Norderstedt. Mit dem „Norderstedter Modell“ will die Stadt Druck vom Wohnungsmarkt nehmen. Vorerst geht es um drei Standorte – hier wird gebaut.

Im Rathaus ist der Einfachheit halber nur noch von „NoMo“ die Rede. Dann wissen alle schon Bescheid. Das „Norderstedter Modell“ soll in den nächsten Jahren dabei helfen, den Druck vom Wohnungsmarkt zu nehmen. Und zwar insbesondere für jene Menschen, die wegen unterschiedlicher Gründe bei der Suche im Nachteil sind. Die Liste ist lang: Geflüchtete mit Duldung oder Aufenthaltsberechtigung, Obdachlose oder von Obdachlosigkeit bedrohte, Bewohnerinnen von Frauenhäusern, aber auch Alleinerziehende, Geringverdienende, Seniorinnen und Senioren.

Die 2019 initiierte Strategie besagt: Die Gebäude umfassen zu 100 Prozent geförderte Wohnungen. „Alle werden vermietet“, sagt Sozialdezernentin Anette Reinders. Von diesen wird die Hälfte für Geflüchtete vorgehalten, die anderen werden nach Richtlinien des ersten Förderwegs vergeben. Heißt: Zu 15 Prozent für Personen, die „auf Grund ihrer individuellen Situation erhebliche Zugangsschwierigkeiten zum regulären Mietwohnungsmarkt haben“, wie Reinders kürzlich im Sozialausschuss der Politik berichtete. Die restlichen 35 Prozent sind wiederum Menschen, deren Berechtigung das Gesetz über die Wohnraumförderung geregelt ist – oftmals über die Einkommensgrenze.

„Norderstedter Modell“: zu 100 Prozent geförderte Wohnungen

Die Entwicklungsgesellschaft (EGNO) realisiert die Vorhaben. Es geht vorerst um drei Standorte, ein vierter wäre perspektivisch noch die alte Glashütter Feuerwache an der Segeberger Chaussee. „Am Harkshörner Weg ist der Rohbau zu 80 Prozent abgeschlossen, es läuft planmäßig, sodass wir Mitte 2022 fertig sein können“, sagt Jörg Gust, Prokurist für Hochbau bei der EGNO. Direkt nördlich der Feuerwache Friedrichsgabe wird es dann 26 Wohnungen mit zwei bis vier Zimmern geben.

Beim zweiten Projekt laufen im Garstedter Dreieck, direkt neben der Kita Hummelhausen, die Erdarbeiten. 38 Wohnungen sollen gebaut werden. Bleibt noch das mit Abstand größte „NoMo“ – es soll an der Lawaetzstraße die in diesem Jahr abgebrannte ehemalige Unterkunft für Wohnungslose ersetzen. „Das Gebäude ist eine Ruine, es wird demnächst abgerissen“, so Gust.

Die Versicherungsfragen sind geklärt, Ursache für das Feuer war ein technischer Defekt, wie die Ermittlungen der Kripo ergeben hatten. Auf dem 9000 Quadratmeter großen Grundstück sind fünf zweigeschossige Baukörper mit Staffelgeschoss vorgesehen, das wären 95 bis 105 Wohnungen, dazu wird es eine Tiefgarage mit 70 Plätzen geben. Die Investitionskosten betragen 18,8 Millionen Euro – das Land bezuschusst jeden Quadratmeter bisher mit 500 Euro, eine Aufstockung um weitere 100 Euro wird erwartet. „Es soll ab Herbst 2022 abschnittsweise realisiert werden. Bis alle Gebäudeteile fertig sind, wird es ungefähr ein Jahr dauern“, so Gust. Da der Bedarf allerdings so hoch ist, werden die Neubauten nach Fertigstellung sofort vermietet.

