unter diesem Begriff versteht man geförderte Sozialwohnungen für Flüchtlinge sowie grundsätzlich für alle Menschen, die ein Anrecht hierauf haben und es aus unterschiedlichsten Gründen auf dem Wohnungsmarkt nicht leicht haben. Dazu gehören auch Bewohnerinnen von Frauenhäusern, Senioren, Geringverdienende, Obdachlose oder solche, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind. Im Sozialausschuss wurde nun knapp beschlossen, dass die Planungen für zwei weitere Vorhaben in den städtischen Doppelhaushalt 2024/2025 aufgenommen werden sollen.

Zur Erinnerung: Die Strategie war 2019 gestartet worden, als Bauträger fungierte die städtische Entwicklungsgesellschaft (EGNO), zwei von vier Projekten wurden in der Folge auch realisiert. Ein „Norderstedter Modell“ befindet sich nördlich der Feuerwache Friedrichsgabe an der Ulzburger Straße (26 Wohnungen), das zweite, im Garstedter Dreieck, wurde 2023 bezugsfertig (38 Wohnungen). Beide sind in der Regel voll ausgelastet. Jeweils galt: Die Hälfte der Wohnungen sind für Flüchtlinge vorgesehen, die meist vorher in einer der ebenso vollends ausgelasteten Unterkünfte gelebt haben, die andere Hälfte für Menschen, die ebenso zu der immer größer werdenden Bevölkerungsschicht zählen, die einen Anspruch auf Wohnraumförderung hat.

Wohnungsnot: Warum das „Norderstedter Modell“ jetzt wieder eine Option ist

Ein dritter Neubau galt zeitweise als fix, und zwar an der Lawaetzstraße, wo sich zuvor eine 2021 abgebrannte Unterkunft für Geflüchtete und Wohnungslose befand. Der damalige Plan: 100 Wohnungen sollten hier entstehen auf einer Fläche, die sowieso öffentliches Eigentum ist. Doch im Frühjahr 2022 strich eine politische Mehrheit, angeführt von der CDU, das Projekt aus dem Haushalt. Insbesondere, weil man gegen eine Zuständigkeit der EGNO war. Vielmehr wurde eine Zusammenarbeit mit der Wohnungswirtschaft favorisiert.

Letztlich hat sich seitdem nichts mehr getan, die Brache an der Lawaetzstraße ist unverändert. Doch nun wagte die SPD einen neuen Vorstoß. Demnach wurde beantragt: Für zwei weitere Standorte sollten die Planungskosten im städtischen Finanzplan bereitgestellt werden. Insgesamt geht es hier um zunächst 2,5 Millionen Euro, weitere 1,5 Millionen Euro wären für 2026 vorgesehen, dann also im übernächsten Doppelhaushalt. Auch mögliche Investitionskosten von jeweils 9 Millionen Euro werden genannt. Maßstab sei der Bau im Garstedter Dreieck.

Dramatische Situation: Bis Ende 2030 fällt fast die Hälfte aller Sozialwohnungen aus der Preisbindung

Das „Norderstedter Modell“ habe sich als „tragfähiges Konzept zur Unterbringung von Geflüchteten herausgestellt“, schreibt Tobias Schloo (SPD) in der Begründung. Im Vergleich zu anderen Formen biete dieses eine langfristige Perspektive und die Möglichkeit, „Geflüchtete an den regulären Wohnungsmarkt heranzuführen“. Die „50/50“-Aufteilung sei zudem ein großer Faktor bei der Integration. Und: „Als Nebeneffekt schaffen wir auch noch in Norderstedt knappen geförderten Wohnraum.“

Wie dramatisch die Situation ist, zeigt sich im aktuellen Bericht der Stadt zur Wohnraumversorgung. Demnach werden bis Ende 2030 insgesamt 868 Sozialwohnungen in Norderstedt vom Markt verschwinden, da die Mietpreisbindung ausläuft. Der Bestand sinkt dann von 1753 auf 885. Der Druck, dem durch Neubauprojekte entgegenzuwirken, ist also hoch. Doch dafür müssen Politik, Stadt und Wohnungswirtschaft gemeinsame Strategien entwickeln.

SPD: „Bedarf, vernünftigen Wohnraum zu schaffen“

Auf Nachfrage bestätigt Schloo: „Wir versuchen, wieder Bewegung reinzubekommen in dieses Thema. Ich glaube, wir sehen fraktionsübergreifend, dass wir es voranbringen können und dass wir den Bedarf haben, vernünftigen Wohnraum zu schaffen.“ Er verweist auf die eigentlich abgängige Unterkunft in der früheren Schule Fadens Tannen, generell auf die Problematik, dass es kaum gelingt, Menschen, die als Flüchtlinge in die Stadt gekommen sind, Wohnungen zu vermitteln. Und der Vorsitzende des Sozialausschusses betont auch: „Wir haben noch einen gültigen Beschluss aus 2019.“

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Das Abstimmungsergebnis war dennoch untypisch: SPD und Grüne waren dafür mit ihren jeweils drei Stimmen, dagegen nur WiN/Freie Wähler. Dann allerdings enthielten sich neben der AfD auch die FDP und die CDU. Und jene fünf Stimmen der Christdemokraten waren entscheidend.

CDU will „nicht blockieren“, lässt die weiteren Planungen aber noch offen

Gunnar Becker, Fraktionschef der CDU, erklärt die Position seiner Partei. „Wir wollten es nicht blockieren, denn wir sehen die Notwendigkeit.“ Aber: „Wir tun uns ein bisschen schwer mit dem Begriff ,Norderstedter Modell‘, hätten gerne Modulbauen oder serielles Bauen.“ Warum? Er sagt, dass die bisherige Bezeichnung eng mit dem alten Konzept verbunden sei. Die Debatte, wie genau ein künftiges „Norderstedter Modell“ aussehen könnte, ob es dann einen anderen Namen erhält, soll allerdings zu einem anderen Zeitpunkt geführt werden. Ob mit oder ohne EGNO oder eher mit Partnern wie Plambeck oder Adlershorst, ob nun mit der bisherigen 50/50-Quote, will die CDU genauso offen lassen.

Genauso wie die Standortfrage. Naheliegend wäre weiterhin die Lawaetzstraße, in der Vergangenheit war auch die alte Feuerwache Glashütte an der Segeberger Chaussee genannt worden. Eine Auswahl könnte im Laufe des Jahres erfolgen, hier dürfte das Bauamt eine Auswahl vorlegen. Vorher braucht Norderstedt aber einen gültigen Doppelhaushalt, und dieser soll erst im März beschlossen werden.