EGNO ist keine Konkurrenz für die Wohnungswirtschaft

„Es ist kein Sozialprojekt, alle zahlen Miete und müssen sich an Regeln halten“, sagt Anette Reinders. Personen mit und ohne Migrationshintergrund aus unterschiedlichen sozialen Verhältnissen sollen in einem Quartier zusammenleben. „60 Prozent der Menschen in Deutschland haben einen Anspruch auf eine im Rahmen der Förderung errichtete Wohnung“, sagt Marc-Mario Bertermann, Geschäftsführer der EGNO. „Das sind nicht nur sozial schwache Menschen, sondern auch junge Familien oder Senioren. Die Stadt denkt nicht an Gewinn. Wir gehen nicht den leichten Weg. Es geht um das spezielle Thema Integration – wir sind kein Wettbewerber der Wohnungswirtschaft.“

Grundsätzlich sind die Mietverhältnisse zeitlich nicht befristet. Im Optimalfall soll es aber schon so sein, dass wenigstens jüngere Familien beziehungsweise berufstätige Bewohnerinnen oder Bewohner auf Sicht die finanziellen Möglichkeiten haben, auf dem freien Wohnungsmarkt fündig zu werden.

"Ich kenne keine Kommune in Schleswig-Holstein, die derartige Probleme bei der Unterbringung hat."

All diese künftigen Kapazitäten werden aber nicht reichen, das weiß die Sozialdezernentin schon jetzt. „Ich kenne keine Kommune in Schleswig-Holstein, die derartige Probleme bei der Unterbringung hat.“ Neumünster habe im Vergleich zum Beispiel einen hohen Bestand an Altbauwohnungen – in Norderstedt eine absolute Seltenheit.

Die Landesregierung hat bereits informiert, dass die erwartete Zahl der Geflüchteten für 2021 um 1000 übertroffen werde. „Es ist nicht so extrem wie 2015“, stellt Anette Reinders klar. Pro Woche kommen momentan ungefähr zehn Menschen neu nach Norderstedt. Deswegen wird jede Immobilie gebraucht. So wie die alte Schule Fadens Tannen. Die wollte man eigentlich schließen, so Reinders. „Aber es ist eine Möglichkeit, um Menschen mit Beeinträchtigungen unterzubringen. Und das nimmt zu.“ Dabei entspreche diese Unterkunft nicht mehr dem Standard, diese habe noch gemeinschaftliche Sanitärbereiche oder Küchen, die beengten Verhältnisse erfordern einen hohen Betreuungsbedarf – der bei den „NoMos“ übrigens ganz wegfallen soll.

Um allen Geflüchteten, die zugeteilt werden, eine Bleibe geben zu können, errichtet die Stadt in den nächsten Monaten zusätzlich an drei Standorten je zwei Mobilgebäude für insgesamt bis zu 50 Menschen – überwiegend Familien. Am Aurikelstieg, auf dem Sportplatz der ehemaligen Schule, soll es schon demnächst losgehen. Zwei weitere Unterkünfte folgen im ersten Halbjahr 2022 am Kringelkrugweg (Ecke Harkshörner Weg) sowie an der Harckesheyde (zwischen Schulweg und Harckesstieg).

Digitaler Info-Abend zu mobilen Flüchtlingsbauten

Bürgerinnen und Bürger, die hierzu und generell zur Unterbringung Fragen haben beziehungsweise weitere Informationen wünschen, können am Dienstag, 30. November, an einer – coronabedingt nur digitalen – Veranstaltung der Stadt teilnehmen, die von 18 Uhr über das Programm „Zoom“ laufen wird.

Für die Verwaltung nehmen Anette Reinders, die Integrationsbeauftragte Heide Kröger und Sirko Neuenfeldt, Leiter des Sozialamtes, teil. Anmeldungen werden bis 29. November, 12 Uhr, per Mail an erstestadtraetin@norderstedt.de erbeten. Die Zahl der Teilnehmenden ist aus technischen Gründen begrenzt.